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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Schmackhafter Verzicht

Die Hoch­glanz­bei­la­ge der Stutt­gar­ter Zei­tung (2.12.) hat dies­mal den Titel Wickert. Das ist auch so eine Mar­ke, die nicht viel bedeu­tet. Der Mann hat ein neu­es Buch geschrie­ben, und um dafür ein biss­chen Wer­bung zu machen, spa­ziert er mit »uns« durch Hei­del­berg. Das ist nun nicht wei­ter von Bedeu­tung, da man ja irgend­et­was braucht, um den Platz zwi­schen der geist­lo­sen Wer­bung mit einem »redak­tio­nel­len« Text auszufüllen.

Wir erin­nern uns, dass auch der klas­sen­be­wuss­te Bernd Riex­in­ger hier in sei­ner Glanz­zeit als Lin­ken-Vor­sit­zen­der vor­ko­chen durf­te. Es scheint den Inha­bern die­ses Blätt­chens aber nicht beson­ders geschmeckt zu haben, so ist er in der ver­dien­ten Ver­sen­kung verschwunden.

Anson­sten (1.) fin­det man dort alles, was man nicht braucht.

Anson­sten (2.) geht es bei den Rei­chen nicht ohne Stif­tun­gen, mit denen sie uns behel­li­gen. Hier geht es um eine Frau, deren Mann sein Geld mit einer Gin Mar­ke gemacht hat. Die­se meist farb­lo­se Sub­stanz wird gern zu Cock­tails ver­wen­det, passt also wun­der­bar zu den Men­schen, die sich vie­le Din­ge, um die um Herrn Wickert her­um gewor­ben wird, kau­fen kön­nen. (Hät­ten sie mal ordent­lich Steu­ern und ihre Mit­ar­bei­ter bes­ser bezahlt, das wäre des Guten genug gewe­sen, aber sie wol­len für ihre Taten auch noch das Licht dazu, das sie frü­her – beim Geld­ma­chen – gescheut haben.)

Ich hat­te mal ein blau­blü­ti­ges Halb­blut zum Kol­le­gen, des­sen ver­blie­be­nes Erbe im kul­tu­rel­len Kapi­tal bestand, sonst sah es eher mau aus, sonst wäre er aber auch nicht mein belieb­ter Kol­le­ge gewor­den. Sei­ne Lieb­lings­lek­tü­re war schon damals »Stil­voll ver­ar­men«, das hat­te so ein gefal­le­ner Graf o. ä. geschrie­ben. Nun, das The­ma ist aktu­el­ler denn je, nicht bei den Erben obi­ger Gin-Mar­ke, aber bei ande­ren. Auch für die­se weiß die StZ Rat: »So fällt ver­zich­ten leich­ter.« Wie immer, wenn es in der bür­ger­li­chen Welt ums Geld geht, sind die Psy­cho­lo­gen nahe und ihr Rat gefragt. Und so will es das Vor­ur­teil, dass ein israe­lisch-ame­ri­ka­ni­scher Psy­cho­lo­ge uns sei­ne »Pro­s­pect-Theo­rie« erklärt, die aber mit obig beschrie­be­nem Pro­spekt nichts zu tun hat, son­dern: Wir neh­men Ver­lu­ste stär­ker wahr, als Gewin­ne. Ich hof­fe, ich habe die­se nobel­be­preis­te (2002) Theo­rie rich­tig ver­stan­den. Wie immer bei die­sen Psy­cho­lo­gen wird nicht erklärt, war­um das so ist. Nun, ich weiß es, bekom­me dafür aber lei­der kei­nen Preis: Nach unten ist weni­ger Spiel­raum als nach oben. Wenn ich nur ein paar Hun­dert Euro ver­die­ne, mei­ne Strom­rech­nung sich fast ver­dop­pelt, erzeugt das natur­ge­mäß ande­re Gefüh­le, als wenn ich ein­mal Weih­nachts­geld bekom­me. Wer nichts hat, dem wird genom­men, wer viel hat, dem wird gegeben.

Ent­schei­dend ist hier der prä­fron­ta­le Kor­tex, der uns hilft, kurz­fri­sti­ge Impul­se zugun­sten lang­fri­sti­ger Zie­le zu unter­drücken. (Die beste Idee, das Abo der Stutt­gar­ter Zei­tung zu spa­ren, steht natür­lich nicht da. Oder bei der Insti­tu­ti­on zu spa­ren, der Herr Wickert sei­ne Bekannt­heit verdankt.)

Nun wird es aber ent­schei­dend: Um mit den kom­men­den Ver­lu­sten ratio­nal im Sin­ne der­je­ni­gen umzu­ge­hen, denen wir die­se ver­dan­ken, »müs­sen wir uns unse­ren Hand­lungs­spiel­raum bewusst machen und uns durch kla­res Prio­ri­sie­ren den Ver­zicht schmack­haft machen«. Na, da fühlt man sich doch rich­tig gut beraten.