Hat Ihnen schon mal jemand offen ins Gesicht gesagt, Sie seien ein komischer Kauz, eine komische Nudel, ein komischer Mensch? Und Sie sind – sei es negativ oder positiv – überrascht von solcher Zuschreibung, weil Sie diese Eigenschaft an sich selbst bisher noch nicht bemerkt haben? Das wäre wirklich komisch. Das meint auch der Schriftsteller Ewart Reder und hat die Frage zum Titel seines neuesten Buches gemacht: »komisch, dass wir nicht merken, dass wir komisch sind«. Es ist ein Sammelband mit Texten des Autors, die zwischen 2011 und 2024 erschienen sind.
Klar, er selbst hat schon längst bemerkt, dass und wie komisch er ist. Ossietzky-Leserinnen und -Leser sicherlich ebenfalls. Seit 1998 erscheinen literarische Texte des in Berlin geborenen, in Frankfurt am Main lebenden Autors in Zeitungen, Magazinen und Zeitschriften oder in Online-Medien, auch im Rundfunk. Und seit einigen Jahren in Ossietzky.
Seine Beiträge handeln von menschlichen Marotten, von Alltagsbeobachtungen zu absenkbaren Klodeckeln, Weinkorken oder Herrenabenden, von sprechenden Handschuhen, Geschirrspülern, von Politikern, die sich »verquatschen«. Sich selbst nimmt er bei der Darstellung liebenswerter Schwächen nicht aus: »Meine Frau meint, ich würde sie zutexten. Und nicht nur sie. Auch andere hätten das schon gesagt«, beginnt eine Glosse. (Übrigens: Meine Frau sagt das manchmal auch zu mir.)
Den ersten Ossietzky-Reder finde ich dank des neuen Redaktionsarchivs in Heft 8/2021. Es handelt sich um den Teilabdruck von Impressionen aus Reders Reisetagebuch über seinen Aufenthalt auf Mallorca, wo er zum Corona-Hoch eine Auszeit nahm. Dieser Text ist zwar nicht in dem Sammelband enthalten, vermutlich wegen seiner Länge, dafür aber finden sich auf den ersten 80 Seiten und im hinteren Teil des Buches Glossen, von denen viele auch in Ossietzky veröffentlicht wurden.
Kurzweilige Satiren, humorvolle Possen, Kurzgeschichten und humoristische Erzählungen, die mitunter prämiert wurden, komplettieren den Band. Gelobt wird in der Verlagsankündigung, dass »nicht die Routine so mancher Comedy-Spezialisten hier herrscht, nicht Häme gegen Schwächere, die in Social Media und in Medien zunehmend als Humor verkauft wird, sondern gute Laune mit den Mitteln echter Schreibkunst«. Manchmal streift die Fantasie wild durch die Geschichten. So handelt eine Eulenspiegelei von einem Jugendlichen, der nie aus seinem Zimmer herauskommt, weil er in Wahrheit seine Eltern mit einer Zweitfamilie betrügt. Eine andere Geschichte dreht sich um Jim Morrison, den Frontmann der US-amerikanischen Rockband The Doors. Sie behauptet, dieser sei nicht 1971 in Paris gestorben, sondern im Alter von 78 Jahren 2021 in Rom. Der »Tod« in der französischen Hauptstadt sei ein »biografischer Tauchgang« gewesen, weil er den Trubel satthatte.
Ein 2011 veröffentlichtes und immer noch vergnügliches Frage-Antwort-Spiel mit erfundenen Interviews – »Ein prominenter Mensch antwortet auf Fragen des Autors« – beschließt das Buch. Hier hätte ich mir erläuternde Anmerkungen gewünscht, denn an mancher damaligen Prominenz und an manchem literarisch verhohnepiepeltem Vorgang hat nach fast 15 Jahren arg der Zahn der Zeit genagt, so dass man sich schon mal fragt: Wie war das damals, und wer war das nochmal?
Dem Buch ist ein Motto von Shakespeare vorangestellt, aus Hamlet, dritter Akt, zweite Szene: »Call me what instrument you will, though you fret me, you can not play upon me.«. Bei Erich Fried finde ich folgende Übersetzung: »Nennt mich, was für ein Instrument Ihr wollt, Ihr könnt mich zwar verstimmen, aber Ihr könnt mit mir nicht spielen.« In der Szene hatte Jugendfreund Güldenstern zuvor Hamlet getadelt, weil dieser nicht über den Grund seiner Betrübnis sprechen will. Hamlet antwortete mit einer Analogie, in der er auf die Blockflöte verweist, die zu spielen Güldenstern abgelehnt hat, weil ihm die Fertigkeit dazu fehle. Wenn aber Güldenstern schon unfähig ist, einer Flöte Töne zu entlocken, wie will er dann aus Hamlet etwas herausholen?
Ich interpretiere den Sinn des Mottos so: Ewart Reder will damit aufzeigen, dass der Fürst von Dänemark selbst in einer ernsten Situation seinen Humor behält – was der Autor wohl auch für sich in Anspruch nimmt.
Das Resümee zu dem Buch borge ich mir vom Klappentext, der unter den dort abgedruckten Testimonials auch ein Zitat aus der Ossietzky-Redaktion enthält: »Dieser Autor ist es wert, dringend empfohlen zu werden.« Und das ist ganz und gar nicht komisch gemeint.
Ewart Reder: komisch, dass wir nicht merken, dass wir komisch sind. Possen und Glossen, mit fünfzehn Zeichnungen und Aquarellen des Autors, Pop Verlag, Ludwigsburg 2025, 288 S., 23 €.