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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ja, pflanzt Apfelbäumchen!

Hoimar von Dit­furth hat­te 1985 ein Buch mit die­ser Emp­feh­lung ver­öf­fent­licht, und es lan­de­te auf den Best­sel­ler­li­sten. Das Bild vom Apfel­baum, der gepflanzt wer­den könn­te, ange­sichts der Unter­gangs­er­war­tung, soll von Luther stam­men. Die Fra­ge, ob das stimmt, ist hier irrele­vant. Denn ent­schei­dend ist, wie wir mit den höchst nega­ti­ven Pro­gno­sen unse­rer wei­te­ren Ent­wick­lung umge­hen kön­nen. Schließ­lich kön­nen Unter­gangs­er­war­tun­gen auch läh­men, so dass man eher bereit ist, sie wie­der aus dem Bewusst­sein zu ver­ban­nen, denn im All­tag rufen die Pflich­ten des Beru­fes und der Fami­lie, die nach wie vor durch Arbeit ernährt wer­den muss.

Dit­furth nann­te drei Kom­ple­xe, die aus sei­ner Sicht das Über­le­ben der Men­schen bedroh­ten: Atom­krieg, Umwelt­zer­stö­rung und Bevöl­ke­rungs­explo­si­on. Vor dem Zer­fall der Sowjet­uni­on war die Gefahr eines Atom­krie­ges, selbst nur aus Ver­se­hen, sehr real. Wir ken­nen noch den Over­kill der in den Atom­waf­fen­ar­se­na­len ent­hal­te­nen Ver­nich­tungs­po­ten­tia­le. Anläss­lich der Kuba-Kri­se stand die Welt schon ein­mal am Ran­de der größ­ten Ver­nich­tung. 1990 schien es so, als kön­ne eine »Frie­dens­di­vi­den­de« ein­ge­fah­ren wer­den, weil eine Sei­te kol­la­biert war.

Fra­gen der Umwelt­zer­stö­rung sind in Teil­be­rei­chen seit­dem erfolg­reich behan­delt wor­den, mit Luft­fil­tern in gro­ßen Abgas­an­la­gen der Indu­strie, mit Rei­ni­gung der in den Rhein ein­ge­lei­te­ten Abwäs­ser. Das alles wur­de durch Begrif­fe und Fak­ten wie das Wald­ster­ben und jähr­li­che Wald­zu­stands­be­rich­te kon­ter­ka­riert. Wenn dann auch ein­zel­ne Men­schen ange­spro­chen wer­den, es ging damals z.B. um die Ver­mei­dung von Blei­zu­sät­zen im Ben­zin und eine mög­li­che Ver­teue­rung der Mobi­li­tät, wer­den die Pro­zes­se der Imple­men­tie­rung tech­ni­scher Lösun­gen erheb­lich lang­wie­ri­ger. Wir erin­nern uns noch, wie die Grü­nen bei Bun­des­tags­wah­len abge­straft wur­den, weil sie einen höhe­ren und ste­tig wach­sen­den Ben­zin­preis in ihr Pro­gramm schrieben.

Die Bevöl­ke­rungs­explo­si­on ist kei­nes­wegs been­det, son­dern hat sich seit den düste­ren Pro­gno­sen und Ahnun­gen eines Dit­furth wei­ter beschleu­nigt. In eini­gen süd­ost­asia­ti­schen Län­dern wer­den bis 2060 rasant wach­sen­de Zah­len von PKWs vor­aus­ge­sagt, so wie schon Chi­na eine hohe PKW-Dich­te zu Wege gebracht hat. Städ­te haben sich seit­dem, also seit 1985, in immer wei­ter­wach­sen­de Kon­glo­me­ra­te ver­wan­delt, in denen man nicht mehr von 10 Mio. Men­schen je Stadt, son­dern von 50 Mio. spre­chen muss, bei Wachs­tums­ra­ten von 10 Pro­zent, so dass gemein­schaft­li­che Ver­su­che der betrof­fe­nen Län­der und Staa­ten mit der nöti­gen Infra­struk­tur hin­ter­her zu kom­men, fast zwangs­läu­fig schei­tern müssen.

Hoimar von Dit­furth wur­de wegen des bei ihm hin­ein inter­pre­tier­ten Fata­lis­mus geschol­ten. Den Chi­ne­sen wur­de deren Ein-Kind-Poli­tik als men­schen­rechts­wid­rig vor­ge­wor­fen, obwohl sie um Ernäh­rungs­si­cher­heit bemüht waren.

Es ist hier nicht der Platz, um ein­zel­ne Maß­nah­men­pa­ke­te, die Dit­furth damals benann­te, zu dis­ku­tie­ren. Jeden­falls ist aus der gedach­ten »Frie­dens­di­vi­den­de« von 1990 ein neu­er glo­ba­ler Kampf gewor­den, der höch­ste Zer­stö­rungs­po­ten­tia­le in sich birgt und des­sen Ein­he­gung nicht ein­mal mehr ver­sucht wird.

