Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Die Linke ist nicht »Die Linke«

Wer der­zeit die Per­spek­ti­ven der Lin­ken in Deutsch­land dis­ku­tiert, erlebt Ent­täu­schung, Wut und Resi­gna­ti­on. Oft rich­ten die sich gegen Sahra Wagen­knecht, die als Spal­te­rin und Ego­ma­nin wahr­ge­nom­men wird, im Zwei­fels­fall auch als »rechts­of­fen«, wie es im media­len Slang heißt. Im Gegen­zug wird der Par­tei »Die Lin­ke« (PdL) vor­ge­wor­fen, die fal­schen Leu­te zu orga­ni­sie­ren und sich nach Regie­rungs­be­tei­li­gung zu seh­nen. Und schon ist es pas­siert: Die Sache der Lin­ken wird mit ihrer media­len Insze­nie­rung ver­wech­selt. Und das hat Fol­gen: Lin­ke Dis­kus­sio­nen krei­sen nicht um Armut und Klas­sen­la­ge, Arbeits­markt und Arbeits­kämp­fe, nicht ein­mal jetzt, zur­zeit gro­ßer Streiks, son­dern um Fru­stra­tio­nen und Fraktionsauflösung.

Die Par­tei »Die Lin­ke« ver­sprach, durch die Ver­ei­ni­gung von SPD-Lin­ken und PDS lin­ke Ambi­tio­nen zu bün­deln und wei­ter­zu­ent­wickeln. Zahl­rei­che Pro­jek­te und Ideen fan­den dort ihren Platz, die Mit­glie­der­zah­len wuch­sen. Das mach­te Hoff­nung und schien Per­spek­ti­ven zu bie­ten, nur weni­ge Stim­men wie­sen auf wei­ter bestehen­de Defi­zi­te hin (z. B. Ossietzky). Der Wahl­er­folg 2009 im Gefol­ge der Kri­se von 2008 schien eine erfolg­rei­che Zukunft zu ver­spre­chen, aber die Wah­len 2013 waren schon der Zenit: »Rot-Rot-Grün« wäre mög­lich gewe­sen, war aber in der Regie der Eli­ten nicht vor­ge­se­hen. Das wur­de beschwie­gen, und schon ging vie­len in der PdL die Zukunft ver­lo­ren, ohne dass sie es merkten.

Sahra Wagen­knecht stell­te immer wie­der die sozia­le Fra­ge, dafür wur­de und wird sie als (un-)heimliche Natio­na­li­stin attackiert. Ihr Bünd­nis »Auf­ste­hen«, hat­te jede Men­ge Zulauf. Ihr BSW, die neue Par­tei mit dem unsäg­li­chen Namen, könn­te man als saar­län­di­sche Ver­si­on fran­zö­si­scher Poli­tik­ge­stal­tung sehen. Wich­ti­ger ist, es als eine Art »anti­mo­no­po­li­sti­sches Bünd­nis« mit typisch sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Ideen zu ver­ste­hen. Dar­in sind die Lin­ken nur ein Teil des Ganzen.

Gemein­sam ist bei­den links­po­li­ti­schen Ansät­zen, dass sie vom offi­zi­el­len Poli­tik­be­trieb leben und sich den Regeln der »Kon­zern­me­di­en« (Arno Klön­ne) unter­wer­fen müs­sen. Das bedingt einen Auto­no­mie­ver­lust, den vie­le links inter­es­sier­te und orga­ni­sier­te Men­schen gar nicht mehr wahr­neh­men. The­men, Argu­men­te, Umfra­gen, deren Zuschnitt, Plat­zie­rung und Ver­mark­tung wer­den nicht von denen bestimmt, denen dar­an liegt, son­dern von den media­len und poli­ti­schen Eli­ten. Dem­ge­gen­über ist es wich­tig, sich mit Hil­fe eines Blicks in die Geschich­te lin­ker Par­tei­en, der Gewerk­schafts- und Arbei­ter/in­nen-Bewe­gun­gen klar zu wer­den, wor­um es geht und was anders sein könnte.

Poli­ti­sche Bewe­gun­gen in der Klas­se der Arbei­te­rin­nen und Arbei­ter ent­stan­den dort, wo der Druck der sozia­len Ver­hält­nis­se auf Struk­tu­ren der Selbst­hil­fe und Selbst­be­haup­tung, aber auch auf Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te tra­di­tio­nel­ler Orga­ni­sa­tio­nen (Kir­chen, Par­tei­en, Ver­ei­ne) traf, sodass es den Betrof­fe­nen weni­ger ris­kant, viel­leicht sogar loh­nens­wert erschien, aktiv zu wer­den und auf­zu­be­geh­ren. Dar­aus ent­stan­den Erfah­rungs­räu­me der Resi­stenz, die sich nach und nach betrieb­lich und lokal, ver­band­lich und gewerk­schaft­lich, publi­zi­stisch und poli­tisch organisierten.

