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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Friedenserziehung statt »Wehrertüchtigung«

Ver­däch­tig vie­le Frau­en for­dern eine mili­tä­ri­sche »Mobil­ma­chung«. Sie fol­gen der von SPD-Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ster Pisto­ri­us gefor­der­ten deut­schen »Wehr­tüch­tig­keit«. Bezo­gen auf Men­schen bedeu­tet das, sie in einem kör­per­li­chen Zustand zu brin­gen, um für eine Kampf­trup­pe ver­wend­bar zu sein.

Da kom­men die Schu­len in den Blick. Hier sind die zukünf­ti­gen Sol­da­ten zu wer­ben und zu fin­den. Hier muss gei­stig ange­legt wer­den, dass Rüstung – eine rie­si­ge Fehl­lei­tung von Res­sour­cen und Geld – sinn­voll sei. So for­dert die FDP-Bil­dungs­mi­ni­ste­rin Bet­ti­na Stark-Watz­in­ger von den Schu­len ein »unver­krampf­tes Ver­hält­nis zur Bun­des­wehr« und die Abhal­tung von Zivil­schutz­übun­gen an Schu­len. SPD-Frau Eva Högl, Wehr­be­auf­trag­te der Bun­des­wehr, for­dert eine »Wehr­pflicht« in neu­em Gewand: Es soll für alle jun­gen Leu­te ver­pflich­tend ein Dienst­jahr kom­men. Zu Frau Baer­bock (Grü­ne) und ihrer »femi­ni­sti­schen« Außen­po­li­tik ist schon alles gesagt. FDP-Frau Dr. Strack-Zim­mer­mann wirbt jetzt als »Oma Cou­ra­ge« (sie ist Jahr­gang 1958) als Rüstungs­lob­by­istin im TAU­RUS-T-Shirt für Rhein­me­tall. Sie ist Mit­glied im Prä­si­di­um der Deut­schen Gesell­schaft für Wehr­tech­nik und im För­der­kreis Deut­sches Heer, dem auch Rhein­me­tall samt Toch­ter­ge­sell­schaf­ten ange­hö­ren. Der Grü­ne Habeck, der Grü­ne A. Hof­rei­ter und SPD-Vor­sit­zen­der Lars Kling­beil sind eben­falls auf Kriegs­vor­be­rei­tung und Hoch­rü­stung aus­ge­rich­tet und »kriegs­geil« wie die oben vor­ge­stell­ten Frauen.

Ein von Lorenz Knorr ver­fass­tes 5-sei­ti­ges Manu­skript mit der Über­schrift »Anti-Kriegs-Erzie­hung – Bun­des­wehr, raus aus den Schu­len!« könn­te hier hel­fen. Lorenz Knorr (1921-2018) fer­tig­te sein Plä­doy­er für Frie­dens­er­zie­hung als über 90-Jäh­ri­ger (ca. 2013) für einen Vor­trag. Er kam nach 1945 aus der Tsche­cho­slo­wa­kei als schwer Kriegs­ver­letz­ter. Ihm fehl­te ein Auge, und er litt an einer Hirn­ver­let­zung. Er kämpf­te als Anti­fa­schist gegen die Nazis und betä­tig­te sich nach 1945 unver­dros­sen als »Frie­dens­kämp­fer« in der sozia­li­sti­schen Kin­der- und Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on »Die Fal­ken« sowie in der von ihm mit­be­grün­de­ten »Deut­schen Frie­dens Uni­on – DFU« und der anti­fa­schi­sti­schen VVN-BdA. Der vor­zu­stel­len­de Text hat mei­nes Erach­tens sehr aktu­el­le Bezü­ge und kann auch heu­te ori­en­tie­rend wir­ken. Leicht kom­men­tiert stel­le ich wich­ti­ge Pas­sa­gen und Posi­tio­nen vor.

