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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Freundschaft?

In Wien fin­den im Herbst Gemein­de­rats­wah­len statt. Zur­zeit regiert eine Koali­ti­on aus SPÖ und Grü­nen. Stärk­ste Oppo­si­ti­ons­par­tei ist die reak­tio­när-natio­na­li­sti­sche FPÖ, die aller­dings durch die Ibi­za-Cau­sa von Heinz-Chri­sti­an Stra­che (er ist nicht mehr FPÖ-Mit­glied) stark geschwächt ist, denn Stra­che war über lan­ge Jah­re die wich­tig­ste poli­ti­sche Figur in der Wie­ner Par­tei und konn­te bei der letz­ten Gemein­de­rats­wahl gro­ße Tei­le der Stim­men der abhän­gig Beschäf­tig­ten für die FPÖ gewin­nen. Zusam­men mit drei ehe­ma­li­gen Wie­ner FPÖ-Gemein­de­rä­ten will Stra­che im Herbst bei der Gemein­de­rats­wahl als Die Alli­anz für Öster­reich (DAÖ) antre­ten und, so sei­ne Aus­sa­ge, »Bür­ger­mei­ster wer­den«. Damit dürf­te dem Wie­ner SPÖ-Bür­ger­mei­ster Micha­el Lud­wig trotz des rasan­ten Nie­der­gangs der öster­rei­chi­schen Sozi­al­de­mo­kra­tie sein Amt wei­ter sicher sein und die SPÖ in Wien wie­der stärk­ste Par­tei werden.

Dass kurz vor dem Inter­na­tio­na­len Frau­en­tag die SPÖ, sie hat schon lan­ge von der Bezeich­nung »sozia­li­sti­sche« auf »sozi­al­de­mo­kra­ti­sche« im Par­tei­na­men gewech­selt, ihre letz­ten gesell­schafts­ver­än­dern­den Pro­gramm­punk­te zu Gra­be getra­gen hat, beweist der Umgang mit Mireil­le Ngos­so. Sie flüch­te­te mit ihrer Fami­lie im Alter von vier Jah­ren aus der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kon­go nach Wien und ist seit dem Jah­re 2010 für die SPÖ poli­tisch tätig. Im Abend­gym­na­si­um hol­te sie die Matu­ra (Abitur) nach, stu­dier­te Human­me­di­zin an der Uni Wien, erlang­te den Bache­lor of Sci­ence an der King­s­ton Uni­ver­si­ty in Lon­don und absol­viert zur­zeit die Fach­arzt­aus­bil­dung zur All­ge­mein­chir­ur­gin am Kran­ken­haus Hit­zing (Bezirk in Wien). Seit 2018 ist sie auch stell­ver­tre­ten­de Bezirks­vor­ste­he­rin für den 1. Wie­ner Gemein­de­be­zirk. In ihrer Amts­zeit hat sie unter ande­rem für die Neu­pflan­zung von 200 Bäu­men gesorgt.

Der erste Wie­ner Gemein­de­be­zirk ist einer der weni­gen Wie­ner Bezir­ke, die von der »christ­li­chen« Kurz-ÖVP regiert wer­den. Bei der vor weni­gen Tagen statt­ge­fun­de­nen SPÖ-Bezirks­kon­fe­renz für den 1. Wie­ner Gemein­de­be­zirk kan­di­dier­te Mireil­le Ngos­so für die Auf­stel­lung als Spit­zen­kan­di­da­tin für das Amt der Bezirks­vor­ste­he­rin. Fünf­und­fünf­zig Pro­zent der Dele­gier­ten lehn­ten ihre Kan­di­da­tur ab.

Nach die­ser Ent­schei­dung war man in eini­gen Krei­sen der SPÖ »ent­setzt«. Dabei fin­det hier jene »Annä­he­rung« an die aus­län­der­feind­li­che Poli­tik statt, die der natio­na­li­sti­schen FPÖ bei der letz­ten Wahl in Wien 34 Man­da­te bescher­te. Die Wie­ner Sozi­al­de­mo­kra­tie war damals mit 44 Man­da­ten noch stärk­ste Kraft, muss­te aber mit den Grü­nen eine Koali­ti­on eingehen.

Zu den Grün­den der Dele­gier­ten mein­te Mireil­le Ngos­so gegen­über der Wie­ner Zei­tung: »Ich kann es Ihnen ehr­lich gesagt nicht sagen.« Und wei­ter: »Ich kann mir vor­stel­len, dass es sicher­lich ein paar Befind­lich­kei­ten gibt.« Durch ihr Leben als »schwar­ze Frau« zie­he es sich wie ein roter Faden: »Man will Zuge­hö­rig­keit und erreicht es nicht immer.«

Es waren ras­si­sti­sche Moti­ve, die zum Schei­tern ihrer Kan­di­da­tur für die SPÖ im Bezirk und somit als Her­aus­for­de­rin von Mar­kus Figl (Kurz-ÖVP) als Bezirks­vor­ste­her in der Innen­stadt mit­spiel­ten. Ngos­so: »Die SPÖ reprä­sen­tiert die Gesell­schaft, da gibt es sol­che und sol­che.« Es ver­wun­dert aller­dings, dass sie trotz die­ses dis­kri­mi­nie­ren­den Wahl­er­geb­nis­ses ver­kün­det: »Die SPÖ bleibt mei­ne poli­ti­sche Hei­mat.« So will sie wei­ter­hin für die­se Par­tei für den Wie­ner Gemein­de­rat kan­di­die­ren – aller­dings mit wenig Chan­cen auf den Ein­zug in das Wie­ner Rathaus.

Wie schein­hei­lig ist da der noch immer in der öster­rei­chi­schen Sozi­al­de­mo­kra­tie genutz­te Gruß »Freund­schaft«!