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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Putins Geburtstag

Wäh­rend die ukrai­ni­sche Armee von Sieg zu Sieg eilt (jeden­falls in den deut­schen Medi­en), ist der Krieg in der Ukrai­ne irgend­wie fast ver­schwun­den aus unse­ren Nach­rich­ten. Dort ist ja immer nur Platz für einen Krieg auf ein­mal, wie Fried­rich Küp­pers­busch in einem sei­ner spitz­zün­gi­gen und scharf­sin­ni­gen Kom­men­ta­re sag­te (@küppersbuch.TV). Bil­der von zer­stör­ten Häu­sern und ver­zwei­fel­ten Men­schen lie­fert das Fern­se­hen jetzt aus Palä­sti­na. In einer selbst­mör­de­ri­schen Ver­zweif­lungs­tat hat die Hamas den Hei­li­gen Krieg ins Hei­li­ge Land getra­gen. Der israe­li­sche Geheim­dienst wuss­te von nichts – oder woll­te von nichts wis­sen, denn der Regie­rung Netan­ja­hus war der Zeit­punkt gera­de recht: Kriegs­zei­ten sind kei­ne Zei­ten für Demon­stra­tio­nen gegen ekla­tan­te Rechts­ver­let­zun­gen der eige­nen Regie­rung. Und die­se Demon­stra­tio­nen nah­men in Isra­el immer mehr über­hand – sogar Reser­vi­sten erklär­ten, für die­se Regie­rung mit ihren Rechts­ver­let­zun­gen nicht mehr der Ein­be­ru­fung Fol­ge zu leisten.

Isra­el sei in Gefahr, tönt es jetzt aus den west­li­chen Pro­pa­gan­datrö­ten. Der best­ge­rü­ste­te Staat der Welt, im festen Bund mit den USA, ist in Gefahr durch eine Hand­voll Ter­ro­ri­sten, denen es gelun­gen ist, die zuge­mau­er­te Gren­ze zwi­schen Gaza und Isra­el zu über­win­den und mit Mord und Gei­sel­nah­me die Welt zu erschrecken? Aller­dings erschrickt die Welt jetzt auch vor den Israe­lis: Der israe­li­sche Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ster ver­kün­de­te: »Ich habe eine voll­stän­di­ge Bela­ge­rung des Gaza­strei­fens ange­ord­net. Es gibt kei­nen Strom, kei­ne Lebens­mit­tel, kei­nen Treib­stoff, alles ist geschlos­sen (…). Wir kämp­fen gegen mensch­li­che Tie­re, und wir han­deln ent­spre­chend« (jW, 10.10.23).

Da bemüh­te sich dann sogar Prä­si­dent Biden, mäßi­gend ein­zu­grei­fen. Aber eine Ver­ur­tei­lung des UN-Sicher­heits­rats muss Isra­el wegen sei­ner Kriegs­ver­bre­chen nicht fürch­ten. Dage­gen steht das Veto der USA. Und 80 Mil­lio­nen Bun­des­deut­sche, denn Außen­mi­ni­ste­rin Baer­bock erklär­te uns kur­zer­hand alle zu Israe­lis (jW, 14.10.23).

Bei uns wird in bereits gewohn­ter Wei­se öffent­lich-recht­lich gehetzt gegen UN-Gene­ral­se­kre­tär Guter­res, der den Über­fall der Hamas nicht im luft­lee­ren Raum sah. Ganz schlimm! Da könn­te man ja auch auf den Gedan­ken kom­men, auch der Krieg in der Ukrai­ne könn­te irgend­wel­che Ursa­chen haben. Außer Putins Geburts­tag am 07. Okto­ber. Einen Zusam­men­hang zwi­schen dem und der Akti­on der Hamas leg­te jeden­falls Marie-Agnes Strack-Zim­mer­mann im zdf-Inter­view nahe. Ganz im Stil von Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­kern raun­te sie: »Das sind alles kei­ne Zufäl­le« (jW, 28./29.10.23).