Ein­lei­tend for­mu­liert Knorr: »In einem Staat, des­sen Sol­da­ten mit poli­ti­schem Auf­trag und bei Igno­ranz geschicht­li­cher bzw. völ­ker­recht­li­cher Lek­tio­nen bzw. völ­ker­recht­li­cher Ver­pflich­tun­gen an Raub-Krie­gen teil­neh­men, ist nicht nur poli­ti­sche Gegen­wehr ange­sagt. Auch päd­ago­gi­scher Wider­stand ist erfor­der­lich. Die Mit­wir­kung an Raub­krie­gen darf nicht zur Selbst­ver­ständ­lich­keit ver­kom­men. Dies ist umso wich­ti­ger, als die ›Bun­des­wehr‹ – die kei­nes­wegs die im Grund­ge­setz (GG) fixier­te ›Ver­tei­di­gung‹ rea­li­siert – in vie­len Schu­len Mili­ta­ri­sie­rung betreibt! Spe­zi­ell aus­ge­bil­de­te Jugend­of­fi­zie­re ver­su­chen, die nach­wach­sen­de Gene­ra­ti­on für ihr Mord­hand­werk zu gewin­nen. Dies mit dem geziel­ten Ver­such, das Tech­nik-Inter­es­se vie­ler Jungs, aber auch Mäd­chen zu instru­men­ta­li­sie­ren und Aus­bil­dungs­mög­lich­kei­ten in Zei­ten der Mas­sen­ar­beits­lo­sig­keit zu ver­spre­chen. Die wei­te­re Mili­ta­ri­sie­rung der Gesell­schaft wird nun auch in den Schu­len prak­ti­ziert! Noch nicht in allen.

Dabei blen­den die Jugend­of­fi­zie­re total aus, dass kei­nes der bestehen­den Welt­pro­ble­me mit mili­tä­ri­schen Mit­teln zu lösen ist: weder Hun­ger noch Seu­chen, weder Analpha­be­tis­mus noch feh­len­des Trink­was­ser. Das Gegen­teil von Pro­blem­lö­sun­gen wird durch kost­spie­li­ge Rüstun­gen erreicht: die für huma­ne Zwecke erfor­der­li­chen Res­sour­cen ver­geu­det man für Mili­tär, Rüstung und Kriege.«

Da die Bun­des­wehr in Aus­bil­dungs­mes­sen, im unter­richt­li­chen Gesche­hen stär­ker prä­sent sein wird, for­dert er Leh­re­rin­nen und Leh­rer sowie die Gewerk­schaft »Erzie­hung und Wis­sen­schaft« zu wider­stän­di­gem Ver­hal­ten auf. »Die Jugend­of­fi­zie­re stel­len sich in den Schu­len als ›Sicher­heits-Exper­ten‹ vor! Das klingt für man­che wer­bend, obwohl nicht geklärt wird, wes­sen Sicher­heit geschützt wird bzw. vom Mili­tär geschützt wer­den soll. Der Begriff ›Sicher­heit‹ wird nicht mit kon­kre­tem Inhalt gefüllt; er dient ledig­lich der Irre­füh­rung.« Das Aus­wei­chen der Jugend­of­fi­zie­re vor der Defi­ni­ti­on von Sicher­heit und ihr Wer­ben für Mili­tär, Rüstung und Krie­ge (als »Hil­fe und För­de­rung von Demo­kra­tie und Aus­schal­tung des Ter­ro­ris­mus«) bele­ge jedoch, dass sie »Exper­ten für Unsi­cher­heit« sei­en. Der Bun­des­wehr sei gene­rell abzu­strei­ten, dass sie »Sicher­heit« gewährleistet.

