Filmemacher haben mit Unterstützung der VVN-BdA Nordrhein-Westfalen eine Reportage über die Aufgaben, Erfolge und Erschwernisse der antifaschistischen und Friedens-Arbeit in den Jahrzehnten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges gedreht – und haben dafür das Leben der beiden Antifaschisten und Friedenskämpfer Traute und Ulli Sander als roten Faden gewählt. Tiefe Einblicke in die Widersprüchlichkeit der Politik in Nachkriegsdeutschland helfen denjenigen, die den Film sehen, ihr Verständnis für die Gegenwart zu vertiefen.
Das Engagement gegen alte und neue Nazis sowie gegen den Militarismus und für die Bewahrung der Erinnerung an die Gräueltaten der NS-Herrschaft war früh schon auch ein Widerstand gegen neue Formen der Behinderung und Repression gegen demokratisches Handeln. Die Restauration autoritärer Machtstrukturen begann sofort nach Kriegsende.
Traute und Ulli Sander wurden ungefähr fünf Jahre vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren, sie haben dadurch in den ersten Jahren ihrer Persönlichkeitsentwicklung die Repression, den Krieg und die Diktatur der Nazis erlebt, aber auch eine Kontinuität, die in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit von interessierten Kreisen verdrängt wurde.
Sie haben nicht nur den Bombenkrieg in der Schlussphase des Krieges erlitten, sondern mussten auch unmittelbar nach der Befreiung vom Faschismus mit ansehen, wie NS-Verbrechern in den staatlichen Strukturen nach 1945 ihren Einfluss behielten. Ulli Sander besuchte beispielsweise 1947 eine Schule am Bullenhuser Damm in Hamburg-Rothenburgsort; dort hatten die Nazis, als die britische Armee heranrückte, noch kurz vor Kriegsende 20 jüdische Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren, an denen zuvor teils auch medizinische Versuche exerziert worden waren, ermordet, um diesen Missbrauch von Menschen als Versuchsobjekte zu vertuschen. Ulli Sandes Lehrer wussten davon, hatten aber die Auflage, nicht darüber zu sprechen. Ein Staatsanwalt kam damals zu dem Schluss, dass den Kindern‚ außer dass ihnen das Leben genommen wurde, nicht viel Grausames zugestoßen sei. Damit verband der Staatsanwalt auch die Absicht, NS-Täter zu entlasten. Was Ulli Sander am Bullenhuser Damm erlebte, motivierte ihn schon als Grundschüler zu antifaschistischem Engagement. Er bekam früh mit, dass die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in mehreren Bundesländern verboten war.
Der Vater von Traute Sanders, der als Nazi-Gegner in Haft gewesen war, erhielt nach Kriegsende keine Entschädigung, da er, wie es hieß, »kein rassisch Verfolgter« war, sondern seine Widerstandstätigkeit »selbst gewählt« habe. Das Unrecht nicht zu entschädigen, kommt seiner indirekten Bestätigung als Recht gleich.
Traute und Ulli Sander lernten sich in der Gruppe namens Geschwister-Scholl-Jugend kennen. Sie erfuhren dort auch vom Widerstand weiterer Nazi-Gegner, darunter der jüngste je von der NS-Justiz als Widerstandskämpfer ermordete Helmut Hübner, der nur 17 Jahre alt wurde und wegen Hörens ausländischer Sender und Verbreitung von deren Informationen das Todesurteil erhielt. Die von Ulli Sander aufgedeckten Details über ihn wurden zur Vorlage für den Roman »Örtlich betäubt« von Günter Grass.
Der Film bringt weitere Einblicke in die Entwicklungen in Nachkriegsdeutschland, die für das Verständnis der gegenwärtigen Rechtsentwicklung und Militarisierung unverzichtbar sind. Dazu zählt das Ereignis, dass Beate Klarsfeld den Bundeskanzler Kiesinger vor den Kameras der Medien an der Westberliner Kongresshalle während eines Parteitages ohrfeigte, weil das einst hochrangige NSDAP-Mitglied nun Regierungs-Chef war. Sie verband diese Tat mit der Kritik, dass weitere ehemalige Nazis in Westdeutschland in hohe Ämter aufgenommen wurden, etwa der Mitverfasser der Nürnberger Rassegesetze Globke, der Kanzleramts-Chef geworden war. In ähnlicher Weise klärten auch die Sanders immer wieder über die meist bruchlose Tradition im Wirtschaftsleben auf, wo die Namen Krupp, Flick, Thyssen, und weitere Industrielle trotz ihrer NS-Verwicklung weiterhin Geschäfte machen und dafür lange Jahre auch Gewinne aus der NS-Kriegswirtschaft einsetzen konnten.
Ullrich und Traute Sander haben immer wieder kritisiert, dass viele Menschen der NS-Ideologie blind gefolgt sind, sich täuschen ließen und nach dem Krieg schnell die Verbrechen verdrängten und vertuschten. Sie kritisieren, dass die Propaganda bis heute von Frieden redet, während der Waffenhandel floriert.
Ulli Sander war bereits bei den ersten Ostermärschen in Deutschland aktiv. 1960 begann diese bis heute andauernde pazifistische Bewegung gegen die Atomrüstung, sie zogen unter anderem zu Nato-Einrichtungen und zum ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen. Sie knüpften damit an das Motto des Widerstands zum Ende des Zweiten Weltkriegs an »Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!«. Auch die an die NS-Zeit anknüpfende Traditionspflege in der Bundeswehr deckten sie auf. Sie ließen sich auch nicht von der antikommunistischen Propaganda beirren und pflegten Kontakte im Sinn der durch Willy Brandt verstärkten Ostpolitik, für die er den Friedensnobelpreis erhielt.
Die beiden Zeitzeugen machen an ihrem eigenen Beispiel und an den Fakten, die sie aufdecken, deutlich: Es gab nicht nur Opfer, es gab und gibt auch Widerstand. Ihre Botschaft: Es lohnt sich, und es ist unsere Verantwortung, die Erinnerung wach zu halten. Wir haben, sagen sie, die Verantwortung, uns für ein menschliches Leben einzusetzen, jeden Tag aufs Neue.
Der Film läuft hin und wieder in Programmkinos und Volkshochschulen, er ist auch über den VVN-BdA-Landesverband NRW gegen eine Gebühr von 20 Euro erhältlich: nrw@vvn-bda.de.