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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Eine MdB blickt von »ganz unten«

»Was macht DAS mit uns?« ist ein blö­der Neu­sprech. Als ob »DAS« ein höhe­res Wesen sei, nichts Menschgemachtes!

Vom Auf­leh­nen einer Abge­ord­ne­ten gegen »DAS« Bun­des­tag erzählt die­ses Buch ziem­lich authen­tisch, oft auch »pro­le­ta­risch«. Wes­halb der Titel »Aus die Maus« durch­aus Mensch­ge­mach­tes ver­spricht; beson­ders im Unter­ti­tel: »Der Blick von unten auf die da oben«.

Als pol­ni­sche Migran­tin mit Arbei­ter­her­kunft ist Nastic nun in der zwei­ten Legis­la­tur. Aber so »ganz unten« blieb sie in »DAS« Bun­des­tag – beim besten Wil­len – nun auch nicht.

Das Buch macht Bun­des­tags­in­ter­na ein­seh­ba­rer. Vor­nehm­lich für sol­che Außen­ste­hen­de, denen das Ple­num immer so leer erscheint und die es dar­um in toto ver­ur­tei­len. Was für demo­kra­tie­feind­li­chen Popu­lis­mus anfäl­lig macht. Beson­ders gegen­über medi­al ver­bell­ten Sitz-Ver­nach­läs­si­gun­gen von Unlieb­sa­men – wie Sahra Wagen­knecht. Auch die Nastic fehl­te am 27.4.2023 bei der nament­li­chen Abstim­mung über den Eva­ku­ie­rungs-Ein­satz der Bun­des­wehr im Sudan. Die Frak­ti­on hat­te sich zuvor »ver­stän­digt« auf: bloß kei­ne Gegen­stim­me. MdB Nastic hat­te intern noch für ein Nein votiert, was in Par­tei­pro­gramm und Tra­di­ti­on der Links­frak­ti­on auch so vor­ge­se­hen war.

Oft macht das Buch sol­cher­lei komi­sche Ver­strickun­gen des par­la­men­ta­ri­schen Innen­le­bens trans­pa­rent. Was ja auch drin­gend gebo­ten ist. Gera­de jetzt, wo eine neue Sahra-Par­tei wie ein wei­ßer Nebel-Ele­fant in der Wäh­ler-Luft hängt. Wie wäre künf­tig kri­ti­scher umzu­ge­hen mit Frak­ti­ons­zwang und ähn­li­chen par­la­men­ta­ri­sti­schen Ein­schlei­fun­gen von oben. Oder mit Main­stream-Medi­en und Lob­by­isten? Und: Wie kann dage­gen der »Blick von unten auf die da oben« bewahrt und geschärft blei­ben? Um nicht noch ein­mal so zu enden wie die 2005 mit enor­mer Eupho­rie gestar­te­te Linkspartei?

Dazu lie­fert das Büch­lein eini­ges. Wenn auch manch­mal, wo es span­nend wird, viel­leicht zu viel Geschichts­lek­tio­nen. Nicht so bei den Ser­ben, die von deut­schen Eli­ten unter Kai­ser-, Haken­kreuz- und Regen­bo­gen-Flag­ge seit jeher in den Dreck gebombt wur­den. Da wirkt der Blick der Autorin »von unten« am wärm­sten und mensch­lich­sten. Sicher auch, weil »der Vater mei­ner Kin­der Ser­be ist«.

Zaklin Nastic hat mehr­fach den Nahen Osten unter wenig pri­vi­le­gier­ten Rei­se­umstän­den besucht und kann man­chen Deutsch-Medi­en-Sprech über die »Schurken«staaten Iran, Irak, Syri­en und Afgha­ni­stan mit eige­nerwor­be­nen Beob­ach­tun­gen wider­le­gen. Mit ihrem jüdi­schen Hin­ter­grund (von dem sie erst als erwach­se­ne Frau erfuhr) berei­ste sie auch »Palä­sti­nen­ser-Gebie­te«. Und hält mit Kri­tik am Ter­ror israe­li­scher Sied­ler und deren Regie­rung nicht hin­term Berg.

Zwar wäre die Geschich­te des 1965 hin­ge­met­zel­ten indo­ne­si­schen Anti­im­pe­ria­lis­mus auch goog­le-bar, aber nach der Lek­tü­re ihres Buchs gelingt das Wei­ter­le­sen im Netz ziel­ori­en­tier­ter. Auch zum Pan-Isla­mis­mus der Uigu­ren, der Lieb­lingschi­ne­sen von ARD und ZDF. Die Autorin lie­fert Gegen-Infos, die hilf­reich sind und sonst – wenn über­haupt – besten­falls auf den hin­te­ren Rän­gen bei Goog­le und Wiki­pe­dia landen.

Gewürzt wird das Gan­ze mit Anfra­gen und Zwi­schen­ru­fen einer Abge­ord­ne­ten, die aus dem talent­lo­sen Mit­tel­maß jener Glücks-Rit­ter und Rit­te­rin­nen ragt, wel­che den Bun­des­tag anson­sten befal­len und auch DIE LINKE seit Jah­ren beschli­chen haben. Durch ihre Anfra­ge konn­te die Öffent­lich­keit erfah­ren, dass Deutsch­land nach Ein­schät­zung des Wis­sen­schaft­li­chen Dien­stes vom Bun­des­tag durch das Trai­ning ukrai­ni­scher Mili­zen an deut­schen Waf­fen selbst zur Kriegs­par­tei gewor­den war.

»Ein­füh­len ist inzwi­schen vie­ler mei­ner Mit­strei­ter abhan­den­ge­kom­men«, schreibt die Autorin. Aber mit Ein­füh­lung geizt sie sel­ber. Zum Bei­spiel: mit Details zum inner­par­tei­li­chen Kampf in der kar­rie­re­zer­fres­se­nen Ham­bur­ger Links­par­tei oder ihren eige­nen Auf­stieg als medi­al mehr­fach denun­zier­te »Wagen­knech­tIn«. Dazu wäre die eine oder ande­re Zei­le Eigen­erle­ben anschau­lich gewe­sen. Zumal der Umschlag damit wirbt, über »Schön­fär­be­rei und Tat­sa­chen­ver­dre­hun­gen selbst in den eige­nen Rei­hen« aufzuklären.

»Was macht DAS mit uns?« »Sowas hat Name und Haus­num­mer!«, schreibt Brecht. Im Buch steht da zu oft: »man«. Am Ende »über­zeug­te man mich« zu kan­di­die­ren. Wor­auf die Autorin dann »frei von Ehr­geiz« bald dar­auf »nach Ber­lin muss­te …«. Kein Gefühl über den Auf­stieg »von ganz unten«? Statt­des­sen wird ihr neu­es MdB-Man­dat in aller Demut »nur ein neu­es per­sön­li­ches Pro­blem«. Null Freu­de, sich von unten gegen die Wagen­knecht-Bas­her von »ganz oben« durch­ge­setzt zu haben. Der Titel des lehr­rei­chen Buches ver­spricht zwar nicht zu viel – nur was leicht anderes.

Zaklin Nastic: Aus die Maus – Der Blick von unten auf die da oben; Ver­lag Das neue Ber­lin, 191 S.;16 €.