Gera­de auch im aktu­el­len Ukrai­ne-Kon­flikt zeigt sich, dass z. B. die Rüstungs­schmie­de Rhein­me­tall der größ­te Gewin­ner ist. Das sei zu the­ma­ti­sie­ren: »Die deut­sche Geschich­te belegt mit vie­len Bei­spie­len – sie­he 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945! –, dass Mili­tär im Dienst der Kapi­tal­her­ren stets Unsi­cher­heit für die Völ­ker brach­te. Das ist heu­te nicht anders. Vie­le Zivi­li­sten, die (…) irr­tüm­lich oder bewusst gemor­det wur­den und wer­den, aber auch die wach­sen­de Zahl von getö­te­ten Sol­da­ten und der rie­si­ge Ver­schleiß von Res­sour­cen zei­gen die Pro­duk­ti­on von Unsi­cher­heit deut­lich an! Gewin­ner sind die Rüstungs­pro­du­zen­ten und ande­re Privilegierte.«

Gera­de in die­ser hoch­e­ska­lier­ten Welt­la­ge sei »Frie­dens-Erzie­hung« neu zu bele­ben: »Die her­kömm­li­che Frie­dens­er­zie­hung in der Alt-BRD bis 1990 bewirk­te zwei­fel­los man­ches Posi­ti­ve; sie zeig­te jedoch auch deut­li­che Schwä­chen! Sie war vor­wie­gend pazi­fi­stisch, nicht anti­mi­li­ta­ri­stisch ange­legt. Sie ziel­te auf die Aus­schal­tung jeder Gewalt, ver­nach­läs­sig­te jedoch die rea­len Kon­flikt- und Kriegs­ur­sa­chen. Pazi­fis­mus ist bekannt­lich ein Pro­dukt des pro­gres­si­ven Teils des Bür­ger­tums, gerich­tet gegen jede Gewalt: Prin­zi­pi­ell! Die revo­lu­tio­nä­re Arbei­ter­be­we­gung erklär­te sich auch gegen Gewalt: die­se war jedoch vor­han­den und rich­te­te sich auch gegen die auf­stei­gen­den Akteu­re des Pro­le­ta­ri­ats. ›Wir begin­nen kei­ne Gewalt!‹, war eine Losung. Wenn aber gegen uns Gewalt ange­wen­det wird, ›schla­gen wir zurück, dass dem Angrei­fer unmög­lich gemacht wird, wei­ter Gewalt gegen uns anzu­wen­den!‹ So ver­hielt sich auch die Anti-Hit­ler-Koali­ti­on 1945! Zu Recht! Und notgedrungen.

Nach­fol­gend vor­ge­stell­te »Posi­tio­nen der Anti-Kriegs-Erzie­hung« gel­ten auch heu­te noch:

»Erobe­rungs- und Raub­krie­ge sind Prak­ti­ken der Bar­ba­ren. Kul­ti­vier­te Men­schen und Völ­ker regeln unver­meid­li­che Inter­es­sen­wi­der­sprü­che mit­tels Ver­hand­lun­gen. ›Lie­ber ein Jahr ver­han­deln als eine Woche Krieg füh­ren!‹ lau­te­te einst eine ein­präg­sa­me Losung.

Krie­ge hän­gen unver­meid­lich mit der jewei­li­gen Sozi­al­struk­tur zusam­men. Wo pri­vi­le­gier­te Min­der­hei­ten herr­schen, vor allem im Kapi­ta­lis­mus mit sei­nen unge­stü­men Expan­si­ons­ten­den­zen, sind Krie­ge nur dann zu ver­mei­den, wenn star­ke Basis­kräf­te ziel­klar und uner­müd­lich in das Gesche­hen ein­grei­fen, wenn sie Kriegs­trei­ber in die Schran­ken weisen.

Im Atom­zeit­al­ter könn­ten Krie­ge, wenn man neue­ste Ver­nich­tungs­mit­tel ein­setzt, zum Unter­gang der Mensch­heit füh­ren! Gleich­wohl führt man unter­halb des gewal­ti­gen Ver­nich­tungs­po­ten­ti­als Raub- und Erobe­rungs­krie­ge. Der Kampf um Roh­stof­fe und stra­te­gisch wich­ti­ge Zonen kenn­zeich­net das gegen­wär­ti­ge Mor­den. Die USA z. B. wehrt sich auch mit Krie­gen gegen ihr unver­meid­li­ches Abstei­gen als domi­nie­ren­de Welt­macht. Klei­ne­re regio­na­le Kon­flik­te arten oft zu Krie­gen aus, wobei die Inter­es­sen von Groß­mäch­ten nicht zu gering zu bewer­ten sind.

