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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Was auf dem Spiel steht

Die Nato-Staa­ten haben sich kürz­lich in Den Haag ver­pflich­tet, von ihrem Brut­to­in­land­pro­dukts (BIP) 5 Pro­zent bis 2035 für Ver­tei­di­gungs­aus­ga­ben ein­zu­set­zen, was eine enor­me Erhö­hung der mili­tä­ri­schen Aus­ga­ben gegen­über 2024 bedeu­tet. Nach den im Inter­net abruf­ba­ren Anga­ben wand­ten die Nato-Staa­ten 2024 in der Sum­me für mili­tä­ri­sche Aus­ga­ben min­de­stens 1456,8 Mil­li­ar­den USD auf (bei den Bal­ti­kums-Län­dern, Bel­gi­en, Irland und Rumä­ni­en wur­de auf­grund feh­len­der expli­zi­ter Anga­ben auf Aus­ga­ben 2023 zurück­ge­grif­fen). Legt man die vom IWF bestä­tig­ten Anga­ben für das BIP der Nato-Mit­glieds­län­der zugrun­de, erge­ben sich aus der Sum­me von 52.741,33 Mil­li­ar­den USD im Jahr 2023 Aus­ga­ben von 2,74 Pro­zent für das Jahr 2024. Mit 5 Pro­zent wür­den sich die mili­tä­ri­schen Aus­ga­ben bis zum Jahr 2035 schritt­wei­se auf 2637,1 Mil­li­ar­den USD erhö­hen. Dabei ist bemer­kens­wert, dass schon im Vor­feld der Nato-Rats­ta­gung in Den Haag vom 21. bis 24. Juni Eini­gung erzielt wer­den konn­te, der USA-For­de­rung zu ent­spre­chen, wonach sich zukünf­tig jedes Nato-Mit­glied mit min­de­stens 5 Pro­zent sei­nes Brut­to­in­land­pro­dukts an den angeb­lich zu Ver­tei­di­gungs­zwecken benö­tig­ten Auf­wen­dun­gen zu betei­li­gen habe, und so kam der Beschluss ein­mü­tig zustan­de. Begrün­det wur­de die signi­fi­kan­te Erhö­hung der Mili­tär­aus­ga­ben in den öffent­li­chen Medi­en mit angeb­lich wach­sen­den Sicher­heits­be­dro­hun­gen ins­be­son­de­re durch Russ­land und einen glo­ba­len Macht­kampf mit auto­ri­tä­ren Regimen.

Russ­land wand­te 2024 nach im Inter­net abruf­ba­ren Anga­ben mit 149 Mil­li­ar­den USD zwar ca. 6 Pro­zent sei­nes 2023 erwirt­schaf­te­ten BIPs in Höhe von ca. 2010 Mil­li­ar­den USD auf. Damit war das Poten­ti­al mili­tä­ri­scher Lei­stungs­fä­hig­keit der Nato gegen­über dem rus­si­schen aber fast 10-fach über­le­gen, und es ist daher kaum glaub­haft, dass die Eli­te der poli­ti­schen Füh­rung des Westens ernst­haft davon aus­geht, Russ­land wür­de den Angriff auf ein ein­zel­nes in die Nato ein­ge­bun­de­nes Land in Betracht zie­hen, käme doch der Bünd­nis­fall sofort zum Tra­gen. Russ­land benö­tigt für sei­ne Ent­wick­lung nichts mehr als Frie­den und eine gewis­se Sicher­heit. Die mili­tä­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung seit 2022 ist das Ergeb­nis einer Ver­wei­ge­rung sei­ner ele­men­ta­ren Sicher­heits­in­ter­es­sen durch den Westen (Nato-Ost­erwei­te­rung) und der Krieg mit den Waf­fen der Nato auf dem Rücken der Ukrai­ne von Anfang an Bestand­teil eines Macht­kamp­fes zur ter­ri­to­ria­len Erwei­te­rung west­li­cher Ein­fluss­sphä­ren. Die Bedro­hung des Westens durch Russ­land erweist sich dem­zu­fol­ge als eine Lüge, die von den wah­ren Ursa­chen ablen­ken und die nicht unbe­trächt­li­chen finan­zi­el­len Inve­sti­tio­nen west­li­cher Län­der in die­sen Krieg recht­fer­ti­gen soll.

