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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Merkwürdige Kommunalpolitik

Die Benen­nung einer Stra­ße in Dort­mund nach dem Jour­na­li­sten Kurt Gold­stein (1914-2007), vor vie­len Jah­ren von der VVN-BdA vor­ge­schla­gen und nun beschlos­sen, wird all­ge­mein begrüßt.

Den­noch bleibt die Fra­ge: Ent­wickelt sich Dort­mund zum Zen­trum neo­fa­schi­sti­scher AfD-Poli­tik mit CDU-Unter­stüt­zung per Sturz der merz­schen Brandmauern?

Bezeich­nend die Ver­zö­ge­rung. Mit Mehr­heit beschloss Anfang Novem­ber nach der Inter­ven­ti­on des ultra­rech­ten AfD-Abge­ord­ne­ten Mat­thi­as Hel­fe­rich und dem Antrag eines CDU-Abge­ord­ne­ten die Bezirks­ver­tre­tung Dort­mund Scharn­horst, die beab­sich­ti­ge Benen­nung einer Stra­ße nach dem Ehren­prä­si­den­ten des Inter­na­tio­na­len Ausch­witz Komi­tees, Kurt Gold­stein, zu ver­ta­gen. Begrün­dung: Gold­stein habe Wal­ter Ulb­richt zum Bau der Mau­er ange­regt, indem er ihm von der Mau­er in Jeru­sa­lem berich­te­te. Auf einen sol­chen Blöd­sinn muss man erst ein­mal kom­men! Der Wider­stands­kämp­fer, Inter­bri­ga­dist in Spa­ni­en, Ausch­witz- und Buchen­wald­über­le­ben­de stamm­te aus Dort­mund-Scharn­horst und war dort hoch geehrt.

Acht von 18 Abge­ord­ne­ten ver­such­ten vier Wochen spä­ter in der Bezirks­ver­tre­tung, die Benen­nung einer Kurt-Gold­stein-Stra­ße erneut zu ver­ta­gen. Doch Grü­ne und SPD-Ver­tre­ter setz­ten sich durch. Die wei­te­re Zusam­men­ar­beit der Par­tei­en mit der AfD ist aller­dings ein­ge­plant. Die­se hat am Volks­trau­er­tag in Dort­mund am Kai­ser-Denk­mal Syburg zusam­men mit dem Nazi Björn Höcke eine natio­na­li­sti­sche Kund­ge­bung ver­an­stal­tet und ein Geheim­tref­fen mit dem rech­te­sten AFD-Füh­rer abgehalten.

Erfolg­reich ist die Zusam­men­ar­beit mit der Rech­ten – nun sogar mit Zustim­mung der SPD – auch in der Bezirks­ver­tre­tung Dort­mund Eving. Dort hat­ten die Grü­nen an einen Beschluss erin­nert, der 2011 auf Antrag der VVN-BdA gefasst wor­den war und die Bezeich­nung Kir­dorf-Kolo­nie ver­ur­teil­te. Kir­dorf war einer der ganz frü­hen und sehr bestän­di­gen Hit­ler-Finan­ziers. Sei­ne Ehrung soll wei­ter bestehen blei­ben, wur­de entschieden.

Erin­nert sei auch dar­an, dass die VVN-BdA ursprüng­lich auch die Erset­zung der Dort­mun­der Gustav-Noske-Stra­ße gefor­dert hat­te, die immer noch in Scharn­horst exi­stiert. 1918 wur­de Noske (SPD) Wehr­mi­ni­ster der repu­bli­ka­ni­schen Regie­rung; er stell­te sich an die Spit­ze der reak­tio­när­sten Sol­da­tes­ka mit dem Haken­kreuz am Stahl­helm. Die­se »Trup­pe« ermor­de­te hun­der­te Arbei­te­rin­nen und Arbei­ter sowie Karl Lieb­knecht und Rosa Luxem­burg. Noske hat­te sein Amt mit den Wor­ten über­nom­men: »Einer muss der Blut­hund wer­den.« Der SPIEGEL schrieb dazu am 27. März 1988: »Noske half die Revo­lu­ti­on 1918/​19 nie­der­schla­gen, die letzt­lich ihre eige­nen Kin­der fraß und die alten Eli­ten, mon­ar­chi­sti­sche Gene­ra­li­tät und wil­hel­mi­ni­sche Büro­kra­tie, den Unter­gang des Kai­ser­rei­ches unge­scho­ren über­ste­hen ließ.« In Dort­mund hält man Noske trotz die­ser Bio­gra­fie für wür­di­gens­wert. Der Antrag, die Noske­stra­ße umzu­be­nen­nen, wur­de abgelehnt.