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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Wertarbeit für deutsche Touristen

Natür­lich bekommt man nie den Miet­wa­gen, den man online bestellt. Jeden­falls mir geht es so. Für einen, der zu DDR-Zei­ten sei­ne Fahr­erlaub­nis erwarb – in der Bun­des­re­pu­blik heißt dies wie einst »Füh­rer­schein«, obwohl doch ein Pla­stik­kärt­chen –, ist das kein Bein­bruch: Ein Ossi nimmt, was er kriegt. Mein vor­letz­ter Miet­wa­gen, vor Coro­na, war bei­spiels­wei­se eine Art Lie­fer­wa­gen, obwohl ich mit einem klei­nen Kom­pak­ten über die Mit­tel­meer­in­sel zu rei­sen wünsch­te. Dies­mal hat­te ich einen spa­ni­schen Klein­wa­gen geor­dert – und bekam einen deut­schen SUV. Da sträub­ten sich mir aus ideo­lo­gi­schen Grün­den die Nacken­haa­re. Erstens wei­ge­re ich mich aus Prin­zip, ein Nach­fol­ge­mo­dell aus den Her­mann-Göring-Wer­ken zu fah­ren; da beißt auch nach 76 Jah­ren bei mir kei­ne Maus den Faden ab. Und zwei­tens möch­te ich – wenn denn schon ein soge­nann­ter Ver­bren­ner unaus­weich­lich – nicht auch noch einen Pan­zer auf Rädern steu­ern. Der soll zwar fürs Gelän­de taug­lich sein, wovon es auf der Insel reich­lich gibt, aber aus ver­si­che­rungs­tech­ni­schen Grün­den durf­te das Fahr­zeug, so stand es im Klein­ge­druck­ten, nur auf Asphalt­pi­sten rol­len. Wer weiß, warum?

Ich will die­se Bemer­kung nicht län­ger machen als nötig. In Erman­ge­lung eines mir geneh­men Gefährts oder einer öffent­li­chen Bus­ver­bin­dung stieg ich in die­se klot­zi­ge Kiste – schließ­lich muss­ten wir das Gepäck und uns selbst irgend­wie ins Urlaubs­quar­tier befördern.

Sein Inne­res bestä­tig­te die alte Volks­weis­heit: außen hui, innen pfui. Sel­ten sah ich so vie­le bil­li­ge Pla­stik­tei­le auf einen Hau­fen. Eine Belei­di­gung fürs Auge wie fürs hap­ti­sche Emp­fin­den. Als grö­ße­res Pro­blem jedoch erwies sich die Schal­tung. Rück­wärts­gang und erster Gang lagen unmit­tel­bar bei­ein­an­der, und sel­ten traf man auf Anhieb den rich­ti­gen, was sich – etwa beim Halt an einem höhe­ren Aus­sichts­punkt an einer Klip­pe – als lebens­be­dro­hen­des Ärger­nis erwies. Statt zurück ging’s mit­un­ter nach vorn, wes­halb mei­ne Frau es als­bald vor­zog, erst in den Wagen zu stei­gen, wenn die­ser wie­der auf siche­rer Stra­ße stand. Und auch dort ruckel­te er gele­gent­lich beim Schal­ten, was ich aus­schließ­lich mei­ner feh­len­den Übung zuschrieb.

Das offen­bar­te sich als Irr­tum mei­ner­seits. Das Inter­net klär­te mich auf: »Ruckeln beim Anfah­ren oder Stopp-and-Go-Ver­kehr« gehö­ren bei die­sem Fahr­zeug zu den harm­lo­se­ren Pro­ble­men, hieß es bei carwiki.de. Ärger­li­cher sei eine »Gedenk­se­kun­de«, die der Motor gele­gent­lich beim Gas­ge­ben ein­le­ge, was »gefähr­li­che Situa­tio­nen« her­vor­ru­fen könne.

Da war ich aber beru­higt, dass der Wagen eine Macke hat­te und nicht ich. Obgleich er doch völ­lig neu war, der Kilo­me­ter­zäh­ler zeig­te knapp tau­send. Das jedoch schien des Pudels Kern, wie mir das Inter­net wei­ter ver­riet. »Zwar kann es sein, dass sich der erste Gang oder der Rück­wärts­gang anfangs etwas schwe­rer ein­le­gen las­sen«, beru­hig­te mich carwiki.de. »Die­se Pro­ble­me ver­schwin­den aber nach eini­gen tau­send Kilo­me­tern – das Schal­ten funk­tio­niert dann immer flüs­si­ger und besser.«

Jedoch: Ich hat­te nicht vor, die­ses Werk deut­scher Inge­nieur­kunst »eini­ge tau­send Kilo­me­ter« über die Atlan­tik­in­sel zu fah­ren. Wenn­gleich ich auch den Grund zu erken­nen mein­te, war­um aus­ge­rech­net mir die­se Kar­re ange­dreht wor­den war.

Fast emp­fand ich so etwas wie Ver­ständ­nis und Mit­leid mit dem Miet­wa­gen­an­bie­ter. An wem sonst soll­te er sich rächen?