Dass der neue EU-Kom­mis­sar für Kli­ma­po­li­tik, Wop­ke Hoek­stra, vor sei­ner Arbeit als nie­der­län­di­scher Finanz- und Außen­mi­ni­ster für den Ölkon­zern Shell und die Unter­neh­mens­be­ra­tung McK­in­sey tätig war, ist natür­lich auch kein Zufall. Und dass der deut­sche Umwelt­mi­ni­ster Cem Özd­emir sich bei der Abstim­mung zur wei­te­ren Zulas­sung von Gly­pho­sat nur ent­hal­ten hat, ist natür­lich auch kein Zufall. Der tap­fe­re Kämp­fer für Arten­viel­falt und gegen das Bie­nen­ster­ben war das ja auch nur vor Ein­tritt in die Bun­des­re­gie­rung, die als sol­che natür­lich den Kon­zern Bayer/​Monsanto schüt­zen muss, damit der wei­te­re 10 Jah­re die euro­päi­sche Umwelt ver­gif­ten kann. Die Zulas­sung für das Gift wür­de ohne eine Ver­län­ge­rung Mit­te Dezem­ber 2023 aus­lau­fen, und wenn die Bun­des­re­gie­rung sich wei­ter nur ent­hält, wird bei der zwei­ten Abstim­mung im Novem­ber viel­leicht kei­ne Ableh­nung mehr her­aus­kom­men (jW, 14./15.10.23).

Wäh­rend die Böden mit Gly­pho­sat unkraut- und unge­zie­fer­frei gespritzt wer­den, sind fran­zö­si­sche Bür­ger nicht mehr sicher vor Bett­wan­zen, die sich in den letz­ten Jah­ren in ihren Woh­nun­gen, in Schu­len, Kinos und Zügen aus­brei­te­ten. Die Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de der lin­ken Par­tei »La France inso­u­mi­se« (LFI), Mat­hil­de Panot, hat­te bereits 2017 die Regie­rung von Prä­si­dent Emma­nu­el Macron vor der Ver­brei­tung von Bett­wan­zen gewarnt. »Damals gab es nach­weis­lich 200.000 befal­le­ne Orte«, erklär­te die Poli­ti­ke­rin gegen­über jW (jW, 06.10.23). Die Regie­rung igno­rier­te ihre War­nung. Inzwi­schen dürf­ten weit mehr als zwei Mil­lio­nen Haus­hal­te betrof­fen sein, rech­ne­ten Exper­ten nun kürz­lich vor.

Panot betont, dass Bett­wan­zen vor allem für arme Haus­hal­te ein Pro­blem sind. Im Schnitt sei­en 1.249 Euro nötig, um das Unge­zie­fer los­zu­wer­den. Weil vie­le Ver­mie­ter sich wei­ger­ten, die Kosten zu über­neh­men, wür­de oft auf che­mi­sche Mit­tel zurück­ge­grif­fen, die in gro­ßen Super­märk­ten frei erhält­lich sind. »Ein sehr pro­fi­ta­bles und völ­lig dere­gu­lier­tes Geschäft, obwohl die­se gif­ti­gen Pro­duk­te nicht ohne Fol­gen für die Gesund­heit und die Umwelt sind und 90 Pro­zent der Wan­zen eine Resi­stenz gegen die­se Art von Pro­duk­ten ent­wickelt haben«, erklär­te die LFI-Abge­ord­ne­te gegen­über jW. Da Bett­wan­zen vor Gren­zen nicht halt­ma­chen wer­den, egal, wie vie­le Ober­gren­zen noch ver­kün­det wer­den, wird die­se Pla­ge sicher frü­her oder spä­ter auch Deutsch­land heim­su­chen. Wahr­schein­lich zu Putins Geburtstag.

Zum 69. Geburts­tag des dama­li­gen Innen­mi­ni­sters See­ho­fer (CSU) wur­den 2018 69 Geflüch­te­te abge­scho­ben (spie­gel-online, 10.07.2018). Das reicht ja nun nicht mehr, um die »Kon­trol­le« wie­der zu erlan­gen. Denn – völ­lig über­ra­schend – die Zahl der Geflüch­te­ten steigt und steigt und steigt. Was immer wie­der von Orga­ni­sa­tio­nen wie Oxfam oder der UN-Flücht­lings­hil­fe vor­aus­ge­sagt wur­de, trifft wie erwar­tet ein. Und wohin sol­len nun die Bewoh­ner des Gaza-Strei­fens flüch­ten, die von den Israe­lis auf­ge­for­dert wer­den, ihre Hei­mat zu ver­las­sen? Viel­leicht nach Berg-Kara­bach, da ist gera­de was frei gewor­den. Nicht an Putins Geburtstag.