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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Kurze Erholung

Ver­bringt man ein paar Tage bei Fami­lie Wald­vo­gel im Engel Hoch­berg (Titi­see-Neu­stadt), ist das wie eine Rei­se in eine vor­ge­stell­te Ver­gan­gen­heit, vor­ge­stellt, nicht ver­stellt, des­we­gen, weil die Ver­gan­gen­heit nicht immer so war, wie wir sie erin­nern (möch­ten). Man könn­te sich an Zei­ten erin­nern, wo man an einem Ort noch 2 bis 3 Wochen Feri­en ver­brach­te, »Natur« genoss, und der SPA in einem nahe­ge­le­ge­nen See statt­fand, Schwit­zen gab es umsonst. Im Win­ter fiel zum Aus­gleich jede Men­ge Schnee.

Nun ster­ben die klei­nen Bau­ern­hö­fe, die auch Land­schafts­pfle­ge betrie­ben, wie die Dorf­wirt­schaf­ten mit ihren gro­ßen Por­tio­nen, die uns aber auf eine Art sät­tig­ten, wie wir sie in den Gour­met-Läden schmerz­lich ver­mis­sen. Es fehlt an Per­so­nal, wie sich auch der Regen und das Grund­was­ser rar­ma­chen. Umso kost­ba­rer die ech­ten Fami­li­en­be­trie­be, um deren Bestand wir fürch­ten. Viel läuft schief in die­sem Land, und hät­te man die Zeit und gäbe es noch freund­li­che Bezie­hun­gen zu den Besit­zern, die die­se Gast­stät­ten und Hotels betrei­ben, man könn­te viel erfahren.

Z.B. im Bareiss, oder etwas tie­fer gehängt, im Dol­len­berg sieht man, wohin eine Rei­se geht, und kann ver­glei­chen, was man nicht ver­glei­chen soll(te). Man merkt in die­sen Hotels schnell, was gemeint ist, wenn man von der Uni­for­mie­rung der Welt spricht, die fin­det nicht nur bei McDo­nalds statt, son­dern auch in der höhe­ren Ster­ne-Sphä­re. (Vom fehl­ge­lei­te­ten Mas­sen­tou­ris­mus ganz zu schweigen.)

Wir haben im Engel immer die klei­ne Por­ti­on genom­men, erfreu­li­cher­wei­se gab es die bei allen Gerich­ten, was nun kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit ist. Sie war aus­rei­chend und aus­ge­zeich­net. Sieht man die Fami­lie bei ihrer kei­nes­wegs leich­ten Arbeit, ent­steht ein Gefühl, das viel­leicht mit Hei­mat bezeich­net wur­de, eine, die ver­dient und nicht ver­erbt wer­den will. (Also immer schon ein schö­nes Bild am Ran­de der rech­ten Ideo­lo­gie von Lei­stung und Lohn. Über den »Lohn« gibt das Mär­chen vom Hans-im-Glück, das es schon mit dem Unter­schied von Gebrauchs­wert und Tausch­wert auf­nimmt, Auskunft).

Die Wein­aus­wahl war beschei­den, aber gut, ohne je auch nur ein­mal Kopf­schmer­zen gehabt zu haben, es gab sogar mal eine Liter­fla­sche. Ein­fach und gut sind kei­ne Widersprüche. –

Inter­es­sant ist es, den Gesprä­chen der Ein­hei­mi­schen zu lau­schen, z. B. wenn es um den Bor­ken­kä­fer und des­sen vor­her­seh­ba­ren Fol­gen geht. Deut­lich auch auf dem Land, wer ver­dient, was lei­der auch dar­an liegt, dass die Men­schen auch hier sich Tal­mi für Gold vor­ma­chen las­sen. Sich auf höhe­rem Niveau abfüt­tern zu las­sen, bis die Gal­le hoch­kommt, von Per­so­nal, dem man ansieht, dass sie kei­ne (eige­ne) Mei­nung haben (dür­fen) oder, wenn doch, die des Besitzers

Die Gegend lädt zum Wan­dern ein und nur dazu, und da es mit den Hin­weis­schil­dern so sein Bewen­den hat, müs­sen ana­lo­ge und digi­ta­le Medi­en zusam­men­ar­bei­ten, not­falls geht es quer durch den wei­chen Wald, weil man irgend­ei­ne Abzwei­gung ver­säumt hat. Abends dann ein span­nen­des Buch, der Fern­se­her bleibt aus, hören wir dem Wind zu, was er uns zu erzäh­len hat, inter­es­san­ter als FAZ und Tages­schau.

Es herrscht dort im Schwarz­wald jene Ruhe, ohne die kein Atem­ho­len mög­lich ist, ohne die Erho­lung im Leer­lauf der SPA-Betrieb­sam­keit endet, ohne die kein Gedan­ke ent­ste­hen kann.

Statt aus dem Kli­ma­wan­del ein grü­nes Geschäft zu machen, das viel­leicht noch rascher in den Unter­gang führt und die Land­schaft unnö­tig ver­schan­delt, soll­te man den Muse­ums­be­griff aus­deh­nen, Land­schaf­ten erhal­ten, Lebens­wei­sen ermög­li­chen und sie ent­spre­chend finan­zi­ell för­dern und unter­stüt­zen. Viel wäre mög­lich, wenn man nur woll­te. Statt­des­sen sieht es so aus, also woll­te das ver­dumm­te Groß- und Klein­bür­ger­tum die poli­ti­sche und öko­no­mi­sche Kri­se dadurch lösen, indem es einen letz­ten fina­len Krieg anzet­telt. Statt des lang­sa­men Ster­bens von Natur, Land­schaft und Lebens­wei­sen: ein gro­ßer Knall. Kon­ser­va­tiv ist hier nie­mand mehr, Demo­kra­tie eine lästi­ge For­ma­li­tät, Qua­li­tät wird mit Quan­ti­tät ver­wech­selt. Die sozia­len Bezie­hun­gen der Men­schen über­nimmt das Smartphone.

Wir suchen die Orte, die in der Abend­däm­me­rung der spät­ka­pi­ta­li­sti­schen Gesell­schaft noch ein­mal kurz auf­leuch­ten, eine Ver­gan­gen­heit vor­spie­geln, der kei­ne bes­se­re Zukunft beschie­den war.