Wir­kungs­vol­le Anti-Kriegs-Erzie­hung soll­te ver­deut­li­chen, dass das alte ›ius ad bel­lum‹, das angeb­li­che ›Recht auf Krieg‹ aus der Zeit der auf­kom­men­den Natio­nal­staa­ten und der vor­ato­ma­ren Epo­che stammt. Es ist der tota­le Wider­spruch zur Herr­schaft und Ver­nunft und zum Vor­rang des Rechts! Das tra­di­tio­nel­le ›si vis pacem para bel­lum‹, das ›Willst du Frie­den, so sei kriegs­be­reit!‹ ist eben­falls ein Pro­dukt aus der Zeit, wo mili­tä­ri­sches Kräf­te­mes­sen ohne Rück­sicht auf die Men­schen­op­fer als ›Gro­ßes Spiel der Köni­ge‹ galt.

Anti-Kriegs-Erzie­hung soll­te die viel­fäl­ti­gen Ursa­chen gegen­wär­ti­ger mili­tä­ri­scher Gewalt­an­wen­dung auf­zei­gen – und Wege, wie die­se Noch-Ursa­chen von Krie­gen poli­tisch zu über­win­den sind: was auch mit den jewei­li­gen Macht­ver­hält­nis­sen zusam­men­hängt! Anti-Kriegs-Erzie­hung wird die immensen Kosten von Rüstung, Mili­tär und Krie­gen auf­zei­gen und dem Nach­wuchs plau­si­bel nahe­brin­gen, was alles zu finan­zie­ren wäre, wenn die Rüstungs-, Mili­tär- und Kriegs­ko­sten umfunk­tio­niert würden (…).

Anti-Kriegs-Erzie­hung soll­te pri­mär nahe­brin­gen, dass an jeder Gewehr­ku­gel, an jeder Geschütz-Gra­na­te, an jeder Flie­ger-Bom­be und an jedem Schiffs-Tor­pe­do die Rüstungs- bzw. Kriegs-Indu­strie enor­me Pro­fi­te ein­streicht! Die Men­schen und Völ­ker bezah­len mit Gut und Blut, was bei den Kriegs­pro­du­zen­ten ›die Kas­se klin­geln lässt‹. Wo Kapi­tal über alle Gren­zen akku­mu­liert, stößt es auf frem­des Kapi­tal. Wer­den bei­de von mili­tä­ri­scher Macht ›geschützt‹, ist der Krieg nicht fern. Der Kampf um Roh­stof­fe, Ein­fluss­be­rei­che und Kapi­tal­an­la­ge­mög­lich­kei­ten, typisch für die Pro­fit­wirt­schaft, brach­te und bringt stets Krie­ge mit sich.

Eine gerecht struk­tu­rier­te Gesell­schaft bedarf der Krie­ge nicht. Alle mög­li­chen inter­na­tio­na­len Streit­fra­gen sind auf dem Wege der Ver­hand­lun­gen aus­zu­glei­chen! Eben die­se gehört zum ABC der Anti-Kriegs-Erzie­hung-Erzie­hung! Es wäre drin­gend an der Zeit, dass sich Eltern-Gemein­schaf­ten der Anti-Kriegs-Erzie­hung annäh­men oder dass sich die Gewerk­schaft Erzie­hung und Wis­sen­schaft (GEW) die­ser Auf­ga­be stell­te. Gegen die der­zei­ti­ge Staats­macht und das Drän­gen der ›Bun­des­wehr‹, den Unter­richt noch stär­ker als bis­her zu mili­ta­ri­sie­ren, ist Gegen­macht ange­sagt. Alle For­men der Mili­ta­ri­sie­rung sind kon­se­quent zu bekämp­fen: mit einem kla­ren Pro für einen gerech­ten Frieden!«