Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Der Tag, der die D-Mark bescherte

Es gab nach dem 20. Juni 1948 wie­der alles – auch Bana­nen und Bück­lin­ge! Der Tag, der die D-Mark bescher­te, mach­te schein­bar glück­lich. Aller­dings nur in Drei­vier­tel-Deutsch­land-West. Und dort nicht jeder­mann und jede­frau zwi­schen Nord­see und Alpen.

Die klei­nen Spa­rer ver­lo­ren mit der Wäh­rungs­re­form, sprich: radi­ka­len Abwer­tung der noch gül­ti­gen Reichs­mark (10:1), nahe­zu alles, Akti­en- und Sach­wert­be­sit­zer fast nichts. Geschäfts­ver­mö­gen wur­den nicht ange­ta­stet. Lud­wig Erhard, als Erfin­der des Wirt­schafts­wun­ders gel­tend, hat­te der­ar­ti­ge Plä­ne bereits als Finanz­ex­per­te für ein Gre­mi­um unter SS-Chef Hein­rich Himm­ler für die Zeit nach einem End­sieg der Nazis mit­ge­dacht. Wen­de­fä­hig war von ihm alles nur wie­der aus der Schub­la­de geholt wor­den. Selbst der Name Deut­sche Mark ent­spricht brau­ner Rezeptur.

Bei Licht bese­hen war es ein raben­schwar­zer Unglücks­tag für Nach­kriegs-Deutsch­land und Euro­pa. Zeit­zeu­gen* sahen einen Bruch des Pots­da­mer Abkom­mens der vier Sie­ger­mäch­te, eine offe­ne Brüs­kie­rung der UdSSR und einen fol­gen­schwe­ren Schritt zu einem sepa­ra­ten deut­schen Staats­ge­bil­de west­lich von Elbe und Werra.

Seit 1946 hat­te es unge­zähl­te Que­re­len in punc­to neu­er Wäh­rung zwi­schen den Besat­zungs­mäch­ten gege­ben. Ein Stein des Ansto­ßes war zuletzt die Fra­ge, wo die neu­en Bank­no­ten her­ge­stellt wer­den soll­ten. Die Sowjet­uni­on plä­dier­te für Leip­zig, wäh­rend die USA vor­geb­lich Ber­lin prä­fe­rier­ten, da es unter Kon­trol­le aller vier Besat­zungs­mäch­te stand. Pure Heu­che­lei in Anbe­tracht der janus­köp­fi­gen US-Hal­tung gegen­über dem ehe­ma­li­gen Verbündeten.

Letzt­lich ent­schied die US-Admi­ni­stra­ti­on eigen­mäch­tig und ohne Rück­spra­che mit den Bri­ten oder der Sowje­ti­schen Mili­tär­ver­wal­tung, das Geld von der Ame­ri­can Bank Note Com­pa­ny Ende 1947 bis März 1948 drucken zu las­sen. De fac­to star­te­te die Ope­ra­ti­on Bird Dog im Novem­ber 1947. Im Früh­jahr 1948 wur­den 5,7 Mil­li­ar­den DM in 23.000 nicht gekenn­zeich­ne­ten Stahl­ki­sten nach Bre­mer­ha­ven ver­schifft. Von dort kamen sie für den Tag X nach Frank­furt am Main in den Kel­ler des alten Reichsbankgebäudes.

