Aus »Holzfällen. Eine Erregung« von Thomas Bernhard wurde im Staatstheater Stuttgart »Holzfällen von Thomas Bernhard von und mit Nicholas Ofczarek und Musicbanda Franui«.
Der Held des Stückes ist der Ohrensessel, auf dem der Schriftsteller sitzt und seine Welt betrachtet, dann ins Musikzimmer und schließlich nach Hause geht. Ein künstlerisches Abendessen ist angesagt.
Der Skandal, den das Buch auslöste (1984), die Älteren erinnern sich gerne daran und an ihre Leidenschaft für den Autor. Eine Erregung über Österreich und besonders Wien ist fast immer leicht und angebracht, man denke weiter zurück an Karl Kraus (kein Vergleich!), und wäre mal wieder angebracht – heute.
Aber wir sitzen im Theater, das lange schon ausverkauft ist, auch wenn es vor mir zwei freie Plätze gibt. Hat da jemanden der Mut verlassen?
Der Skandal ist in die Jahre gekommen, über das Mäzenatentum wird heute kaum einer mehr so schreiben, vor allem da die staatliche Förderung einer versiegenden Quelle gleicht. In diese Lücke, die trotz vieler Förderung bleibt, stößt das Privatkapital, das mangels Fürsten und Grafen eben einen Burgschauspieler zum Abendessen einlädt, die Langeweile will vertrieben werden.
Die Kritik an den Wiener und Österreichischen Verhältnissen, sagen wir bescheidener: an den Theater- und Kunstverhältnissen, die auch eine der bürgerlichen Gesellschaft ist, wie geht das Stuttgarter Publikum damit um? Ich komme mit der Dame neben mir ins Gespräch; ich frage sie nach ihrer Rezeptionshaltung. Sie stört sich etwas am Gelächter der anderen, sie ist ganz konzentriert auf das Wie des Vortrags und die Musik. Vielleicht hätte ein missverstandener Brecht daran seine Freude, an dieser distanzierten Haltung; ich fürchte nur, dass untergeht, worum es bei dem Stück eigentlich geht. Ist das so, wie wenn das Salzburger Publikum Kraus hört? Ein ästhetisiertes Sehen und Hören? Oder sind mir die Leute lieber, die lachen, wann immer sich die Möglichkeit dafür bietet? Überhaupt wird im Stuttgarter Theater gerne gelacht, so als ob die Menschen sonst wenig Möglichkeiten hätten, als hätten sie keinen Innenminister, Ministerpräsidenten oder eine Kulturministerin? Als gäbe es keine Opernsanierung und keinen Tiefbahnhof, der am Rande der Hölle angebaut wird …
Aber über seinesgleichen darf man (nur) im Theater lachen, freilich mit einer Distanz von vielen Jahren, eine andere Zeit, und aus gefestigter Position heraus. Die Dame neben mir nannte das und sich »grundbürgerlich«. Diesen Grund konnte das Stück nicht mehr aufweichen, ins Wanken bringen, ihr entziehen! Wir blicken auf die vergangenen Skandale mit Wehmut zurück, kein Grund mehr aus dem Ohrensessel aufzuspringen und das Wort zu ergreifen. Und verbarg der Schriftsteller weder Schmach noch Schande, die er auch über sich empfand, nachdem er sich entsprechend bei der Hausherrin, Frau Auersberger, verabschiedet hatte, und überhaupt seinen Hass auf diese Welt; so wären wir alle heute hell bzw. dunkel begeistert, würden wir von Herrn Auersberger zum künstlerischen Abendessen eingeladen.
Heute kann man vor dem Fernsehen an den Talkshows teilnehmen, das Geschwätz wird nicht besser, aber das Essen dazu muss man selber kochen.
Man sieht in dem Stück ein wenig die Kraft des negativen (kritischen) Denkens, das, eingehegt, im Theater goutiert wird, aber auf keinen Fall sollte es nach Hause mitgenommen werden.
»In den Wald gehen, tief in den Wald hinein«, sagte der Burgschauspieler, »sich gänzlich dem Wald überlassen, das ist es immer gewesen, der Gedanke nichts anderes, als selbst Natur zu sein. Wald, Hochwald, Holzfällen, das ist es immer gewesen …«