Als Indi­vi­du­um ohne nen­nens­wer­te gesell­schaft­li­che Macht habe ich es ernst genom­men und Apfel­bäu­me gepflanzt, zunächst, den finan­zi­el­len Spiel­räu­men gehor­chend, in einem Klein­gar­ten, danach in einem ver­grö­ßer­ten Haus­gar­ten und schluss­end­lich in einer klei­nen Streu­obst­wie­se, die sich als Para­dies für unend­lich vie­le Klein­le­be­we­sen, für Maul­wür­fe und Mäu­se, Vögel und Rot­wild erweist. Dem Druck von Nach­barn, die die man­gel­haf­te Ord­nung mei­ner Ben­jes­hecke bemän­gel­ten, muss­te ich mich nicht beu­gen. Der Fra­ge eines Bau­ern, der die Bäu­me sah und mich frag­te, wann ich denn mit Erträ­gen rech­nen wür­de, konn­te ich lachend ent­geg­nen, dass ich die­se Fra­ge nicht mehr ver­stün­de. Inzwi­schen gibt es in der nähe­ren Umge­bung wei­te­re Streu­obst­wie­sen. Das ein­fa­che und vom Indi­vi­du­um beherrsch­ba­re Tun könn­te sicher eine Form der Angst­be­wäl­ti­gung sein.

Die Hoff­nun­gen der Reli­gio­nen in der Ver­gan­gen­heit, auf einen gemein­sa­men guten Wil­len zu set­zen, habe ich ad acta gelegt. Denn die sich aus Glau­ben ent­wickeln­den Orga­ni­sa­tio­nen, die wie­der die Gläu­bi­gen beherr­schen wol­len und müs­sen, also die Kir­chen, waren nicht zuletzt für For­men der tota­li­tä­ren Herr­schaft ein aus­ge­zeich­ne­tes Muster. Tho­mas Hob­bes nahm die Men­schen als Kör­per und mög­li­che Raub­tie­re und ver­ord­ne­te All­ge­walt, um die Wöl­fe in Schach zu hal­ten. Aber selbst zu Hob­bes Zei­ten waren es kaum Indi­vi­du­en, die im Kampf aller gegen alle stan­den, son­dern Grup­pen und Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten mit höch­sten und into­le­ran­ten Wahrheitsansprüchen.

Hoff­nung? Im Sin­ne eines geschichts­phi­lo­so­phi­schen Kon­zep­tes kann ich auf kei­ne mehr ver­wei­sen. Die Hoff­nung eben­so wie die Angst wer­den über inten­si­ve kör­per­li­che Arbeit aus­ge­schwitzt. Als Lohn bleibt die Schön­heit von blü­hen­den Blu­men und die Fül­le lecke­rer Früch­te hier und heu­te. Mein Bei­trag zu Gesun­dung eines klei­nen Land­stri­ches ist gemes­sen an den mit schwer­sten Trak­to­ren bear­bei­te­ten Mais­fel­dern der Umge­bung sehr mar­gi­nal, dort sehen die Böden tot aus, sie sind soweit ver­dich­tet, dass sie kaum einen stär­ke­ren Regen auf­neh­men kön­nen, aber wenig­stens so feucht, dass Stür­me die Kru­me nicht davon­tra­gen und auf einer Auto­bahn Mas­sen­ka­ram­bo­la­gen ver­ur­sa­chen. Oder all­ge­mei­ner und abstrakt: Der Umbau der Land­wirt­schaft hat noch lan­ge nicht begon­nen, so dass sich eine Ernäh­rungs­kri­se abzeich­net, wobei eine »Korn­kam­mer Ukrai­ne« nicht wei­ter­hilft, weil auch dort mit Fun­gi­zi­den, Pesti­zi­den sowie schwer­sten Maschi­nen gear­bei­tet wird.

Vor einer Gene­ra­ti­on gab es eine Viel­zahl von War­nun­gen, die denen von Dit­furth kaum nach­stan­den. Ich nen­ne hier z.B. das Buch von Eugen Dre­wer­mann, Der töd­li­che Fort­schritt. Nen­nens­wert ist fer­ner das Buch von Wal­ter L. Bühl, Kri­sen­theo­rien (Darm­stadt 1988). Zitie­ren möch­te ich aus des­sen Ein­lei­tung einen Satz: »Die Kri­sen­furcht ist eine Erschei­nung des rela­ti­ven Wohl­stan­des, nir­gend­wo wird von so vie­len Kri­sen berich­tet wie in den west­li­chen, hoch­ent­wickel­ten Industriestaaten.«

Furcht ist ein schlech­ter Lehr­mei­ster, und aus dem Zeit­druck, der bei Kri­sen ange­sagt wird, ent­steht unter Umstän­den nur kurz­sich­ti­ges Han­deln, das Pro­ble­me ver­schärft, statt sie zu mildern.