Die Mes­sen waren also längst gesun­gen. Die Lon­do­ner Außen­mi­ni­ster­kon­fe­renz zur Deutsch­land­fra­ge im November/​Dezember 1947 geriet so zur Staf­fa­ge, um Mos­kau vor­zu­füh­ren, da die USA und Groß­bri­tan­ni­en ihre grund­le­gen­de Ent­schei­dung für ihren sepa­ra­ten Weg und für die Grün­dung eines deut­schen West­staa­tes längst getrof­fen hat­ten.** Im Febru­ar 1948 seg­ne­ten die Außen­mi­ni­ster der drei West­mäch­te und der Bene­lux Staa­ten in Lon­don ein föde­ra­ti­ves Staats­sy­stem für die West­zo­nen end­gül­tig ab. Als finan­zi­el­ler Köder dien­te das nach US-Außen­mi­ni­ster Geor­ge C. Mar­shall benann­te Hilfs- und Wie­der­auf­bau­pro­gramm, das die drei west­li­chen Besat­zungs­zo­nen ein­schloss und Tei­le Euro­pas an das west­li­che System band. Zwi­schen 1948 und 1952 flos­sen etwa 12,4 Mil­li­ar­den US-Dol­lar nach Europa.

Eine Zwi­schen­be­mer­kung: Geschich­te wie­der­holt sich nicht! Heu­te flie­ßen US- und Euro-Mil­li­ar­den in die Ukrai­ne. Der Zweck ist der­sel­be wie vor 75 Jah­ren. Nur die kom­mu­ni­sti­sche Gefahr mutier­te zu russischen …

Die dama­li­gen Mos­kau­er Reak­tio­nen erschei­nen unter sol­chen Prä­mis­sen als pro­vo­ziert. Der Kreml setz­te wie spä­ter auch Sta­lins Nach­fol­ger offen­sicht­lich auf die Ver­trags­treue des Westens. Zum beson­de­ren Exem­pel wur­de das 4-Mäch­te-Ber­lin, das von der Wäh­rungs­um­stel­lung zunächst aus­ge­nom­men war. Der Kon­flikt spitz­te sich enorm zu, weil die sowje­ti­sche Sei­te, durch den Gang der Din­ge gezwun­gen, in ihrer Zone im Nach­trab eine Wäh­rungs­re­form zunächst mit Kupons durch­führ­te und ganz Ber­lin ein­schloss. Hier­auf ord­ne­ten am 24. Juni die West­al­li­ier­ten die Ein­füh­rung der D-Mark in ihren West­ber­li­ner Sek­to­ren an. Es war der Pro­log für die sowje­ti­sche (West)-Berlin-Blockade.

Mit sei­ner Brand­re­de am 5. März 1946 in Ful­ton (USA) hat­te der bri­ti­sche Ex-Pre­mier Win­s­ton Chur­chill als ein­ge­schwo­re­ner Anti-Bol­sche­wist ver­bal eine pro­pa­gan­di­sti­sche Offen­si­ve gestar­tet, indem er das Gespenst einer sowje­ti­schen Gefahr beschwor und den geschwun­de­nen west­li­chen Ein­fluss auf dem euro­päi­schen Kon­ti­nent betrau­er­te. Dem Empire war ver­meint­li­che Kriegs­beu­te abhan­den­ge­kom­men, weil – im O-Text Chur­chills – von Stet­tin an der Ost­see bis hin­un­ter nach Tri­est an der Adria ist ein »Eiser­ner Vor­hang« über den Kon­ti­nent gezo­gen wor­den.

Ein Jahr spä­ter ver­kün­de­te US-Prä­si­dent Har­ry S. Tru­man – aus­ge­rech­net wäh­rend der Mos­kau­er Außen­mi­ni­ster­kon­fe­renz zur Deutsch­land­fra­ge – sei­ne Dok­trin, eine Expan­si­on der Sowjet­uni­on auf­zu­hal­ten und Regie­run­gen im Wider­stand gegen den Kom­mu­nis­mus zu unter­stüt­zen. Es war die Geburts­stun­de der poli­ti­schen und mili­tä­ri­schen US-Glo­bal­stra­te­gie. Mar­shall­plan und die­se Dok­trin waren »zwei Hälf­ten der­sel­ben Wal­nuss« wie Tru­man zugab. Aus die­sem Grun­de hat­ten sich die UdSSR und ihre Part­ner dem Mar­shall-Plan verweigert.

