Die Auswüchse von KI beeinflussen mittlerweile auch die Diskussionen über Lehrpläne an Schulen und Hochschulen. So wird diskutiert, die Facharbeit an Schulen, wie aktuell in Niedersachsen, und die Abschlussarbeiten an Hochschulen abzuschaffen, aus Sorge davor, sie könnten zu großen Teilen mithilfe von KI geschrieben worden sein. Mithilfe von KI, zum Beispiel in Form von ChatGPT, Google Gemini oder Perplexity AI, lassen sich nämlich innerhalb kürzester Zeit umfangreiche Textmengen erstellen. Aus diesem Grund hat die Fakultät für Betriebswirtschaft der Wirtschaftsuniversität in Prag die Bachelorarbeiten abgeschafft.
Durch die Möglichkeiten des Internets, die schier unendliche Masse an dort auffindbaren Quellen, ist der Gang in die Bücherei ohnehin selten geworden. Mithilfe von KI lassen sich heute ganze Teile von Hausarbeiten zu spezifischen Themen verfassen, die einer Bewertung in vielen Fällen standhalten sollen. Wenn die Fach- oder Abschlussarbeit nicht mehr selbst verfasst wird, sondern niederschwellig mithilfe von KI generiert werden kann, verliert sie zweifelsohne ihren ursprünglichen Wert. Die kritische Auseinandersetzung mit einem Thema, die Entwicklung einer Forschungsfrage, die eigenständig nach wissenschaftlichen Kriterien diskutiert und beantwortet wird, waren über Jahrzehnt feste Bestandteile der schulischen sowie akademischen Ausbildung.
Nun scheinen genau solche Leistungsnachweise aufgrund von KI bald nicht mehr möglich. Die Gefahr ist dann groß, dass wesentliche Kompetenzen, die für das wissenschaftliche Arbeiten erforderlich sind, langfristig verloren gehen. Gerade das kritische Einordnen von Informationen, das Hinterfragen von geglaubten Realitäten und das Finden evidenzbasierter Wahrheiten wurden bei der Erstellung einer Fach- oder Abschlussarbeit gelernt. Das sind Fertigkeiten, die auch für eine politische Partizipation und damit für das demokratische Zusammenleben von zentraler Bedeutung sind.
Analog erhöht KI selbst das Risiko von Manipulation in Form von Fake News, die über Algorithmen den Konsumenten zukommen und zu Bewusstseinsverzerrungen führen. Ist das Bild real oder doch nur eine KI-Produktion? Entspricht diese Information der Wahrheit oder ist sie ein Fake? Sind die genannten Zahlen fingiert oder korrekt? Handelt es sich bei der Studie um eine den wissenschaftlichen Maßstäben entsprechende Arbeit oder sind ihre Ergebnisse kritisch einzuordnen?
Plötzlich kann alles Fake sein und wir verlieren die Kompetenz zwischen dem Richtigen und Falschen, Wahren und Unwahren, Wissenschaftlichen und Unwissenschaftlichen sowie Realen und Nicht-realen zu differenzieren. Wenn alles Fake sein kann, kommt es zu einer Verschiebung subjektiver und objektiver Realitäten, die Demokratien weltweit unter Druck setzen.
Das selbstständige Erstellen einer schriftlichen Arbeit ist viel mehr, als bloß ein paar Textseiten sachlogisch aneinanderzureihen. Daher sollte es auch weiterhin einen festen Platz in den Curricula der Schulen und Hochschulen finden. Die konkrete Umsetzung der Erstellung muss sich dabei aber an den neuen Rahmenbedingungen orientieren. Denkbar wäre es, zu spezifischen Themen eine Arbeit vor Ort in der Schule oder Hochschule zu verfassen und dort einen umfangreichen Pool ausgewählter Fachliteratur vorzuhalten, der dann genutzt werden kann, oder besser gesagt, genutzt werden muss – denn die KI-Nutzung sollte in diesen Erarbeitungsräumen vor der Tür bleiben.
Alternativ könnten die Bedeutung und mögliche Gefahren von sowie der Umgang mit KI vorbereitend zur Hausarbeitserstellung behandelt werden. Das fertige Ergebnis der Fach- oder Abschlussarbeit müsste bei der Benotung weniger Gewichtung erfahren. Vielmehr sollte dann im Rahmen der Hausarbeitserstellung der Schreibprozess enger und diskursiver begleitet und zum bearbeiteten Thema mündliche Prüfungen durchgeführt oder Referate gehalten werden. Sie ermöglichen eine tiefgehende Auseinandersetzung und Überprüfung, inwieweit das Thema eigenständig generiert wurde.