Im Spätmittelalter breitete sich in zunehmendem Maße das Raubrittertum aus. Adlige bereicherten sich durch Überfälle auf Kaufleute und Reisende. Das Recht, Wege-, Brücken- und Schiffszölle zu erheben, stand dem König zu, der es als Lehen an verschiedene Landesherren vergab. Insofern war das Zollsystem anfangs einigermaßen legal. Die zunehmenden Überfälle durch Ritter waren es dann freilich nicht mehr. Wozu die Praktiken der erpresserischen Behandlung von Reisenden führen konnte, hat Heinrich von Kleist in seiner Novelle »Michael Kohlhaas« anschaulich erzählt.
Dass in der Gegenwart von verschiedenen Staaten Maut- und Straßennutzungs-Gebühren erhoben werden, ist ja durchaus nachvollziehbar, denn die Unterhaltung der Straßen kostet schließlich viel Geld. Da die Personenkraftwagen die Städte zunehmend verstopfen, ist es auch verständlich, dass für ihr Abstellen Parkgebühren erhoben werden. Diese sollten freilich angemessen sein und vor allem für die Parkflächen und Parkhäuser bei Kliniken und Kulturzentren moderat.
Inzwischen haben aber windige Abzocker ein lukratives Geschäft entdeckt! Sie stellen Fallen und zocken übel ab. Sie lassen sich von Einkaufszentren Kulturveranstaltern und Firmen das Recht übertragen, Parkgebühren zu erheben und preisen sich an: »Anhand modernster Kennzeichenerkennung bieten wir unkomplizierte und günstige Alternativen zu Schrankensystemen und vermeiden Falschparker.« Wie sie dann den Autofahrern ein »kundenfreundliches Parkerlebnis« bescheren, konnte ich am eigenen Leib erfahren, als ich der Einladung eines Reise-Veranstalters folgte, der in Mannheim sein Jahresprogramm vorstellte. Die Veranstaltung fand in einem Kulturzentrum statt, das zusammen mit einigen Geschäften und Einkaufszentren an einem Parkplatz liegt. Der Veranstalter verwies in seiner Einladung darauf, dass Parkplätze vorhanden seien, gab aber nicht an, dass diese kostenpflichtig sind. Als ich auf den Platz gefahren war, konnte ich auf Schildern lesen, dass ein Kennzeichenscan erfolgt sei. Die Bezahlung würde über das Free-Flow-System abgewickelt. Als ich fünfzig Minuten später den Parkplatz verließ, wollte ich die Gebühr bezahlen, fand aber kein Kassenhäuschen. Da die Schranke offen war, ging ich irrigerweise davon aus, dass das Parken kostenfrei gewesen sei. Aber weit gefehlt! Bereits wenige Tage später erhielt ich von Parkdepot aus München einen Brief, mit dem man mir mitteilte, dass das Parken gebührenpflichtig war und ich einen Benutzerverstoß begangen hätte. Für die Parkdauer von 49 Minuten wurde eine Gebühr in Höhe von zwei Euro verlangt, außerdem eine Vertragsstrafe in Höhe von 45 Euro. Ich könne die 47 Euro »bequem per GiroCode« bezahlen. Für die Bezahlung wurde eine Frist von 14 Tagen gesetzt.
Ich schrieb sofort eine Mail an die angegebene Adresse und bat um Kulanzprüfung, wenn möglich Stornierung bzw. wenigstens Reduzierung des Betrags. Ich beschrieb eingehend die Schwierigkeiten, die ich mit dem vorgegebenen Free-Flow-System hatte, zumal ich kein Home-Banking betreibe und mein mobiles Telefon noch nie für das Scannen und Abwickeln von Zahlungsvorgängen eingesetzt habe. Um die vorgegebene Frist nicht zu überschreiten, überwies ich umgehend die geforderte Parkgebühr (zwei Euro) sowie zusätzlich freiwillig fünf Euro für das Erinnerungsschreiben, das mir zugestellt worden war.
Eine individuelle Antwort habe ich nicht erhalten, sondern lediglich per Mail das Formblatt: »Aufgrund eines aktuellen hohen Aufkommens an Anfragen verzeichnen wir derzeit längere Bearbeitungszeiten als gewohnt. Bitte seien Sie versichert, dass wir alle Anliegen sorgfältig und möglichst zeitnah bearbeiten.« Wie sorgfältig mein Anliegen bearbeitet wurde, erfuhr ich direkt nach Ablauf der gestellten Zahlungsfrist: Zu der Vertragsstrafe und der Parkgebühr war nun noch die »erste Mahnung (Verzugsschaden)« hinzugekommen, also forderte man einen Betrag in Höhe von 45 Euro. Zähneknirschend überwies ich 40 Euro und verwies darauf, dass ich die Parkgebühr und außerdem freiwillig fünf Euro bereits überwiesen hatte, um die Zahlungsfrist einzuhalten. Es nützte aber nichts: Ich bekam eine zweite Mahnung, bei der zu den ersten Mahnkosten in Höhe von 5 Euro noch weitere Mahnkosten in Höhe von drei Euro hinzukamen.
Insgesamt habe ich also 55 Euro dafür bezahlt, dass ich mein Auto 49 Minuten auf einem Parkplatz von Parkdepot abgestellt habe und mich über das zukunftsweisende Free-Flow-System belehren lassen durfte. Jetzt weiß ich, dass Parkdepot ein Unternehmen aus München und Berlin ist, »das sich auf die Digitalisierung von Parkflächen spezialisiert hat«. Der ersten Zahlungsaufforderung war nämlich ein Informationsblatt beigegeben, aus dem zu erfahren war: »Wir setzen uns stark dafür ein, dass Sie die Möglichkeit haben, Ihren Parkvorgang problemlos zu bezahlen.« Wie zauberhaft das Parken mit Kennzeichenscan sei, geht auch aus solchen Sätzen hervor, die ParkDepot an seine Kunden richtet: »Sie parken Ihr Fahrzeug und genießen Ihren Aufenthalt. Nachdem Sie Ihren Aufenthalt genossen haben, bezahlen Sie Ihren Parkvorgang. Dies können Sie entweder auf unserer Webseite oder am Kassenautomaten (sofern verfügbar) tun.« Mit »Herzlichen Glückwunsch« gratuliert ParkDepot seinen Kunden, wenn sie es geschafft haben, die Parkgebühr zu bezahlen: »Sie haben unser System erfolgreich genutzt. Wir freuen uns auf Ihren nächsten Besuch.« Die Kunden fühlen sich bei solchen Ausführungen von ParkDepot nicht nur ausgenommen, sondern auch auf den Arm genommen.
Um alle ParkDepot-Parkplätze werde ich künftig einen weiten Bogen machen. Zum Schluss habe ich mir auch die Fragen gestellt: Wieso beträgt die Vertragsstrafe eigentlich 45 Euro? Kann ParkDepot den Betrag willkürlich festlegen, demnächst vielleicht auf 100 Euro erhöhen? Was ist mit den Personen, die gar kein Smartphone haben, also der Aufforderung gar nicht nachkommen können, mit der Kamera ihres Smartphones »den QR-Code oder Barcode zu scannen und Ihren Parkvorgang im Browser freizuschalten«? Denen ist halt der Zugang in die Wunderwelt von ParkDepot verwehrt, sie entgehen aber nicht der Verfolgung durch deren Abzock-System.