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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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… und nun konkret

Anfang die­ses Jah­res gaben Ver­lag und Redak­ti­on der Zeit­schrift kon­kret Alarm. Das Blatt sei akut gefähr­det, benö­ti­ge drin­gend 2000 neue Abon­ne­ments, Geld­spen­den und Ein­la­gen in sei­ne Kommanditgesellschaft.

Wer, wie der Ver­fas­ser die­ser Zei­len, einen Teil sei­ner poli­ti­schen Mensch­wer­dung kon­kret ver­dankt, erschrickt. Die Panik mischt sich mit dem Gift von Ohn­machts­emp­fin­dung: Es ist ja nicht das erste Peri­odi­kum, das so um Hil­fe bit­ten muss. 2023 bekann­te nd.der tag, dass man vor dem Abgrund ste­he und auf Bei­trit­te zu einer Genos­sen­schaft zwecks Sanie­rung ange­wie­sen sei. Außer­halb des im enge­ren Sinn lin­ken Orbits ließ die Tita­nic mit einer ähn­li­chen Nach­richt Ret­tungs­boo­te zu Wasser.

Es wirkt ein öko­no­mi­scher Trend, der die gesam­te Print­bran­che erfasst hat. Von Bild bis zur FAZ und dem Spie­gel stür­zen die Auf­la­gen ab. Schon wird pro­phe­zeit, dass Mit­te des näch­sten Jahr­zehnts die letz­te Tages­zei­tung, die bis dahin sich über den Markt am Leben gehal­ten haben mag, ihr Erschei­nen wer­de ein­stel­len müs­sen. Übrig blie­ben dann nur noch Blät­ter im Eigen­tum von Mil­li­ar­dä­ren und Manu­fac­tum-Pro­duk­te zu Mond­prei­sen für betuch­te Abonnent(inn)en.

Es war ein­mal anders. Einst ging es kon­kret, obwohl immer von Zeit zu Zeit in Bedräng­nis, bes­ser, es hat­te sogar ein wenig poli­ti­schen Ein­fluss. Die­se Pha­se lässt sich zeit­lich und räum­lich bestim­men. Zeit­lich: von 1974, als Her­mann G. Grem­li­za Her­aus­ge­ber wur­de, bis 1990/​1991. Räum­lich: alte Bundesrepublik.

Auf die­sem Ter­ri­to­ri­um und in jenen Jah­ren hat­te kon­kret eine Art Mono­pol in der Publi­zi­stik zwi­schen der sozi­al­li­be­ra­len Frank­fur­ter Rund­schau und der weit­ge­hend iso­lier­ten orga­ni­sa­ti­ons­ge­bun­de­nen kom­mu­ni­sti­schen Publi­zi­stik. Es war eine Instanz, an deren Kri­tik sich schie­re Stim­mungs­po­li­tik, Illu­sio­nen und Oppor­tu­nis­mus bla­mier­ten. Die Maß­stä­be setz­ten Grem­li­zas all­mo­nat­li­che Kolum­nen: ein­ver­stan­den mit der Ost-West-Tei­lung der Welt, nicht als Par­tei­gän­ger von DDR und UdSSR, son­dern als Siche­rungs­ver­wah­rung gegen die Gefahr, die er von einem etwa­igen zukünf­ti­gen wie­der­ver­ei­nig­ten Groß­deutsch­land befürch­te­te, gegen Impe­ria­lis­mus, Faschis­mus, Anti­kom­mu­nis­mus, Anti­se­mi­tis­mus und Sprach­schlam­pe­rei. Bei der Wahl­ent­schei­dung zwi­schen der SPD (er gehör­te ihr lan­ge an) und Franz Josef Strauß emp­fahl er Stimm­ab­ga­be für das klei­ne­re Übel. Ope­ra­ti­ver Poli­tik war er damals kei­nes­wegs abge­neigt. Anfang der acht­zi­ger Jah­re hoff­te er auf die Grü­nen und bekann­te spä­ter, sich geirrt zu haben. 1988/​99 stell­te er kon­kret dem Ver­such zur Grün­dung einer For­ma­ti­on »Radi­ka­le Lin­ke« zur Ver­fü­gung – im Bund mit Jut­ta Dit­furth, sei­nem Freund Tho­mas Eber­mann, Rai­ner Tram­pert und anderen.

Unmit­tel­bar danach kipp­te alles. Der Zusam­men­bruch des Staats­so­zia­lis­mus löste eine mas­sen­haf­te Leser-Abwan­de­rung der soge­nann­ten undog­ma­ti­schen Lin­ken in der BRD und von Genoss(inn)en in der DDR aus, die bis­her noch nicht den pas­sen­den Vor­wand gefun­den hat­ten. Zugleich gab und gibt es jetzt zwei sozia­li­sti­sche Tages­zei­tun­gen – das Neue Deutsch­land und die jun­ge Welt (mit der Grem­li­za kur­ze Zeit einen Neu­an­fang ver­such­te). Dadurch war das bis­he­ri­ge Mono­pol von kon­kret gebro­chen. Hin­zu kam, dass sich viel klei­ne­re Blät­ter grün­de­ten und hal­ten konn­ten: ohne Chan­ce auf ein Mas­sen­pu­bli­kum, aber mit guter Blatt­bin­dung einer qua­li­fi­zier­ten Leser(innen)schaft, dar­un­ter ja auch Ossietzky.

kon­kret wur­de wei­ter gele­sen. Das lag an den Bei­trä­gen des besten Sti­li­sten unter den deut­schen Jour­na­li­sten sei­ner Zeit, der sich wie sein Vor­bild Karl Kraus zugleich als Anti-Jour­na­list ver­stand: Her­mann L. Grem­li­za. Sein Tod am 20. Dezem­ber 2019 traf das Blatt im Kern.

Es ist, wenn­gleich geschwächt, unver­än­dert die ein­zi­ge monat­lich erschei­nen­de lin­ke deut­sche Publi­kums­zeit­schrift. Wer sie an Kios­ken sucht, wird sie da und dort immer noch fin­den, wenn­gleich eher am Ran­de. Breit­bei­nig steht dane­ben Com­pact da, das Ver­laut­ba­rungs­or­gan Jür­gen Elsäs­sers, einst bei kon­kret und der jun­gen Welt, jetzt deutsch­völ­ki­scher Het­zer. Die­ses rechts­ver­scho­be­ne Kräf­te­ver­hält­nis wie­der zu ver­än­dern, bedarf es stän­di­ger Anstren­gun­gen. Noch vor­han­de­ne Posi­tio­nen soll­ten nicht geräumt wer­den. Wer es sich also lei­sten kann, jetzt kon­kret mit Abon­ne­ments, Spen­den und als Kommanditist(in) zu hel­fen, ohne ande­re Enga­ge­ments zu kün­di­gen, soll­te es bit­te tun.