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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Holzfällen im Staatstheater

Aus »Holz­fäl­len. Eine Erre­gung« von Tho­mas Bern­hard wur­de im Staats­thea­ter Stutt­gart »Holz­fäl­len von Tho­mas Bern­hard von und mit Nicho­las Ofc­za­rek und Music­ban­da Franui«.

Der Held des Stückes ist der Ohren­ses­sel, auf dem der Schrift­stel­ler sitzt und sei­ne Welt betrach­tet, dann ins Musik­zim­mer und schließ­lich nach Hau­se geht. Ein künst­le­ri­sches Abend­essen ist angesagt.

Der Skan­dal, den das Buch aus­lö­ste (1984), die Älte­ren erin­nern sich ger­ne dar­an und an ihre Lei­den­schaft für den Autor. Eine Erre­gung über Öster­reich und beson­ders Wien ist fast immer leicht und ange­bracht, man den­ke wei­ter zurück an Karl Kraus (kein Ver­gleich!), und wäre mal wie­der ange­bracht – heute.

Aber wir sit­zen im Thea­ter, das lan­ge schon aus­ver­kauft ist, auch wenn es vor mir zwei freie Plät­ze gibt. Hat da jeman­den der Mut verlassen?

Der Skan­dal ist in die Jah­re gekom­men, über das Mäze­na­ten­tum wird heu­te kaum einer mehr so schrei­ben, vor allem da die staat­li­che För­de­rung einer ver­sie­gen­den Quel­le gleicht. In die­se Lücke, die trotz vie­ler För­de­rung bleibt, stößt das Pri­vat­ka­pi­tal, das man­gels Für­sten und Gra­fen eben einen Burg­schau­spie­ler zum Abend­essen ein­lädt, die Lan­ge­wei­le will ver­trie­ben werden.

Die Kri­tik an den Wie­ner und Öster­rei­chi­schen Ver­hält­nis­sen, sagen wir beschei­de­ner: an den Thea­ter- und Kunst­ver­hält­nis­sen, die auch eine der bür­ger­li­chen Gesell­schaft ist, wie geht das Stutt­gar­ter Publi­kum damit um? Ich kom­me mit der Dame neben mir ins Gespräch; ich fra­ge sie nach ihrer Rezep­ti­ons­hal­tung. Sie stört sich etwas am Geläch­ter der ande­ren, sie ist ganz kon­zen­triert auf das Wie des Vor­trags und die Musik. Viel­leicht hät­te ein miss­ver­stan­de­ner Brecht dar­an sei­ne Freu­de, an die­ser distan­zier­ten Hal­tung; ich fürch­te nur, dass unter­geht, wor­um es bei dem Stück eigent­lich geht. Ist das so, wie wenn das Salz­bur­ger Publi­kum Kraus hört? Ein ästhe­ti­sier­tes Sehen und Hören? Oder sind mir die Leu­te lie­ber, die lachen, wann immer sich die Mög­lich­keit dafür bie­tet? Über­haupt wird im Stutt­gar­ter Thea­ter ger­ne gelacht, so als ob die Men­schen sonst wenig Mög­lich­kei­ten hät­ten, als hät­ten sie kei­nen Innen­mi­ni­ster, Mini­ster­prä­si­den­ten oder eine Kul­tur­mi­ni­ste­rin? Als gäbe es kei­ne Opern­sa­nie­rung und kei­nen Tief­bahn­hof, der am Ran­de der Höl­le ange­baut wird …

Aber über sei­nes­glei­chen darf man (nur) im Thea­ter lachen, frei­lich mit einer Distanz von vie­len Jah­ren, eine ande­re Zeit, und aus gefe­stig­ter Posi­ti­on her­aus. Die Dame neben mir nann­te das und sich »grund­bür­ger­lich«. Die­sen Grund konn­te das Stück nicht mehr auf­wei­chen, ins Wan­ken brin­gen, ihr ent­zie­hen! Wir blicken auf die ver­gan­ge­nen Skan­da­le mit Weh­mut zurück, kein Grund mehr aus dem Ohren­ses­sel auf­zu­sprin­gen und das Wort zu ergrei­fen. Und ver­barg der Schrift­stel­ler weder Schmach noch Schan­de, die er auch über sich emp­fand, nach­dem er sich ent­spre­chend bei der Haus­her­rin, Frau Auers­ber­ger, ver­ab­schie­det hat­te, und über­haupt sei­nen Hass auf die­se Welt; so wären wir alle heu­te hell bzw. dun­kel begei­stert, wür­den wir von Herrn Auers­ber­ger zum künst­le­ri­schen Abend­essen eingeladen.

Heu­te kann man vor dem Fern­se­hen an den Talk­shows teil­neh­men, das Geschwätz wird nicht bes­ser, aber das Essen dazu muss man sel­ber kochen.

Man sieht in dem Stück ein wenig die Kraft des nega­ti­ven (kri­ti­schen) Den­kens, das, ein­ge­hegt, im Thea­ter gou­tiert wird, aber auf kei­nen Fall soll­te es nach Hau­se mit­ge­nom­men werden.

»In den Wald gehen, tief in den Wald hin­ein«, sag­te der Burg­schau­spie­ler, »sich gänz­lich dem Wald über­las­sen, das ist es immer gewe­sen, der Gedan­ke nichts ande­res, als selbst Natur zu sein. Wald, Hoch­wald, Holz­fäl­len, das ist es immer gewesen …«