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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Friedensfragen

Wie­so bricht Krieg immer aus?
Wes­halb kreuzt eine deut­sche Fre­gat­te vor Chi­na und kei­ne chi­ne­si­sche vor Deutschland?
Wie­so und ab wann lohnt sich ein Krieg?
Wes­halb führt nie­mand einen sinn­lo­sen Krieg?
War­um muss es den­noch den sinn­lo­sen Krieg immer wie­der geben?
Wie­so führt man Krieg, ohne ihn zu wollen?
Wes­halb ist alles gut mit dem ius ad bel­lum, das man hat?
War­um hat der Feind es nie, ver­stößt dafür aber immer gegen das ius in bello?
Wie­so gibt es bei uns Kol­la­te­ral­schä­den und beim Feind unmensch­li­che Absicht?
Wes­halb braucht es für den Feind einen (Sonder-)Gerichtshof und für den Freund keinen?
War­um kann ein Krieg Deutsch­lands kein Ver­bre­chen (mehr) sein?
Wie­so ist Fol­ter aus der Luft nur logisch und kein Ter­ror, wenn im Jugo­sla­wi­en­krieg exekutiert?
Wes­halb darf man Sol­da­ten nicht sinn­los verheizen?
War­um dür­fen sie aber auf dem Feld der Ehre ihr Leben lassen?
Wie­so ver­herr­licht der Feind mit sei­nen Denk­mä­lern Krieg?
Wes­halb stat­ten wir mit unse­ren den Dank des Vater­lan­des ab?
War­um gibt es beim Feind kei­ne tra­gi­schen Einzelschicksale?
Wie­so kei­ne wehr­lo­sen Opfer unse­res und unse­rer Freun­de Handelns?
Wes­halb muss beim Feind dort aus­ge­räu­chert wer­den, wo ihm Pseu­do­zi­vi­li­sten beispringen?
Wie­so haben auch sei­ne Künstler/​Sportler kein Recht dar­auf, als unpolitisch/​friedfertig zu gelten?
Wes­halb aber ist es patrio­ti­sche Pflicht, Künst­ler in Blau-Gelb und Split­ter­we­sten abzufeiern?
War­um hat der Feind nur eine Zivil­ge­sell­schaft aus Duck­mäu­sern und Opportunisten?
Wie­so rekru­tiert sich unse­re Gesell­schaft hin­ge­gen aus Auf­rech­ten, die selbst­be­stimmt und nach sorg­fäl­ti­gem Abwä­gen für Krieg sind und im Ver­ein nun für ande­re Mei­nun­gen – auch Tole­ranz hat ein­mal ein Ende – lei­der kein Ver­ständ­nis mehr haben können?
Wes­halb war man kein Lum­pen­pa­zi­fist, wenn man gegen einen Krieg war, (weil) der verlorenging?
War­um ist man einer, solan­ge die Hoff­nung besteht, Sieg wer­de die Mis­si­on des Mei­sters aus Deutsch­land belohnen?
Wie­so konn­te man es immer – und somit auch jetzt – damals noch nicht wissen?
Wes­halb sind »wir« so gut dar­in, »unse­re« Dop­pel­mo­ral beim Feind zu entdecken?
War­um nur soll des Men­schen Wolfs­na­tur den ewig wah­ren Kriegs­grund abgeben?

Die Ant­wort weiß nur der Wind oder viel­leicht Ale­xa? Wahr­schein­lich aber wer­den Fra­gen der Sache nicht gerecht. Sie ist es ja schon. Fra­gen, wie die hier auf­ge­führ­ten, sind rein rhe­to­risch, zu sim­pel und von »unse­rer Lage« schlicht überholt.

