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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Tagebuch: Keine Asylgefahr im Friedensdorf

  1. Juli 2025: Im ZDF sehe ich im »Län­der­spie­gel« einen Bei­trag über das »Frie­dens­dorf Inter­na­tio­nal« mit Sitz in Oberhausen/​Dinslaken. Die Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on hilft seit 1967 kran­ken oder schwer ver­letz­ten Kin­dern aus Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­ten durch medi­zi­ni­sche Behand­lun­gen. Für die Ein­zel­fall­hil­fe wer­den die Kin­der nach Deutsch­land geholt und in einem der zahl­rei­chen koope­rie­ren­den euro­päi­schen Kran­ken­häu­ser kosten­los behan­delt. Es folgt eine Reha im Frie­dens­dorf Ober­hau­sen, bevor die Kin­der in ihre Hei­mat zurück­keh­ren. Etwa ein­tau­send Kin­der pro Jahr wer­den von der Ein­rich­tung betreut, das heißt auf­ge­nom­men und wie­der in ihre Hei­mat gebracht. Die Haupt­ein­satz­län­der sind heu­te Ango­la und Afghanistan.

Der Bei­trag geht zu Her­zen. Wel­ches Lei­den haben die­se Kin­der schon hin­ter sich. Sie sind zum Teil schwer ver­letzt oder gar ver­stüm­melt. Vie­le von ihnen sind zum wie­der­hol­ten Mal in Deutsch­land, um zum Bei­spiel eine Gesichts­re­kon­struk­ti­on, die Ope­ra­tio­nen zer­fetz­ter Bei­ne oder die Behand­lung einer Kno­chen­ent­zün­dung Schritt für Schritt durch­zu­füh­ren und eine Nach­be­treu­ung mög­lich zu machen. Die Bil­der im Fern­se­hen zei­gen die Kin­der wäh­rend ihrer Reha im Frie­dens­dorf. Ein klei­nes Mäd­chen hat nur noch ein Auge und einen hal­ben Mund, ein ande­res Kind kann nach meh­re­ren Ope­ra­tio­nen an den Bei­nen end­lich wie­der auf Krücken gehen, das näch­ste Kind, noch sehr jung, kämpft mit dem Roll­stuhl. Trotz aller kör­per­li­cher und see­li­scher Wun­den spie­len sie fröh­lich, wer­fen sich ihren Betreu­ern in die Arme, freu­en sich über die gemein­sa­men Aus­flü­ge. Hier blü­hen sie auf, hier kön­nen sie end­lich Kind sein. Hier kön­nen sie lachen.

Man­che Kin­der erzäh­len, wie sehr sie sich aber auch auf die Rück­kehr in die Hei­mat, zu ihren Eltern freu­en. Ande­re sagen, dass sie das Frie­den­dorf und die Mit­ar­bei­ter sehr ver­mis­sen wer­den. Die Rück­kehr in die Hei­mat heißt auch die Rück­kehr in gro­ße Armut, in gewalt­tä­ti­ge Kon­flik­te, zur erneu­ten Bedro­hung durch Landminen.

Der ZDF-Bei­trag ist ein guter Film über ein groß­ar­ti­ges Pro­jekt. Doch ein Satz hat mir einen regel­rech­ten Schlag ver­setzt: Ein Satz, der offen­sicht­lich zur Beru­hi­gung der Zuschau­er gedacht war: Selbst die klein­sten Kin­der, muss­te ich erfah­ren, dür­fen nicht von ihren Eltern beglei­tet wer­den – damit sie nicht auf die Idee kom­men, Asyl zu beantragen.

 

Ausgabe 15.16/2025