Auf Initiative des BAYER-Konzerns haben 49 Firmen zum 80. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Faschismus eine Erklärung veröffentlicht, in der sie sich zu ihrer »Mitschuld an der Nazi-Herrschaft« bekennen. »Deutsche Unternehmen« hätten dazu beigetragen, die Herrschaft der Nationalsozialisten zu »festigen«. Die Machtübertragung – in der Erklärung wird von Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 gesprochen – »wäre ohne das Versagen der damaligen Entscheidungsträger in Politik, Militär, Justiz und Wirtschaft nicht denkbar gewesen«, unterschreiben die geschäftsführenden CEOs, nicht die Eigentümer. »Auf ihren eigenen Vorteil bedacht, waren viele Unternehmen und ihre damaligen Akteure verstrickt«, konstatieren die Firmenchefs. Sie ziehen daraus die Lehre, »die Zerbrechlichkeit der Demokratie immer wieder zu erkennen« und Errungenschaften wie Rechtsstaatlichkeit und Freiheit zu schützen. Die Worte Krieg und Rüstung kommen in der Erklärung nicht vor.
Rheinmetall hat auch unterschrieben, auch Thyssenkrupp, BASF, Evonik, Henkel und Siemens sowie Deutsche Bank und Deutsche Bahn. Die Konzerne haben sich demnach an der Demokratie vergangen, nicht am Frieden.
Die Süddeutsche Zeitung fasste das in der Erklärung nicht genau geschilderte Geschehen so zusammen: »Viele deutsche Unternehmen haben sich mitschuldig gemacht am Massenmord. Indem sie den Nazis jene Mittel überhaupt erst zur Verfügung gestellt hatten, die diese für ihre Gräuel brauchten. Zum Beispiel das KZ-Giftgas Zyklon B. Andere (…) profitierten, indem sie selbst Hunderttausende Zwangsarbeiter in ihre Fabriken holten.« Wie erwähnt, wurde die Erklärung, mit Ausnahme des Oetker-Konzerns, nur von leitenden Angestellten unterschrieben. Die Namen von Milliardären, die ihr Vermögen von den Kriegsverbrecherfirmen erbten, fehlen.
Die »Coordination gegen BAYER-Gefahren« kritisierte an der Stellungnahme der Konzerne, dass z. B. BAYER die Aufarbeitung nur halbherzig betreibe und keine Lehren für die Gegenwart ziehe. Zudem spiele der Konzern die aktive Rolle herunter, welche die von ihm mitgegründete I.G. FARBEN in der Diktatur gespielt hat. Das Naziregime habe die I.G. »als einen der ›kriegs- und lebenswichtigen‹ Betriebe der deutschen Wirtschaft« eingestuft, stehe sogar in der offiziellen BAYER-Unternehmensgeschichte. Auch weise die Darstellung viele Lücken auf: Kein Wort zu den Wahlkampf-Spenden an die NSDAP, kein Wort zur Einbindung von I.G.-Managern in das NS-System, kein Wort zu Zyklon B und kein Wort zu den medizinischen Experimenten mit KZ-Häftlingen.
Erinnert wird daran: Der Global Player BAYER unterstützte Trump im Wahlkampf massiv durch Spenden und sein Vorstandsvorsitzender nahm sogar als einziger Chef eines DAX-Unternehmens persönlich an der Amtseinführung des US-Präsidenten teil.
Die Erklärung der Konzerne ist auch für die Erinnerungsarbeit von Belang. Im Februar 2025 hat die Dortmunder Verwaltung beschlossen, die Beweise gegen größte Massenmörder aus dem Verkehr zu ziehen. Die Erinnerungspolitik wird verändert, indem die Gedenkstätte Steinwache gereinigt wird von dem Material, das die Verbrechen führender Industrieller nachweist. So im siebten Themenraum »Die Schwerindustrie setzte auf Hitler«, der ab 1. Juni für immer geschlossen wurde. Begründung: Neue Beweise würden die Vögler, Flick, Springorum, Krupp, Kirdorf, Reusch und Co. entlasten. Die Mitgliedermassen der NSDAP und nicht die Industrie hätten die Partei finanziert. Es wurde zuletzt noch ein neuer Kurzkatalog herausgegeben, in dem es zum Raum 7 heißt: Der Zentrumspolitiker Franz von Papen, nicht unter Einfluss der Industriellen, sei derjenige gewesen, der am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Hindenburg mit der Regierungsbildung beauftragt wurde. Papens Regierungsbildung habe dann zur Kanzlerschaft Hitlers geführt.
Neue Beweise gibt es für die Verbrechen der Ruhrgebietsindustriellen – so im Buch des führenden Wirtschaftshistorikers Adam Tooze mit dem bezeichnenden Titel »Ökonomie der Zerstörung«. Und ganz neu nunmehr: Die Erklärung von 49 führenden Konzernvertretern zum Jahrestag des 8. Mai. Darin heißt es: »Heute übernehmen wir als deutsche Unternehmen Verantwortung, die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit sichtbar zu machen.«
Das Konzerndokument bringt die staatliche Erinnerungspolitik in Dortmund, in NRW und vielen Städten im Bund in Erklärungsnot. Dort wurden kapitalismuskritische, antifaschistische Aussagen getilgt. Das ging so weit, dass in der Wewelsburg bei Paderborn, der einstigen Kultstätte der SS, kein Wort zum Freundeskreis Reichsführer SS/Keppler-Kreis gesagt wird – die Mitglieder aus der Wirtschaft machten ja 1945 weiter.
Offenbar geschah die Änderung der Gedenkstätten auf Weisung der Regierung, vermutlich auf Empfehlung des Verfassungsschutzes. Die Formulierung im Schwur von Buchenwald, dass die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln notwendig sei, wird amtlich als verfassungswidrig bezeichnet, da der Kapitalismus als Bestandteil des Grundgesetzes anzusehen ist. Jedoch: Der Kapitalismus wird nicht im Grundgesetz erwähnt.
Nach der neuen Konzernerklärung müssten nun in den Gedenkstätten z. B. in Köln, Oberhausen, Düsseldorf, Essen und Dortmund die den Kapitalismus beschönigenden Darstellungen bzw. Unterlassungen rückgängig gemacht werden. In Oberhausen sollte zum Beispiel die Losung »Faschismus kommt nicht über Nacht, er wird vom Kapital gemacht« wieder aufgehängt werden.