Wie sei­ne Bünd­nis­part­ner führt Deutsch­land einen mehr oder weni­ger erklär­ten, doch tat­säch­li­chen Krieg auf Stell­ver­tre­ter­ter­rain. Mit die­sem Krieg, den die Ukrai­ne, wie die Tali­ban, bevor sie Ter­ro­ri­sten wur­den, für »uns« aus­kämpft, soll sich Russ­land dort mit sei­nen mili­tä­ri­schen Mit­teln, die es aus­zu­blu­ten gilt – und die Chan­cen dafür ste­hen ange­sichts der Über­le­gen­heit der west­li­chen Waf­fen­ar­se­na­le nicht schlecht –, so lan­ge abpla­gen, bis es sich zu einem Dik­tat­frie­den nach west­li­chem Geschmack bequemt und nur noch zu regeln ist, wie viel Gesichts­wah­rung ihm zuge­stan­den wird. Ent­schließt sich der Feind aber, nicht aus Durch­ge­knallt­heit, son­dern aus mili­tä­ri­scher Logik her­aus, die in Deutsch­land zumin­dest man­che Gene­rä­le ver­ste­hen, zum Angriff auf den För­de­rer und Bür­gen des ukrai­ni­schen Sie­ges­wil­lens selbst, so wird eben der »Aus­bruch« des Drit­ten Welt­kriegs, »Ein­tre­ten des Bünd­nis­falls« genannt, lei­der, lei­der unver­meid­lich sein. Ver­tei­di­gungs­be­feh­len eines vom Par­la­ment unter­stütz­ten deut­schen Kriegs­kanz­lers wird sein Land dann auch fol­gen. Bis dahin begei­stert sich die Dame, die für Sty­ling einen hohen Preis zu ent­rich­ten bereit ist, schon ein­mal, foto­gen Him­mel und Höl­le behüp­fend, für Wun­der­wer­ke fin­ni­scher Bun­ker­bau­kunst. Sich so spon­tan, ehr­lich und »irgend­wie wit­zig« zu zei­gen, kommt gut an, nicht nur bei Ver­lei­hern von Faschings­or­den; es ist wie­der Zeit für Gefechts­hu­mor, nun im Leo­par­den­ko­stüm. An Nar­ren kein Mangel.

Der Aus­gangs- wie Flucht­punkt von Kon­tro­ver­sen um Krieg und Frie­den ist die ihnen gemein­sa­me, als Selbst­ver­ständ­lich­keit vor­aus­ge­setz­te Fra­ge, wor­in sich »das gute Deutsch­land« erwei­se. Die domi­nan­te öffent­li­che Mei­nung zum Kriegs­ver­lauf ist zuver­sicht­lich: »Auf sie mit Gebrüll!« Der Sozio­lo­gin Eva Ill­ouz steht als israe­li­scher Anti­fa­schi­stin zu, unum­wun­den zu for­mu­lie­ren, was die Deut­schen wohl schon sagen mögen, aber schon wie­der sagen zu dür­fen sich noch nicht trau­en: »Ich wün­sche mir den tota­len Sieg.« Das war noch vor Jah­ren zumin­dest nicht flä­chen­deckend so: »Patrio­tis­mus, Vater­lands­lie­be also, fand ich stets zum Kot­zen. Ich wuss­te mit Deutsch­land noch nie etwas anzu­fan­gen und weiß es bis heu­te nicht« (Robert Habeck, zitiert nach Wolf­gang Bitt­ner, Aus­nah­me­zu­stand, 2023, S. 63).

