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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Antwort

Charles Michel: Euro­pa­trio­ti­sche Hal­lu­zi­na­tio­nen – Ver­ehr­ter Herr EU-Rats­prä­si­dent, wer immer noch geglaubt hat­te, dass die EU die Über­win­dung von Natio­na­lis­mus ist, wird von Ihnen ein­mal mehr eines Bes­se­ren belehrt. Ganz in der Manier natio­na­li­sti­schen Grö­ßen­wahns erklä­ren Sie: »Kein Impf­stoff ohne Euro­pa.« Mit Euro­pa mei­nen Sie die EU. Und: »Ohne Euro­pa wäre es nicht mög­lich gewe­sen ver­schie­de­ne Typen von Impf­stof­fen inner­halb eines Jah­res zu ent­wickeln und zu pro­du­zie­ren, was sonst min­de­stens vier bis fünf Jah­re dauert.«

Kaum ist die Welt Donald Trump los, kom­men schon wie­der alter­na­ti­ve Wahr­hei­ten von höch­ster Stel­le, die­ses Mal aus Brüs­sel. Dass Chi­na und Russ­land ihre Impf­stof­fe vor der EU fer­tig hat­ten, kommt in Ihrem Welt­bild nur in dem Anwurf vor, Peking und Mos­kau benutz­ten ihre Impf­stof­fe zur Pro­pa­gan­da. Über die Selbst­be­weih­räu­che­rung der EU sagen Sie dage­gen: »Euro­pa wird Impf­stof­fe nicht für Pro­pa­gan­da­zwecke benut­zen. Wir pro­mo­ten unse­re Werte.«

Und damit auch jedem klar ist, wer in die­ser Sto­ry die Guten und wer die Bösen sind, erklä­ren Sie uns, dass es sich bei den bei­den um Län­der um sol­che »mit weni­ger wün­schens­wer­ten Wer­ten als den unse­ren« han­delt. So viel euro­zen­tri­sti­sche Dün­kel­haf­tig­keit war selten.

Was es mit die­sen Wer­ten wirk­lich auf sich hat, kann man u. a. sehr schön dar­an sehen, wie Brüs­sel mit der For­de­rung der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) umgeht, die Patent­rech­te für die Impf­stof­fe vor­über­ge­hend aus­zu­set­zen, um allen Län­dern rasche Imp­fun­gen zu ermög­li­chen. In der für inter­na­tio­na­les Patent­recht zustän­di­gen WTO stößt die For­de­rung auf den geschlos­se­nen Wider­stand von EU, USA, Japans und der Schweiz. Das ent­spre­chen­de Abkom­men (TRIPS) sieht zwar sol­che Aus­nah­me­re­geln vor, die von der WTO nur in Kraft gesetzt wer­den müss­ten. Doch unse­re Wer­te­ge­mein­schaft hat ein­mal mehr demon­striert, dass an der Spit­ze ihrer Wer­te­ska­la noch immer der Mehr­wert und die Wert­pa­pie­re ste­hen – in die­sem Fall der Phar­ma­kon­zer­ne, denen durch die Impf­stof­fe ohne­hin schon mär­chen­haf­te Pro­fi­te win­ken. Und denen kann man natür­lich nicht zumu­ten, mal für ein paar Mona­te auf Patent­ge­büh­ren zu ver­zich­ten.

Michels Mach­werk fin­det sich im Wort­laut unter: https://www.consilium.europa.eu/de/european-council/president/news/2021/03/09/20210309-pec-newsletter-6-vaccines/