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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Unser Mann an der Schranke

Kalt ist es gewor­den, er hat Hand­schu­he ange­zo­gen, ver­tritt sich die Bei­ne. Gestern haben wir ihm eine Ther­mos­kan­ne mit hei­ßem Tee gebracht. Da hat er sich gefreut. Zum Pin­keln geht er in das nahe gele­ge­ne klei­ne Hotel, in sei­ner oran­ge­far­be­nen Weste mit dem Schrift­zug »Secu­ri­ty« quer über dem Rücken.

Per Hand hebt und senkt er die rot­wei­ße Stan­ge, die, wenn nichts los ist, senk­recht zwi­schen den weni­gen Büschen neben den Park­plät­zen steht und sinn­los in den Him­mel ragt. Nur Anwoh­ner mit Park­aus­wei­sen soll unser Mann hin­ein- und herauslassen.

Die mei­sten ken­ne er schon, auch die hier in der Stra­ße arbei­ten, sagt er. Da brau­che er kaum noch hinzugucken.

Eini­ge Male im Jahr sind wir so für eine Woche vom Leben abge­schnit­ten – oder vor einem bestimm­ten Teil des heu­ti­gen Lebens geschützt. Wenn die Mes­se jen­seits der Bun­des­stra­ße ihre Pfor­ten öff­net, ist hier der Teu­fel los. Beson­ders bei der Motor-Show stür­zen sich die Auto­freaks wie die Hyä­nen auf unser Wohn­vier­tel, um Park­plät­ze zu ergat­tern. Von denen kommt doch kei­ner mit der Bahn! Frü­her fuh­ren wir, wenig­stens am Wochen­en­de, dann weg. Jetzt haben wir die Schranke.

Der Schrift­stel­ler Peter Paul Zahl schrieb in einem Roman über Jamai­ka, dass sich die Rei­chen dort mit Schran­ken ein­igeln, weil sie Angst vor den Armen haben.

Was geht es uns gut.

Der Mann kennt uns jetzt mit Namen; und auch, wenn uns Freun­de besu­chen, die kei­nen Anwoh­ner­aus­weis besit­zen, hebt er den Schlag­baum. Wenn das Hotel nicht zur Ver­fü­gung stün­de, könn­te er auch bei uns pin­keln gehen.

Unser Mann an der Schranke.