Western Ger­ma­ny bot in die­ser Stra­te­gie den USA als Besat­zungs­macht die besten Chan­cen schlecht­hin, sich wirt­schaft­lich und mili­tä­risch in Deutsch­land und West­eu­ro­pa domi­nant auf Dau­er fest­zu­set­zen – von Tru­man, über Eisen­hower, Rea­gan bis Biden. War­um wohl exi­stie­ren bis dato in Bay­ern, Baden-Würt­tem­berg und Rhein­land-Pfalz welt­weit ope­rie­ren­de US-Kom­man­do­zen­tra­len und Gar­ni­so­nen? Ram­stein lässt grüßen!

Bis 1961 blüh­te in Ber­lin der Schwarz­han­del mit West- gegen Ost­mark und umge­kehrt am Bahn­hof Zoo, am Pots­da­mer Platz und anders­wo zum Kurs 1:5 oder gar 1:10. Für Westberliner/​innen und soge­nann­te Grenz­gän­ger aus dem Osten, die in Ber­lin-W ihre Bröt­chen in D-Mark ver­dien­ten, wur­de jeder Ein­kauf in Ost-Ber­lin und im DDR-Umland zum Gewinn – auf Kosten »Pan­koffs« wie Kanz­ler Ade­nau­er den zwei­ten deut­schen Staat titulierte.

Im unglei­chen Geschäft zwi­schen West und Ost grif­fen im Inter­zo­nen- bzw. inner­deut­schen Han­del zwar ande­re Regu­la­ri­en, aber auch sie gereich­ten kei­nes­wegs zum Vor­teil. Wun­der­sam preis­gün­stig konn­ten west­seits u. a. näm­lich die Ver­sand­häu­ser Quel­le, Necker­mann, Otto und Co. die Käu­fer­wün­sche erfül­len – nach moder­nen Möbeln wie gutem Por­zel­lan, Damen­strümp­fen oder Frot­tier­wa­ren, Kühl­schrän­ken und Wasch­ma­schi­nen. Eti­ket­ten­schwin­del war ange­sagt nicht allein für Lüb­zer Bier unter ande­rem Namen in Ham­burg, bei Aldi oder Pen­ny. Schicke Damen- oder Her­ren­mo­de aus volks­ei­ge­nen Ber­li­ner Betrie­ben ging mit ein­ge­näh­tem Mar­ken­zei­chen C & A auf die Westreise.

Am 1. Juli 1990 erober­te die D-Mark end­lich ganz legal und offi­zi­ell die End­pha­sen-DDR. Wie­der ein Zwangs­um­tausch.*** Die bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Ost­län­der kran­ken bis heu­te an den Fol­gen – Rui­nen schaf­fen ohne Waf­fen. Die alten Bun­des­län­der wur­den sozi­al­staat­lich Zweit­ver­lie­rer der ver­pfusch­ten Wie­der­ver­ei­ni­gung wider alle Ver­nunft. Quel­le und ande­re riss es mit in die Pleite.

Inzwi­schen ver­schwand vor gut 20 Jah­ren für alle die Deut­sche Mark. Der Euro kam und mit ihm wie­der eine Wäh­rungs­re­form auf Filzlatschen.

Rech­nen Sie ein­fach die heu­ti­gen Euro­prei­se in DM um. Ein klei­nes Kasten­brot kostet die­ser Tage z. B. 4,50 Euro, ein Stück Kuchen viel­leicht 2,30. 1 Euro ent­spricht 1,95583 DM. Danach wür­de das Brot stol­ze 8,80 DM kosten. In Mark der DDR wol­len wir das gar nicht erst umrechnen.

Tücken ohne Ende – seit 1948.

* Albert Nor­den: Der neue »West­fä­li­sche Frie­den«, Die Weltbühne, 18. Jahr­gang, Nr. 24 vom 15. Juni 1948.
** James Hawes: Die kür­ze­ste Geschich­te Deutsch­lands, Ull­stein Taschen­buch, 1. Auf­la­ge 2019.
*** https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/271685/werden-und-vergehen-der-ddr-mark/.