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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Bilder einer Ausstellung

Son­ni­ger Herbst­tag in Ami­ens, und Bilder
In der klei­nen Uni­ver­si­tät der Picardie
Aus­stel­lung 150 Jah­re Kriegsphotographie
Von den Kin­der­ta­gen der Dragographie
Kriegs­fo­tos hin­ein in unse­re digi­ta­le Zeit
Pro Krieg, pro Jahr Platz für ein Bild
150 Fotos von Not, Kin­der­elend, Verstümmelung
Ster­ben und Tod, von 1861 bis zu die­sem Tag
Ster­ben und Tod, das erste Foto aus dem
Ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­krieg, zehn Jah­re später
Frank­reich – Russ­land, Inter­nier­te in einer Kirche
In Lau­sanne, so geht es wei­ter, so geht es weiter
Welt­kriegs­jah­re in Schlamm und Dreck,
Erste Tanks, eiser­ne Mon­ster rol­len auf Ketten
Schwer­stes Eisen­bahn­ge­schütz gerich­tet auf Paris
Bal­lons und Kampf­flug­zeu­ge über der Front
Feld­te­le­fo­ne, Brief­tau­ben von Stel­lung zu Stellung
Gas­alarm im Schüt­zen­gra­ben, Opa, da warst du 20
Und dabei, für Kai­ser, Gott und Vater­land, Opa
In Schlamm und Dreck, hier um die Ecke
An der lieb­li­chen Som­me, wo jetzt mein Auto
Auf dem Park­platz steht, und ich in der Uni
Zwi­schen den jun­gen Leu­ten und den Bildern
Einer Aus­stel­lung, Arden­nen­of­fen­si­ve auch, Verdun
Opa, halb­wegs heil bist du davongekommen
1922 dann Russ­land faci­me, 23 Griechenland-Türkei
Die Zeit geht dahin, 37 Spa­ni­scher Bürgerkrieg
So geht es wei­ter, so geht es wei­ter, und die Zeit
Geht dahin, näch­stes Bild, der Par­ti­san, getrof­fen reißt er
Die Arme hoch, das näch­ste Bild, eine Exekution
Tote Kör­per geschich­tet an der Mau­er, hoch bis an
Deren Rand, Exe­ku­tio­nen in Polen, Frank­reich, Griechenland
Ita­li­en, Russ­land, Exe­ku­tio­nen und dann natür­lich Stalingrad
Papa, dort warst du nicht, in jenem Höllenkessel
In Hit­lers Krieg aber muss­test du doch
Und auch du hast was davon zurückbehalten
Für den Rest dei­nes Lebens, wir aber, ihr und ich
Sein Sohn, die näch­ste Gene­ra­ti­on, sagt selbst
Wir hat­ten reich­lich Glück, Ruhe und Frie­den, Krieg
Immer woan­ders, Krieg, meist wei­ter weg, Kasernen
Rings um mein Haus, neben­an Atomraketen
Und nun, nach all den Jah­ren Ruhe und Frieden
Ste­he ich hier in der Uni zwi­schen jun­gen Leuten
Und all den Bil­dern, und schon kommt das nächste
Ein toter KZ-Häft­ling, längst halb verhungert
Gestor­ben in der Umklam­me­rung des unter
Strom gesetz­ten Sta­chel­draht­zauns, näch­stes Bild
Die Mut­ter und ihr ver­strahl­tes Kind nach dem
Atom­bom­ben­ab­wurf der Ame­ri­ka­ner auf Nagasaki
Korea bald dar­auf, Bür­ger­krieg, wir schrei­ben 1950
Ver­hö­re im Gefan­ge­nen­la­ger, die Zeit geht dahin
Ich komm nicht mit, die Zeit geht dahin, wie soll ich
Ord­nen, alpha­be­thisch chro­no­lo­gisch, ich komm nicht mit
Ich las­se weg und über­schla­ge, las­se aus, und die Zeit
geht dahin, die Zeit geht dahin, Jemen 1964, Biaf­ra 68
ich über­schla­ge, las­se weg, 72 Viet­nam, im Jahr darauf
Ägyp­ten-Isra­el, 75 Viet­nam, Zim­bab­we dann, Uganda
Äthio­pi­en, die Zeit geht dahin, 1985 schrei­ben wir
Sehen El Sal­va­dor, drei Jah­re spä­ter Bos­ni­en, Herzegowina
Soma­lia im sel­ben Jahr, Kon­go und Koso­vo, ich komm nicht mit
Libe­ria seh ich, willst du alle Län­der nen­nen, Tür­kei und Kurdistan
Irak, Sudan, Irak, Ser­bi­en und Nord-Daf­ur, Liba­non, Sri Lanka
Und Afgha­ni­stan, ich komm nicht mit, Jemen schon wieder
Syri­en auch, nun die Ukrai­ne, und hin­ter der näch­sten Ecke
Hin­ter der näch­sten Mau­er, der näch­sten Gren­ze lau­ert schon
Der näch­ste Mas­sen­mör­der, wei­ter geht es, weiter
Die Krie­ge sprin­gen durch die Zeit, sprin­gen durch Länder
Sprin­gen über die Erde, und die Jah­re gehen dahin
Gehen dahin, und der Wind geht über die Gräber.