Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Das Volk rückt nach rechts

Die Recht­au­ßen­par­tei »Alter­na­ti­ve für Deutsch­land« (AFD) ver­zeich­net der­zeit in Umfra­gen lan­des­weit histo­risch hohe Wer­te, beson­ders in den öst­li­chen Bun­des­län­dern, in Thü­rin­gen und Sach­sen. In Bay­ern füllt der Rechts­po­pu­list Aiwan­ger Plät­ze und Bier­zel­te – und es gilt als aus­ge­macht, dass er auch über Süd­deutsch­land hin­aus vie­le, sehr vie­le Bewun­de­rer hat. Eine aktu­el­le Erhe­bung der Uni­ver­si­tät Bie­le­feld im Auf­trag der SPD-nahen Fried­rich-Ebert-Stif­tung zeigt nun: Die Repu­blik wird ins­ge­samt rechts­extre­mer und demokratiefeindlicher.

Dem­nach ver­tre­ten acht Pro­zent der Befrag­ten ein klar rechts­extre­mes Welt­bild – in den Jah­ren zuvor hat­te die­ser Wert noch zwi­schen knapp zwei und maxi­mal drei Pro­zent gele­gen. Zudem ver­tre­ten fast sechs Pro­zent der Befrag­ten sozi­al­dar­wi­ni­sti­sche Ansich­ten und stim­men etwa der Aus­sa­ge »Es gibt wert­vol­les und unwer­tes Leben« zu (2014 bis 2021: zwei bis drei Prozent).

Ins­ge­samt ver­or­ten sich mit 15,5 Pro­zent deut­lich mehr Men­schen poli­tisch selbst »rechts der Mit­te« als zuvor. Poli­tisch »genau in der Mit­te« sehen sich indes nur noch 55 Pro­zent der Men­schen in Deutsch­land; in den vor­an­ge­gan­ge­nen vier Erhe­bun­gen (die Stu­die wird alle zwei Jah­re durch­ge­führt) hat­te die­ser Wert stets bei über 60 Pro­zent gelegen.

Mehr als 16 Pro­zent der Befrag­ten behaup­ten der neu­en Stu­die zufol­ge eine natio­na­le Über­le­gen­heit Deutsch­lands. Sie for­dern »end­lich wie­der« Mut zu einem star­ken Natio­nal­ge­fühl und eine Poli­tik, deren ober­stes Ziel es sein soll­te, dem Land die Macht und Gel­tung zu ver­schaf­fen, die ihm zustehe.

16 Pro­zent sind nega­tiv gegen­über »Aus­län­dern« ein­ge­stellt. Rund ein Drit­tel der Befrag­ten – 34 Pro­zent – meint zudem, Geflüch­te­te kämen nur nach Deutsch­land, um das Sozi­al­sy­stem auszunutzen.

Dass Deutsch­land mitt­ler­wei­le mehr einer Dik­ta­tur als einer Demo­kra­tie glei­che, mei­nen 20 Pro­zent. Und sechs Pro­zent kön­nen sich eine Dik­ta­tur mit einem Füh­rer wie­der vor­stel­len. Gleich­zei­tig sinkt das Ver­trau­en in die Insti­tu­tio­nen und das Funk­tio­nie­ren der Demo­kra­tie auf unter 60 Pro­zent. Mit 38 Pro­zent ver­tritt ein erheb­li­cher Teil der Befrag­ten ver­schwö­rungs­gläu­bi­ge Posi­tio­nen. Popu­li­sti­sche und völ­kisch-auto­ri­tär-rebel­li­sche sind eben­falls ver­brei­tet – bei 33 Pro­zent bezie­hungs­wei­se 29 Pro­zent der Teil­neh­men­den an der Erhebung.

»Popu­lis­mus und anti­de­mo­kra­ti­sche und völ­ki­sche Posi­tio­nen sind auf dem Vor­marsch«, kom­men­tiert der Vor­sit­zen­de der SPD-nahen Stif­tung, Mar­tin Schulz, die Ergeb­nis­se der Stu­die. Kei­ne Fra­ge: Die Ergeb­nis­se sind irri­tie­rend, ja beäng­sti­gend. Laut der Stu­die (Titel »Die distan­zier­te Mit­te«) sehen sich immer mehr Deut­sche rechts der Mit­te – und so wäh­len sie auch. Die rechts­ra­di­ka­le AFD pro­fi­tiert von der Grund­stim­mung im Land. Die Par­tei erhielt zuletzt in den Umfra­gen meh­re­rer Insti­tu­te bun­des­weit eine Zustim­mung von 22 Pro­zent. Kei­ne guten Aussichten.

Euro­pa­weit zeigt sich eben­falls eine Ten­denz nach rechts. Der bri­ti­sche Guar­di­an berich­te­te – am sel­ben Tag, als die FES- Stu­die in Ber­lin vor­ge­stellt wur­de –, dass fast ein Drit­tel der Euro­pä­er mitt­ler­wei­le popu­li­sti­sche, rechts­extre­me oder links­extre­me Par­tei­en wählt. Ana­ly­sen von mehr als 100 Poli­tik­wis­sen­schaft­lern in 31 Län­dern erga­ben dem­nach, dass bei den natio­na­len Wah­len im Jahr 2022 eine Rekord­zahl von 32 Pro­zent der Wäh­ler ihre Stim­me für Anti-Estab­lish­ment-Par­tei­en abga­ben, ver­gli­chen mit 20 Pro­zent in den frü­hen 2000er-Jah­ren und 12 Pro­zent in den frü­hen 1990er-Jahren.

Zur Stu­die: Die For­scher haben bun­des­weit 2027 Men­schen in einer Tele­fon­um­fra­ge befra­gen las­sen. Die­se Befra­gung fand im Zeit­raum vom 2. Janu­ar bis 28. Febru­ar 2023 statt. Die Befrag­ten waren zwi­schen 18 und 94 Jah­ren und im Durch­schnitt 50 Jah­re alt. Die Umfra­ge ist den Anga­ben zufol­ge reprä­sen­ta­tiv für die erwach­se­ne deut­sche Wohnbevölkerung.