Die Lin­ke war nicht von vorn­her­ein die Inter­es­sen­ver­tre­te­rin der arbei­ten­den Klas­se, sie wur­de es erst nach und nach, in vie­len Kon­flik­ten und Kämp­fen. Das ist heu­te anders: Umstruk­tu­rier­te Klas­sen­la­gen, Migra­ti­on und ver­än­der­te poli­ti­sche Rah­men­be­din­gun­gen haben die tra­di­tio­nel­len Bin­dun­gen seit Lan­gem gelockert oder gelöst. Die heu­ti­gen links­po­li­ti­schen Ansät­ze sind zwar noch im Besitz der Paro­len und Zei­chen der alten Arbei­ter­par­tei­en, aber sie ver­ste­hen nicht, vor wel­chen Auf­ga­ben sie ste­hen. Daher ver­le­gen sich bei­de eher auf ritua­li­sier­te Wer­bung mit tra­di­tio­nel­len Paro­len für die, die ansprech­bar schei­nen, ob links-grü­ne Milieus an Unis und Schu­len oder anti­mo­no­po­li­sti­sche Milieus im Bür­ger­tum. Aber die­se Ori­en­tie­run­gen zie­len nicht auf die Klas­se, die es von links her zu orga­ni­sie­ren gilt.

In Zei­ten der »Zei­ten­wen­de«, in der die poli­ti­schen Rah­men­be­din­gun­gen neu defi­niert wer­den, wäre es wich­tig, sich auf die eigent­li­chen Auf­ga­ben zu besin­nen. Die lie­gen in den all­täg­li­chen Pro­ble­men der arbei­ten­den Men­schen, die mit Nied­rig­löh­nen in pre­kä­ren und armuts­ge­fähr­de­ten Lebens­la­gen zurecht­kom­men müs­sen, deren Kin­der in den Schu­len unter Druck gesetzt wer­den und deren Gesund­heit durch das Gesund­heits­sy­stem gefähr­det wird. Die­se Men­schen müs­sen ange­spro­chen, umwor­ben, begei­stert, orga­ni­siert wer­den, um links neue poli­ti­sche Kraft zu entwickeln.

Sol­chen Leu­ten begeg­net man aber nur sel­ten in den »links­ra­di­ka­len, urba­nen und que­er-femi­ni­sti­schen Bubbles«, von denen ein Auf­ruf zum Ein­tritt in die PdL spricht. Mit die­sem Auf­ruf wird dafür gewor­ben, in »die Lin­ke« ein­zu­tre­ten und dafür zu kämp­fen, dass sie über die Fünf-Pro­zent-Hür­de kommt. Damit ver­bin­den sich (wie­der) Hoff­nun­gen, die unwei­ger­lich ent­täuscht wer­den: »Was, wenn die Lin­ke beim gemein­schaft­li­chen Ver­such, ihr über die Fünf-Pro­zent-Hür­de zu hel­fen, qua­si aus Ver­se­hen zu einer ernst zu neh­men­den, sozia­li­sti­schen Mas­sen­par­tei mit rea­lem Nutz­wert für die Men­schen mutie­ren würde?«

Dem­ge­gen­über ist fest­zu­hal­ten: Eine sozia­li­sti­sche Mas­sen­par­tei wird nur mit der Orga­ni­sie­rung der Klas­se in den aktu­el­len Kämp­fen ent­ste­hen. Lei­der fällt dem Auf­ruf dazu kaum etwas ein: Unter der Über­schrift Für eine Par­tei der Arbeiter:innen wer­den Quo­ten und Fach­ar­bei­ter­löh­ne für die Bun­des­tags­man­da­te gefor­dert. Dabei müss­te es Lin­ken dar­um gehen, sich nicht län­ger mit sich selbst zu beschäf­ti­gen, son­dern den Blick auf die Arbei­te­rin­nen und Arbei­ter zu rich­ten, die abge­hängt sind, die Armuts­jobs ver­rich­ten und mit den viel­fäl­tig­sten Dis­kri­mi­nie­run­gen und Schi­ka­nen leben müs­sen. Das hie­ße, Schluss zu machen mit der lin­ken Nabel­schau und end­lich Unter­stüt­zung zu orga­ni­sie­ren, z. B. für den der­zei­ti­gen, har­ten Tarif­kampf der Ver­käu­fe­rin­nen im näch­sten Supermarkt.