Dane­ben gibt es noch mah­nen­de Stim­men, die dar­auf ver­wei­sen, dass ein Pazi­fis­mus dem­ge­gen­über auch noch sei­ne Berech­ti­gung habe, inso­fern er sich auf der Höhe der Zeit bewe­ge. Das bean­sprucht z. B. Franz Alt mit sei­nem Plä­doy­er für einen rea­li­sti­schen Pazi­fis­mus. Der Rea­lis­mus besteht in der Aner­ken­nung des­sen, dass die Macht der Poli­tik not­ge­drun­gen aus den Gewehr­läu­fen kom­men muss, der Pazi­fis­mus aus der Mah­nung, mit Augen­maß zu han­deln, um Ver­hand­lungs­chan­cen zu schaf­fen und nicht zu ver­pas­sen. Krieg begrün­det sich dadurch, dass er den Frie­den will, womit auch Bel­li­zi­sten d’accord gehen, aber die­sen krei­det Alt ein Spiel mit dem Feu­er an; unbe­ding­te Kriegs­be­gei­ste­rung sei ein gefähr­li­cher Rat­ge­ber. Man dür­fe nicht über­zie­hen, nicht ein­fach Unmög­li­ches wol­len, son­dern sol­le auf dem Boden blei­ben. So geht rich­ti­ger Pazi­fis­mus heu­te, dem in gesit­tet ver­lau­fen­den Talk­shows die Damen Högl und Strack-Zim­mer­mann eini­ges Ver­ständ­nis ent­ge­gen­brin­gen dürf­ten. Wie wei­land die Rea­los der Grü­nen in ihren Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit den Fun­dis hält die ver­ant­wor­tungs­ethi­sche Kri­tik Alts einem von frü­her stam­men­den Fun­da­men­tal­pa­zi­fis­mus des­sen Flau­sen­haf­tig­keit vor. Bei der prak­ti­zier­ten Poli­tik rennt er damit offe­ne Scheu­nen­to­re ein; schließ­lich folgt sie stän­dig der Stim­me ihrer Vernunft.

Dass das jedoch aus­blei­be, bekla­gen die Gesin­nungs­ethi­ker: »Weißt du, wie viel Waf­fen ste­hen…?« Beim Zäh­len und auf dem Marsch nur und bloß für Frie­den bleibt die Unter­schei­dung zwi­schen behaup­te­ten und wirk­li­chen Kriegsgrün­den auf der Strecke. Es kommt nicht in den Blick, dass Frie­dens­zei­ten auch Krieg-Ermög­li­chungs­zei­ten sind. Z. B. doku­men­tie­ren »zivil­ge­sell­schaft­li­che« Pro­jekt­ent­wür­fe infra­struk­tu­rel­le, auch län­der­über­grei­fen­de Maß­nah­men mit Lang­zeit­wir­kung, die selbst­ver­ständ­lich mili­tä­ri­sche Auf­marsch- und Nach­schu­ber­for­der­nis­se berück­sich­ti­gen und dem­entspre­chend aus­fal­len (vgl. dazu Chri­sti­an Bun­ke, »Die Ach­sen­ma­cher«, jun­ge Welt, 07.02.2023). Kriegs­grün­de sind – Ach­tung, »Rüstungs­spi­ra­len«! – »purer Wahn­sinn«, von dem der Staat, ent­we­der ver­blen­det oder von dunk­len Mäch­ten geka­pert, gefäl­ligst zu las­sen habe, wes­halb es letz­te­ren zu sei­nem eigent­li­chen guten Wesen – gut, da er ja »der uns­ri­ge« ist – zu bekeh­ren gilt. Aktiv­wer­den äußert sich, nicht zum ersten Mal, in Über­rascht-, Ent­täuscht- und Bestürzt­sein dar­über, dass »die da oben« ein­fach nicht machen, was – »und allen Men­schen ein Wohl­ge­fal­len« – sie sollten.

Damit ist man tat­säch­lich recht weit weg von der »Welt, wie sie ist«. In die­ser birgt der Samt­hand­schuh der Diplo­ma­tie nur Erfolg, wenn in ihm die eiser­ne Faust der Kriegs­fä­hig­keit und -bereit­schaft, Hel­mut Schmidts »Posi­ti­on der Stär­ke« steckt, die auch sei­ne Amts­nach­fol­ger unbe­ein­druckt gegen die vor­mals eini­ge­re Frie­dens­be­we­gung durch­ge­setzt haben; wenn sich Ser­bi­en den Rambouillet-»Verhandlungen« nicht beu­gen moch­te, so hat­te es den Krieg nur sich selbst zuzuschreiben.

Unbe­dingt oder mit Beden­ken – man kann es sich aus­su­chen: Wie hät­ten wir den Frie­den denn nun gern?