Verbringt man ein paar Tage bei Familie Waldvogel im Engel Hochberg (Titisee-Neustadt), ist das wie eine Reise in eine vorgestellte Vergangenheit, vorgestellt, nicht verstellt, deswegen, weil die Vergangenheit nicht immer so war, wie wir sie erinnern (möchten). Man könnte sich an Zeiten erinnern, wo man an einem Ort noch 2 bis 3 Wochen Ferien verbrachte, »Natur« genoss, und der SPA in einem nahegelegenen See stattfand, Schwitzen gab es umsonst. Im Winter fiel zum Ausgleich jede Menge Schnee.
Nun sterben die kleinen Bauernhöfe, die auch Landschaftspflege betrieben, wie die Dorfwirtschaften mit ihren großen Portionen, die uns aber auf eine Art sättigten, wie wir sie in den Gourmet-Läden schmerzlich vermissen. Es fehlt an Personal, wie sich auch der Regen und das Grundwasser rarmachen. Umso kostbarer die echten Familienbetriebe, um deren Bestand wir fürchten. Viel läuft schief in diesem Land, und hätte man die Zeit und gäbe es noch freundliche Beziehungen zu den Besitzern, die diese Gaststätten und Hotels betreiben, man könnte viel erfahren.
Z.B. im Bareiss, oder etwas tiefer gehängt, im Dollenberg sieht man, wohin eine Reise geht, und kann vergleichen, was man nicht vergleichen soll(te). Man merkt in diesen Hotels schnell, was gemeint ist, wenn man von der Uniformierung der Welt spricht, die findet nicht nur bei McDonalds statt, sondern auch in der höheren Sterne-Sphäre. (Vom fehlgeleiteten Massentourismus ganz zu schweigen.)
Wir haben im Engel immer die kleine Portion genommen, erfreulicherweise gab es die bei allen Gerichten, was nun keine Selbstverständlichkeit ist. Sie war ausreichend und ausgezeichnet. Sieht man die Familie bei ihrer keineswegs leichten Arbeit, entsteht ein Gefühl, das vielleicht mit Heimat bezeichnet wurde, eine, die verdient und nicht vererbt werden will. (Also immer schon ein schönes Bild am Rande der rechten Ideologie von Leistung und Lohn. Über den »Lohn« gibt das Märchen vom Hans-im-Glück, das es schon mit dem Unterschied von Gebrauchswert und Tauschwert aufnimmt, Auskunft).
Die Weinauswahl war bescheiden, aber gut, ohne je auch nur einmal Kopfschmerzen gehabt zu haben, es gab sogar mal eine Literflasche. Einfach und gut sind keine Widersprüche. –
Interessant ist es, den Gesprächen der Einheimischen zu lauschen, z. B. wenn es um den Borkenkäfer und dessen vorhersehbaren Folgen geht. Deutlich auch auf dem Land, wer verdient, was leider auch daran liegt, dass die Menschen auch hier sich Talmi für Gold vormachen lassen. Sich auf höherem Niveau abfüttern zu lassen, bis die Galle hochkommt, von Personal, dem man ansieht, dass sie keine (eigene) Meinung haben (dürfen) oder, wenn doch, die des Besitzers
Die Gegend lädt zum Wandern ein und nur dazu, und da es mit den Hinweisschildern so sein Bewenden hat, müssen analoge und digitale Medien zusammenarbeiten, notfalls geht es quer durch den weichen Wald, weil man irgendeine Abzweigung versäumt hat. Abends dann ein spannendes Buch, der Fernseher bleibt aus, hören wir dem Wind zu, was er uns zu erzählen hat, interessanter als FAZ und Tagesschau.
Es herrscht dort im Schwarzwald jene Ruhe, ohne die kein Atemholen möglich ist, ohne die Erholung im Leerlauf der SPA-Betriebsamkeit endet, ohne die kein Gedanke entstehen kann.
Statt aus dem Klimawandel ein grünes Geschäft zu machen, das vielleicht noch rascher in den Untergang führt und die Landschaft unnötig verschandelt, sollte man den Museumsbegriff ausdehnen, Landschaften erhalten, Lebensweisen ermöglichen und sie entsprechend finanziell fördern und unterstützen. Viel wäre möglich, wenn man nur wollte. Stattdessen sieht es so aus, also wollte das verdummte Groß- und Kleinbürgertum die politische und ökonomische Krise dadurch lösen, indem es einen letzten finalen Krieg anzettelt. Statt des langsamen Sterbens von Natur, Landschaft und Lebensweisen: ein großer Knall. Konservativ ist hier niemand mehr, Demokratie eine lästige Formalität, Qualität wird mit Quantität verwechselt. Die sozialen Beziehungen der Menschen übernimmt das Smartphone.
Wir suchen die Orte, die in der Abenddämmerung der spätkapitalistischen Gesellschaft noch einmal kurz aufleuchten, eine Vergangenheit vorspiegeln, der keine bessere Zukunft beschieden war.