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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Hut ab!

Kopf­be­deckun­gen spiel­ten in der Geschich­te der Mensch­heit bis in die Gegen­wart immer eine beson­de­re Rol­le. Vor­ran­gig ging es dabei um den Schutz vor Käl­te, Schnee oder Hit­ze. Auf die­se Funk­ti­on waren und sind sie aber kei­nes­wegs redu­ziert. Bereits im vier­ten Jahr­hun­dert dien­ten sie der Demon­stra­ti­on von Rein­heit und Trau­er im christ­li­chen Sin­ne. Lud­wig XIV. führ­te die Allo­n­ge­pe­rücke ein, die sich dann gera­de­zu infla­tio­när ver­brei­te­te. Viel­fach waren Müt­zen, Hüte oder Hel­me zugleich auch Aus­druck eines sozia­len Sta­tus, einer bestimm­ten Posi­ti­on oder Erken­nungs­merk­mal für eine spe­zi­el­le Berufs­aus­übung. Für uns ver­bin­den sich man­che Kopf­be­deckun­gen auch mit bestimm­ten Per­so­nen, oder ihre Bezeich­nung war zugleich ein Syn­onym. Dazu gehö­ren der Bicor­ne (Zwei­spitz), wie ihn Napo­le­on einst trug, der Drei­spitz von Offi­zie­ren und dem Adel des 18. Jahr­hun­derts, die Melo­ne des gedie­ge­nen eng­li­schen Ban­kers oder der Schlapp­hut als schein­ba­res Erken­nungs­merk­mal für den Geheim­agen­ten. Der Stahl­helm ist und bleibt Sym­bol für Mili­tär und Krieg, die Pickel­hau­be des spä­ten 19. und frü­hen 20. Jahr­hun­derts war gera­de in Deutsch­land sehr ver­brei­tet und unter­strich den mili­tä­ri­schen Cha­rak­ter und nicht sel­ten auch das Macht­ge­ha­be ihrer Träger.

Rich­ter tru­gen bis in die frü­hen 1960er Jah­re ein Barett. An den höch­sten deut­schen Gerich­ten ist dies noch heu­te üblich, wie wir regel­mä­ßig im Fern­se­hen bei der Ver­kün­dung von Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts wahr­neh­men kön­nen. Die Poli­zei ist nach wie vor ein amt­li­cher Müt­zen­trä­ger, auch wenn nicht immer in allen Situa­tio­nen noch so kon­se­quent wie einst.

Im pri­va­ten Bereich wur­den Müt­zen, Kap­pen und Hüte immer getra­gen, oft auch nur als Acces­soire. In den zurück­lie­gen­den 30 Jah­ren scheint dies eher zuge­nom­men zu haben. Soge­nann­te Base­caps sind sehr ver­brei­tet, und von Sän­gern und Schau­spie­lern wer­den gern auch auf­fäl­li­ge Hüte getra­gen, nicht sel­ten, wenn sie sich in einem Fern­seh­stu­dio bei einer Talk­show prä­sen­tie­ren. Manch­mal sagt der Hut dann mehr über sei­nen Trä­ger als die­ser selbst von sich gibt. Der Schorn­stein­fe­ger hat seit lan­gem kei­nen Zylin­der mehr, und auch auf Beer­di­gun­gen ist sol­cher Art Kopf­schmuck nur noch sel­ten anzu­tref­fen. Als Hel­mut Schmidt Mit­te der 1970er Jah­re Bun­des­kanz­ler wur­de, kam ver­stärkt die Prinz-Hein­rich-Müt­ze in Mode. Inzwi­schen scheint auch die­ser Trend wie­der der Ver­gan­gen­heit anzu­ge­hö­ren. So hat alles sei­ne Zeit, und das, was der Mensch auf dem Kopf trägt, offen­bar auch.

Mich beschäf­tigt die The­ma­tik eigent­lich nur ab und an von Berufs wegen. Man­cher, der heu­te als Ange­klag­ter oder Zeu­ge vor ein Gericht gela­den ist, erscheint gern auch mit Kopf­be­deckung, vor­ran­gig einem Base­cap. Mit­un­ter hat die­ses zusätz­lich eine eher frag­wür­di­ge Beschrif­tung. Das für sich allein wäre noch kein Pro­blem. Es ist aber min­de­stens seit etwa 150 Jah­ren ein unge­schrie­be­nes Gesetz, dass der Ange­klag­te und auch der Zeu­ge bei sei­ner Befra­gung durch ein Gericht die Kopf­be­deckung abneh­men. Das ist eine Fra­ge des Respekts vor staat­li­cher Auto­ri­tät und der Berufs­aus­übung der Rich­te­rin oder des Rich­ters. Man­cher Zeit­ge­nos­se scheint dies ent­we­der nicht zu wis­sen oder den Gedan­ken dar­an zu ver­drän­gen. So kommt es ab und an vor, dass die Kap­pe nicht abge­nom­men wird. Man­che Gerichts­vor­sit­zen­de neh­men das schwei­gend hin und über­ge­hen die­se Unhöf­lich­keit. Spä­te­stens dann ist der Zeit­punkt gekom­men, wo es mir not­wen­dig erscheint, die vor Gericht erschie­ne­ne Per­son auf ihr Fehl­ver­hal­ten hin­zu­wei­sen. Wir bekla­gen uns gesamt­ge­sell­schaft­lich bereits seit Jahr­zehn­ten über den Ver­lust von Auto­ri­tät und der Ach­tung vor staat­li­chen Funk­ti­ons­trä­gern wie Poli­zi­stin­nen und Poli­zi­sten oder eben Rich­te­rin­nen und Rich­ter. Es bleibt oft unbe­rück­sich­tigt, dass die Din­ge – wie so oft – im Klei­nen begin­nen. Nach und nach wird auf feste Gepflo­gen­hei­ten ver­zich­tet, oder die­se wer­den ohne Not gelockert. So kommt suk­zes­si­ve eins zum anderen.