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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Achtung, ein Prinz!

Wer den deut­schen Hoch­adel ein­mal per­sön­lich ken­nen­ler­nen möch­te, muss dafür nicht bis zu den näch­sten Bay­reu­ther Fest­spie­len war­ten. Ganz­jäh­ri­ge Begeg­nun­gen sind in bei­nah jedem zwei­ten Wald mög­lich. Man muss sich dort ein­fach nur beim Sam­meln von Bär­lauch und Brenn­holz erwi­schen las­sen. Was vie­le nicht wis­sen: Der deut­sche Wald ist größ­ten­teils Pri­vat­be­sitz und auch ein Reser­vat für die weni­gen Adli­gen, die unser Land noch hat. Das zeigt der Blick in die Vor­stän­de und Prä­si­di­en der Wald­be­sit­zer­ver­ei­ne. Im Bun­des­ver­band und in den Lan­des­stel­len tum­meln sich die Frei­her­ren, Gra­fen, Für­sten und Prin­zen – allein im bay­ri­schen Lan­des­ver­band sind es 16 Adli­ge, dar­un­ter auch ein gewis­ser Frei­herr von und zu Gut­ten­berg. Es lohnt sich also, beim näch­sten Urlaub in Fran­ken den ein oder ande­ren Knüp­pel aus dem Unter­holz zu zie­hen. Mit etwas Glück steht ein Ver­wand­ter des einst pro­mo­vier­ten ein­sti­gen Ver­tei­di­gungs­mi­ni­sters mit mah­nen­dem Fin­ger auf dem Weg und droht höf­lich mit einer Anzei­ge wegen Dieb­stahls. Denn Brenn­nes­sel, Pilz und Holz gehö­ren dem Wald­be­sit­zer. Man darf zwar oft klei­ne Men­gen für den Eigen­be­darf mit­neh­men, aber die genaue Gren­ze des­sen, was man spon­tan zur Selbst­ver­sor­gung heim­tra­gen darf, ist nicht klar defi­niert. Alles eine Ermes­sens­fra­ge also. Mit­un­ter kann es des­halb recht teu­er wer­den, im Wald auf einen Adli­gen zu treffen.

Es lohnt sich trotz­dem. Wer kann schon von sich behaup­ten, dem Her­zog von Olden­burg (im Lan­des­ver­band Schles­wig-Hol­stein, ver­wandt mit Bea­trix von Storch!) oder dem Prin­zen von Wal­deck und Pyr­mont (in Hes­sen) begeg­net zu sein? Und auch wenn ein Tref­fen im Wald aus­bleibt: Es macht schon eini­ges her, gefür­ste­tes Brenn­holz in den Kamin zu schie­ben oder sei­nen Gästen ech­te Prin­zen­pil­ze ser­vie­ren zu können.

Das Posi­ti­ve an der Wie­der­ver­ei­ni­gung ist, dass man für eine Begeg­nung mit dem Adel nicht mehr umständ­lich nach »drü­ben« rei­sen muss. Auch in Deutsch­lands Osten sind die Adli­gen wie­der hei­misch gewor­den und haben ihren Vor­kriegs­be­sitz aus dem Staats­schatz resti­tu­iert bekom­men. In Meck­len­burg sit­zen bei­spiels­wei­se ein Baron, ein Frei­herr, ein Graf, ein Rit­ter und ein Herr von Bülow im Vor­stand des Wald­be­sit­zer­ver­ban­des – der von Ulrich von Tro­tha gelei­tet wird (Tro­tha: Sie wis­sen schon, der Kerl mit dem Völ­ker­mord an den Herero).

Ähn­lich pro­mi­nent geht es in den ande­ren öst­li­chen Lan­des­ver­bän­den zwar nicht zu, aber Frei­her­ren fin­den sich zumin­dest in Bran­den­burg und Thü­rin­gen und ein ech­ter Prinz sogar in Sach­sen-Anhalt. Nun sagt das Haus derer zu Salm-Salm nicht ein­mal unbe­dingt jedem Bun­te-Leser etwas, aber lie­ber ein C-Pro­mi als gar kein Adelstitel.

Aber auch wenn dem Adel ein Groß­teil des deut­schen Pri­vat­wal­des gehört, ist es doch nicht so ein­fach, ihm in frei­er Wild­bahn zu begeg­nen. Denn die mei­sten Adli­gen haben sich auf Groß­grund­be­sitz ver­legt. Das liegt dar­an, dass bei der Abschaf­fung der Mon­ar­chie ehe­ma­li­ges Staat­land kur­zer­hand zu Pri­vat­be­sitz gemacht wur­de. Des­halb sind noch heu­te die wirk­lich gro­ßen Wald­be­sit­zer vor allem Adli­ge wie die Für­sten zu Thun und Taxis, Hatz­feld und Hohen­zol­lern. Den größ­ten zusam­men­hän­gen­den Wald in Ost­deutsch­land hält übri­gens das Haus Sach­sen-Coburg und Gotha. Wer da spa­zie­ren geht, kann so viel Brenn­holz und Pil­ze raus­schlep­pen, wie er mag. Die Wahr­schein­lich­keit, auf den Tau­sen­den von Hekt­ar den­sel­ben Tram­pel­pfad wie ein Blau­blü­ter zu benut­zen, ist doch sehr gering.

Ein Blick auf die Land­kar­te zeigt, war­um es letzt­lich sehr unwahr­schein­lich ist, beim Pil­ze­sam­meln einen Adli­gen zu fin­den. Zwar befin­det sich jeder zwei­te Wald in pri­va­ter Hand, aber mar­kiert ist das an kei­nem Baum. Bei­spiel Sach­sen: Der Wald um Leip­zig gehört der Stadt, der um Dres­den dem Land und der bei Baut­zen der Kir­che. Die Bäu­me der Säch­si­schen Schweiz gehö­ren dem Frei­staat, die der Ober­lau­sitz dem Bund. Im Vogt­land sind außer­dem noch Rest­be­stän­de der Treu­hand. Und die­se Vor­stel­lung ist ja dann doch sehr ernüch­ternd: Du spa­zierst durch die Wäl­der vom mon­dä­nen Bad Bram­bach, hältst die Augen auf nach irgend­ei­nem Prin­zen von Salm-Sonst­was – und läufst einem Treu­hän­der in die Arme!