War­um dann aber die von der USA-Admi­ni­stra­ti­on initi­ier­te bedeu­ten­de Auf­stockung der Nato-Mili­tär­aus­ga­ben in den näch­sten 10 Jah­ren? Es ist nicht abwe­gig anzu­neh­men, dass der wah­re Grund in der Vor­be­rei­tung auf eine Aus­ein­an­der­set­zung zur Wah­rung des glo­ba­len Füh­rungs­an­spruchs der USA und damit des Westens gegen Regime zu suchen ist, die sich bis­her sei­nem unmit­tel­ba­ren Zugriff ent­zie­hen, daher auch als tota­li­tär oder auto­ri­tär ver­teu­felt wer­den. Auf eine sol­che Aus­ein­an­der­set­zung gel­te es, ggf. zukünf­tig vor­be­rei­tet zu sein, und das bis dahin welt­weit ange­häuf­te Waf­fen­po­ten­ti­al ein­schließ­lich pro­pa­gan­di­sti­scher Ein­stim­mung von Men­schen auf Kriegs­tüch­tig­keit wür­de einen angeb­lich zweck­dien­li­chen Sinn, aller­dings den von Ver­nich­tung, erge­ben. Eine sol­che, unse­re mensch­li­che Exi­stenz bedro­hen­de, Per­spek­ti­ve wäre das Ergeb­nis, und was dabei als beson­ders bedroh­lich anzu­se­hen ist, besteht auch dar­in, dass sich unser gesell­schaft­li­ches Leben auf eine sol­che Kata­stro­phe schein­bar unwi­der­spro­chen zube­wegt. Jeg­li­che kri­ti­sche Äuße­rung zu die­ser Ent­wick­lung ist in den öffent­li­chen Medi­en bis­her zu vermissen.

Auf­fal­lend ist, mit wel­cher Ent­schie­den­heit Beschlüs­se zustan­de kom­men, wenn es um Fort­set­zung der in der Geschich­te seit jeher prak­ti­zier­ten Macht­spie­le um Vor­herr­schaft unter Miss­ach­tung der Inter­es­sen ande­rer geht, die immer wie­der zu Krie­gen mit einem enor­men Ver­schleiß an Res­sour­cen und gro­ßen Ver­lu­sten geführt haben. Dabei gäl­te es doch einer viel grö­ße­ren Bedro­hung, die unse­re zukünf­ti­ge Exi­stenz über jedes Feind­bild hin­weg grund­sätz­lich in Fra­ge stellt, ober­ste Prio­ri­tät ein­zu­räu­men, indem mit ver­gleich­ba­rer Ver­bind­lich­keit wirk­sa­me Maß­nah­men gegen die auf uns zukom­men­de Kli­ma­ka­ta­stro­phe beschlos­sen und umge­setzt wer­den. Die auf der Welt­kli­ma­kon­fe­renz im Novem­ber 2024 in Baku gefass­ten Beschlüs­se beschränk­ten sich auf finan­zi­el­le Unter­stüt­zung der bereits zum gegen­wär­ti­gen Zeit­punkt beson­ders betrof­fe­nen Län­der des Südens. Beschlüs­se zur wei­te­ren Sen­kung der kli­ma­schäd­li­chen Treib­haus­ga­se kamen nicht zustan­de und wur­den ver­tagt. Deren Ursa­che für die dra­ma­ti­sche Tem­pe­ra­tur-erhö­hung der erd­na­hen Atmo­sphä­re gilt aber als erwie­sen. Sie resul­tiert aus der Erhö­hung der Wär­me­ka­pa­zi­tät der Erd­at­mo­sphä­re infol­ge einer erhöh­ten CO2-Kon­zen­tra­ti­on (von 280 ppm vor­in­du­stri­ell auf über 419 ppm 2023), und dar­an ist auch eine infol­ge Tem­pe­ra­tur­er­hö­hung ver­mehr­te CH4-Emana­ti­on aus Per­ma­frost-Böden (ca. 16 Pro­zent Anteil an Erwär­mung) und der erhöh­te H2O-Dampf­ge­halt der Luft betei­ligt. Die anthro­po­ge­ne Erhö­hung des CO2-Gehalts, eine Fol­ge der Ver­ar­bei­tung fos­si­ler Brenn­stof­fe, erweist sich als der ent­schei­den­de Bei­trag und Aus­lö­ser der Erd­er­wär­mung. Maß­nah­men zur Reduk­ti­on wur­den zwar durch Umstel­lung auf erneu­er­ba­re Ener­gien zur Wär­me­er­zeu­gung anstel­le von Koh­le-, Öl- oder Gas­hei­zung sowie im mobi­len Ver­kehr durch Umstel­lung auf Elek­tro­an­trieb ein­ge­lei­tet, erwei­sen sich aber gegen­über den Erfor­der­nis­sen als völ­lig unzu­rei­chend. Sie kom­men aus Grün­den der Auf­recht­erhal­tung des aktu­el­len sozia­len Gefü­ges in den bestehen­den Gesell­schaf­ten nur lang­sam vor­an, wobei Beschäf­ti­gung und Kauf­kraft, vor allem aber auch Pro­fit­in­ter­es­sen in Betracht zu zie­hen sind.

