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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Salzburger Festspiele

Das Pro­gramm­heft erfreut uns gleich mit einer Wer­bung – und noch einer und noch einer. Ja, offen­sicht­lich rei­chen die hohen Ein­tritts­prei­se und die vie­len Leu­te, die das Thea­ter fasst, nicht aus.

In Salz­burg haben wir schon letz­tes Jahr eine erfreu­li­che Lesung zu Kraus erlebt. Aber sein Rie­sen­dra­ma »Die letz­ten Tage …« lässt sich nur aus­zugs­wei­se auf­füh­ren. Dem, der es gele­sen hat, lässt jede Auf­füh­rung zu viel weg. Die­se mischt das Stück in einer Wei­se auf und um, dass nun etwas her­aus­kommt, das dem Publi­kum erstaun­lich gut schmeckt. Das ist über­ra­schend, wenn man bedenkt, wer sich die Ein­tritts­prei­se lei­sten will und kann und in wel­cher Vor­kriegs­zeit wir schon wie­der leben.

Aktu­el­ler kann die Ver­gan­gen­heit und damit KK nicht sein! Es beginnt auch durch­aus erfreu­lich, aber es endet immer uner­freu­li­cher. Wobei man uns kei­ne Wag­ner-Län­ge zumu­tet. Die Scha­lek, das Urbild des Schmocks, des kor­rup­ten und staats­hö­ri­gen Jour­na­li­sten (ich habe das Geschlecht gewech­selt!), steht im Mit­tel­punkt, die Dia­lek­tik des Nörg­lers und des Pes­si­mi­sten bleibt unter­be­lich­tet, wenn­gleich der Nörg­ler im Schwei­zer Dia­lekt, wie­der eine Frau, ordent­lich Was­ser in den Wein schüt­ten darf, der die Leu­te besof­fen macht.

Man ver­steht man­ches nicht, man­ches ist mir zu zeit­ge­mäß, die Musik sorgt für »Dampf«, als bräuch­ten die Wor­te ihre Unter­stüt­zung, was sie bei Kraus in die­sem Fal­le nicht brau­chen. Sie sor­gen für eine Stim­mung, statt für »böse« Gedanken.

Die Scha­lek hat damit ange­fan­gen (ich über­trei­be!), die Tat­sa­chen durch pas­sen­de Stim­mun­gen zu erset­zen, und wo die Fak­ten stö­ren, wer­den sie taug­lich für die Kriegs­pro­pa­gan­da gemacht.

Wir spa­ren uns alle Ver­glei­che zu heu­te, wie sich das Thea­ter die­se auch nicht traut, obwohl sie auf der Hand lie­gen oder vor Augen, aber wir haben den Ver­dacht, dass heu­te wie damals die wenig­sten sehen wollen …

Steht bei Kraus im Mit­tel­punkt, dass die Men­schen ihre Fan­ta­sie ein­ge­büßt haben, die aber nötig wäre, um den Schrecken ihrer (Kriegs-)Produkte über­haupt ermes­sen zu kön­nen. Ein Gedan­ke, der sich aus­ge­führt bei Gün­ther Anders fin­det: die Anti­quiert­heit des Menschen.

Die Fan­ta­sie wird ersetzt, ver­drängt, stran­gu­liert durch die Pres­se und die durch sie gelie­fer­ten fal­schen Gefüh­le, wes­halb die Scha­lek fragt: Was emp­fin­den Sie in die­ser Situa­ti­on? Was sie nicht fragt: Wie konn­te es dazu kom­men, und wie kom­men wir wie­der da heraus?

So endet das Stück nach eini­gen durch­aus tref­fen­den Sze­nen, deren Ver­ständ­nis aber erschwert wird, da z. B. am Schau­spiel­per­so­nal gespart wird, und wir nicht immer wuss­ten, wer nun was spielt.

Von kei­nem Thea­ter erwar­ten wir, dass es bes­se­re Men­schen ent­lässt, aber doch, dass der Ver­stand gefor­dert wird und das Gefühl die­sem nicht im Wege steht, son­dern besten­falls vor­an, aber not­falls auch hin­ter­drein geht.

Kraus ist bes­ser, hat mehr ver­dient, aber wir haben kei­nen Ein­fluss dar­auf. Das Stück war trotz­dem bes­ser und aktu­el­ler als vie­les, was wir in letz­ter Zeit gese­hen haben. Des­halb steht zu hof­fen, dass es muti­ge Regis­seu­re gibt, die sich Kraus oder auch ande­ren anneh­men und dem Zeit­geist gehö­rig in die Sup­pe spucken. Frei­lich, wer bezahlt die­ses Thea­ter, wer sub­ven­tio­niert sol­che Ver­su­che? Wir suchen und hof­fen auf wei­te­re Anläu­fe. Und auf ein Publi­kum, das sich nicht unter Wert abspei­sen lässt.

PS: Die Wer­bung im Pro­gramm­heft wäre eine eige­ne Sati­re wert. Viel­leicht näch­ste Ausgabe?