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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Modernes Raubrittertum

Im Spät­mit­tel­al­ter brei­te­te sich in zuneh­men­dem Maße das Raub­rit­ter­tum aus. Adli­ge berei­cher­ten sich durch Über­fäl­le auf Kauf­leu­te und Rei­sen­de. Das Recht, Wege-, Brücken- und Schiffs­zöl­le zu erhe­ben, stand dem König zu, der es als Lehen an ver­schie­de­ne Lan­des­her­ren ver­gab. Inso­fern war das Zoll­sy­stem anfangs eini­ger­ma­ßen legal. Die zuneh­men­den Über­fäl­le durch Rit­ter waren es dann frei­lich nicht mehr. Wozu die Prak­ti­ken der erpres­se­ri­schen Behand­lung von Rei­sen­den füh­ren konn­te, hat Hein­rich von Kleist in sei­ner Novel­le »Micha­el Kohl­haas« anschau­lich erzählt.

Dass in der Gegen­wart von ver­schie­de­nen Staa­ten Maut- und Stra­ßen­nut­zungs-Gebüh­ren erho­ben wer­den, ist ja durch­aus nach­voll­zieh­bar, denn die Unter­hal­tung der Stra­ßen kostet schließ­lich viel Geld. Da die Per­so­nen­kraft­wa­gen die Städ­te zuneh­mend ver­stop­fen, ist es auch ver­ständ­lich, dass für ihr Abstel­len Park­ge­büh­ren erho­ben wer­den. Die­se soll­ten frei­lich ange­mes­sen sein und vor allem für die Park­flä­chen und Park­häu­ser bei Kli­ni­ken und Kul­tur­zen­tren moderat.

Inzwi­schen haben aber win­di­ge Abzocker ein lukra­ti­ves Geschäft ent­deckt! Sie stel­len Fal­len und zocken übel ab. Sie las­sen sich von Ein­kaufs­zen­tren Kul­tur­ver­an­stal­tern und Fir­men das Recht über­tra­gen, Park­ge­büh­ren zu erhe­ben und prei­sen sich an: »Anhand modern­ster Kenn­zei­chen­er­ken­nung bie­ten wir unkom­pli­zier­te und gün­sti­ge Alter­na­ti­ven zu Schran­ken­sy­ste­men und ver­mei­den Falsch­par­ker.« Wie sie dann den Auto­fah­rern ein »kun­den­freund­li­ches Park­erleb­nis« besche­ren, konn­te ich am eige­nen Leib erfah­ren, als ich der Ein­la­dung eines Rei­se-Ver­an­stal­ters folg­te, der in Mann­heim sein Jah­res­pro­gramm vor­stell­te. Die Ver­an­stal­tung fand in einem Kul­tur­zen­trum statt, das zusam­men mit eini­gen Geschäf­ten und Ein­kaufs­zen­tren an einem Park­platz liegt. Der Ver­an­stal­ter ver­wies in sei­ner Ein­la­dung dar­auf, dass Park­plät­ze vor­han­den sei­en, gab aber nicht an, dass die­se kosten­pflich­tig sind. Als ich auf den Platz gefah­ren war, konn­te ich auf Schil­dern lesen, dass ein Kenn­zei­chen­scan erfolgt sei. Die Bezah­lung wür­de über das Free-Flow-System abge­wickelt. Als ich fünf­zig Minu­ten spä­ter den Park­platz ver­ließ, woll­te ich die Gebühr bezah­len, fand aber kein Kas­sen­häus­chen. Da die Schran­ke offen war, ging ich irri­ger­wei­se davon aus, dass das Par­ken kosten­frei gewe­sen sei. Aber weit gefehlt! Bereits weni­ge Tage spä­ter erhielt ich von Park­de­pot aus Mün­chen einen Brief, mit dem man mir mit­teil­te, dass das Par­ken gebüh­ren­pflich­tig war und ich einen Benut­zer­ver­stoß began­gen hät­te. Für die Park­dau­er von 49 Minu­ten wur­de eine Gebühr in Höhe von zwei Euro ver­langt, außer­dem eine Ver­trags­stra­fe in Höhe von 45 Euro. Ich kön­ne die 47 Euro »bequem per Giro­Code« bezah­len. Für die Bezah­lung wur­de eine Frist von 14 Tagen gesetzt.

Ich schrieb sofort eine Mail an die ange­ge­be­ne Adres­se und bat um Kulanz­prü­fung, wenn mög­lich Stor­nie­rung bzw. wenig­stens Redu­zie­rung des Betrags. Ich beschrieb ein­ge­hend die Schwie­rig­kei­ten, die ich mit dem vor­ge­ge­be­nen Free-Flow-System hat­te, zumal ich kein Home-Ban­king betrei­be und mein mobi­les Tele­fon noch nie für das Scan­nen und Abwickeln von Zah­lungs­vor­gän­gen ein­ge­setzt habe. Um die vor­ge­ge­be­ne Frist nicht zu über­schrei­ten, über­wies ich umge­hend die gefor­der­te Park­ge­bühr (zwei Euro) sowie zusätz­lich frei­wil­lig fünf Euro für das Erin­ne­rungs­schrei­ben, das mir zuge­stellt wor­den war.