Eine Finanz­re­cher­che im Online-Maga­zin Riff-Repor­ter vom Juli 2024 weist nach, dass trotz poli­ti­scher Zie­le und wis­sen­schaft­li­cher War­nun­gen wei­ter­hin rie­si­ge Inve­sti­tio­nen in die fos­si­le Bran­che flie­ßen, allen vor­an von den USA mit 1100 Mil­li­ar­den USD, aber auch von Kana­da mit 254, Japan mit 168 und Groß­bri­tan­ni­en mit 152 Mil­li­ar­den USD. Auch die Deut­sche Bank gehört mit ihrer Toch­ter DWS zu den 30 größ­ten fos­si­len Inve­sto­ren welt­weit. Die Gel­der für Kli­ma­schutz­maß­nah­men wir­ken dage­gen wie Trop­fen auf dem hei­ßen Stein. Die auf­grund des Kli­ma­wan­dels zuneh­men­den Extrem­wet­ter­la­gen stel­len die größ­ten öko­no­mi­schen Risi­ken der kom­men­den Jah­re dar, und sie wer­den durch eben die Insti­tu­tio­nen befeu­ert, die wegen eines schnel­len Pro­fits sorg­los Koh­le-, Öl- und Gas­in­du­strien wei­ter­hin finan­zie­ren und sich daher im Grun­de genom­men ver­ant­wor­tungs­los ver­hal­ten. Berech­nun­gen nach ver­schie­de­nen Model­len zur Ent­wick­lung des Kli­mas füh­ren über­ein­stim­mend zu dem Schluss, dass die Erhö­hung der Tem­pe­ra­tur der Erd­at­mo­sphä­re auf unter 2 Grad begrenzt blei­ben muss, da bei Über­schrei­ten eine Umkehr kaum noch mög­lich erscheint. Ein sol­ches Ziel lie­ße sich aber bis 2100 nur errei­chen, wenn eine signi­fi­kan­te Ernied­ri­gung des Aus­sto­ßes von Treib­haus­ga­sen umge­hend ein­ge­lei­tet wird.

Nicht Ver­zö­ge­rung einer Umstel­lung auf erneu­er­ba­re Ener­gien, indem fos­si­le Brenn­stof­fe ver­ar­bei­ten­de Indu­strien geför­dert wer­den, weil damit kurz­fri­stig noch Pro­fit zu machen ist, und nicht welt­wei­te Auf­rü­stung und Vor­be­rei­tung auf einen gro­ßen Krieg mit Auf­bau von Feind­bil­dern lau­ten die Gebo­te der Stun­de. Die Bedro­hung aller durch die gegen­wär­tig gera­de noch abwend­ba­re Kli­ma­ka­ta­stro­phe ver­langt die Zurück­stel­lung bis­he­ri­ger auf gegen­sei­ti­gen Vor­teil ori­en­tier­ter poli­ti­scher und wirt­schaft­li­cher Ambi­tio­nen. Um die Bewohn­bar­keit des Pla­ne­ten zu erhal­ten, wür­de in erster Linie erfor­der­lich sein, die hohen CO2-Emis­sio­nen, zu denen Chi­na, USA, Russ­land, Sau­di-Ara­bi­en und Süd­afri­ka beson­ders bei­tra­gen, zu redu­zie­ren, indem eine Umstel­lung von deren fos­si­le Brenn­stof­fe ver­ar­bei­ten­den Indu­strien auf erneu­er­ba­re Ener­gien ein­ge­lei­tet wird. Bei den dazu erfor­der­li­chen finan­zi­el­len Mit­teln könn­te man auf die bis­her zur mili­tä­ri­schen Auf­rü­stung vor­ge­se­he­nen hohen Beträ­ge zurückgreifen.

Man soll­te erwar­ten, dass Men­schen als ver­nunft­be­gab­te Wesen fähig sind, sich ange­sichts der glo­ba­len Bedro­hung zu einem sol­chen Schritt der gegen­sei­ti­gen Ver­stän­di­gung zu ent­schlie­ßen, und mit der bei der Auf­rü­stung gezeig­ten Ent­schluss­kraft könn­te die Nato bei­spiel­ge­bend vor­an­ge­hen und die USA damit die Füh­rungs­rol­le womög­lich sogar welt­weit übernehmen.

Dies ist der letz­te Text, eine Art Ver­mächt­nis, unse­res Autors Adal­bert Feltz, der am 17. August, 92-jäh­rig, ver­stor­ben ist. Wir trau­ern mit sei­nen Ange­hö­ri­gen und Freunden.