Eine indi­vi­du­el­le Ant­wort habe ich nicht erhal­ten, son­dern ledig­lich per Mail das Form­blatt: »Auf­grund eines aktu­el­len hohen Auf­kom­mens an Anfra­gen ver­zeich­nen wir der­zeit län­ge­re Bear­bei­tungs­zei­ten als gewohnt. Bit­te sei­en Sie ver­si­chert, dass wir alle Anlie­gen sorg­fäl­tig und mög­lichst zeit­nah bear­bei­ten.« Wie sorg­fäl­tig mein Anlie­gen bear­bei­tet wur­de, erfuhr ich direkt nach Ablauf der gestell­ten Zah­lungs­frist: Zu der Ver­trags­stra­fe und der Park­ge­bühr war nun noch die »erste Mah­nung (Ver­zugs­scha­den)« hin­zu­ge­kom­men, also for­der­te man einen Betrag in Höhe von 45 Euro. Zäh­ne­knir­schend über­wies ich 40 Euro und ver­wies dar­auf, dass ich die Park­ge­bühr und außer­dem frei­wil­lig fünf Euro bereits über­wie­sen hat­te, um die Zah­lungs­frist ein­zu­hal­ten. Es nütz­te aber nichts: Ich bekam eine zwei­te Mah­nung, bei der zu den ersten Mahn­ko­sten in Höhe von 5 Euro noch wei­te­re Mahn­ko­sten in Höhe von drei Euro hinzukamen.

Ins­ge­samt habe ich also 55 Euro dafür bezahlt, dass ich mein Auto 49 Minu­ten auf einem Park­platz von Park­de­pot abge­stellt habe und mich über das zukunfts­wei­sen­de Free-Flow-System beleh­ren las­sen durf­te. Jetzt weiß ich, dass Park­de­pot ein Unter­neh­men aus Mün­chen und Ber­lin ist, »das sich auf die Digi­ta­li­sie­rung von Park­flä­chen spe­zia­li­siert hat«. Der ersten Zah­lungs­auf­for­de­rung war näm­lich ein Infor­ma­ti­ons­blatt bei­gege­ben, aus dem zu erfah­ren war: »Wir set­zen uns stark dafür ein, dass Sie die Mög­lich­keit haben, Ihren Park­vor­gang pro­blem­los zu bezah­len.« Wie zau­ber­haft das Par­ken mit Kenn­zei­chen­scan sei, geht auch aus sol­chen Sät­zen her­vor, die Park­De­pot an sei­ne Kun­den rich­tet: »Sie par­ken Ihr Fahr­zeug und genie­ßen Ihren Auf­ent­halt. Nach­dem Sie Ihren Auf­ent­halt genos­sen haben, bezah­len Sie Ihren Park­vor­gang. Dies kön­nen Sie ent­we­der auf unse­rer Web­sei­te oder am Kas­sen­au­to­ma­ten (sofern ver­füg­bar) tun.« Mit »Herz­li­chen Glück­wunsch« gra­tu­liert Park­De­pot sei­nen Kun­den, wenn sie es geschafft haben, die Park­ge­bühr zu bezah­len: »Sie haben unser System erfolg­reich genutzt. Wir freu­en uns auf Ihren näch­sten Besuch.« Die Kun­den füh­len sich bei sol­chen Aus­füh­run­gen von Park­De­pot nicht nur aus­ge­nom­men, son­dern auch auf den Arm genommen.

Um alle Park­De­pot-Park­plät­ze wer­de ich künf­tig einen wei­ten Bogen machen. Zum Schluss habe ich mir auch die Fra­gen gestellt: Wie­so beträgt die Ver­trags­stra­fe eigent­lich 45 Euro? Kann Park­De­pot den Betrag will­kür­lich fest­le­gen, dem­nächst viel­leicht auf 100 Euro erhö­hen? Was ist mit den Per­so­nen, die gar kein Smart­phone haben, also der Auf­for­de­rung gar nicht nach­kom­men kön­nen, mit der Kame­ra ihres Smart­phones »den QR-Code oder Bar­code zu scan­nen und Ihren Park­vor­gang im Brow­ser frei­zu­schal­ten«? Denen ist halt der Zugang in die Wun­der­welt von Park­De­pot ver­wehrt, sie ent­ge­hen aber nicht der Ver­fol­gung durch deren Abzock-System.