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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Grenzüberschreitende Schlapphüte

Der Bun­des­nach­rich­ten­dienst (BND) »betei­ligt sich an einer ris­kan­ten Ope­ra­ti­on west­li­cher Geheim­dien­ste«, berich­te­te der Inve­sti­ga­ti­v­jour­na­list Georg Mas­co­lo Anfang Novem­ber in der Süd­deut­schen Zei­tung. Um die Ukrai­ne im Krieg gegen Russ­land zu unter­stüt­zen, sei­en vom BND Satel­li­ten-Bil­der und abge­fan­ge­ne Funk­nach­rich­ten der rus­si­schen Armee an die Ukrai­ne wei­ter­ge­lei­tet wor­den. Und die New York Times habe im Mai hier­zu berich­tet, dass sol­che Infor­ma­tio­nen dazu bei­getra­gen hät­ten, »rus­si­sche Gene­rä­le durch Artil­le­rie­schlä­ge zu töten und das Schlacht­schiff Mosk­va zu ver­sen­ken«, so Mas­co­lo. Dar­auf­hin habe der BND ein Rechts­gut­ach­ten zur »recht­li­chen Zustän­dig­keit von Über­mitt­lung tar­ge­ting­fä­hi­ger Infor­ma­tio­nen an die Ukrai­ne« erstel­len las­sen. Im Ergeb­nis sei damit bestä­tigt wor­den, dass die Wei­ter­ga­be sol­cher Geheim­dienst­in­for­ma­tio­nen völ­ker­recht­lich gedeckt sei und jenes Vor­ge­hen kei­nen Kriegs­ein­tritt bedeu­ten wür­de. Das Nach­rich­ten­ma­ga­zin Der Spie­gel berich­te­te hier­zu indes von »mehr als hun­dert Berich­ten, die an den ukrai­ni­schen Geheim­dienst« gegan­gen sei­en, dazu gehör­ten auch »aus abge­hör­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on gewon­ne­ne Infor­ma­tio­nen zu rus­si­schen Stellungen«.

Das Bun­des­kanz­ler­amt reagier­te prompt und beton­te hier­zu: »Die BND-Erkennt­nis­se dien­ten nicht unmit­tel­bar zur Pla­nung von Angrif­fen.« Soweit, so gut, könn­te man mei­nen, aber ganz so ein­fach ist die Sache lei­der nicht, denn wer kann schon kon­trol­lie­ren, wie, wann, wo, von wem, wel­che Infor­ma­tio­nen am Ende wofür ver­wen­det wer­den? Denn schließ­lich berich­te­te die New York Times hier­zu auch, dass Dar­ja Dugi­na, die Toch­ter des rus­si­schen Natio­na­li­sten Alex­an­der Dugi­na, die am 20. August in der Nähe von Mos­kau durch eine Auto­bom­be getö­tet wor­den ist, Opfer eines ukrai­ni­schen Atten­tats gewor­den sein könn­te. Ob dabei auch BND-Geheim­dien­st­er­kennt­nis­se eine Rol­le gespielt haben, ist nicht bekannt. Die US-Regie­rung hat­te zuvor Kiew für das Atten­tat ver­ant­wort­lich gemacht und zugleich ermahnt, dass so etwas kei­ne Zustim­mung fin­de und tun­lichst zu unter­las­sen sei.

Somit bleibt die Fra­ge nach der rechts­staat­li­chen Ver­ant­wor­tung für die Beschaf­fung und Wei­ter­ga­be solch bedeu­ten­der geheim­dienst­li­cher Infor­ma­tio­nen, was an die Cau­sa Ram­stein erin­nert. Auch hier wur­den und wer­den mit der Wei­ter­ga­be von Geheim­dienst­in­for­ma­tio­nen und der Über­mitt­lung von Droh­nen-Steue­rungs­da­ten extra­le­ga­le Tötun­gen durch­ge­führt, wofür bis­her noch immer nie­mand recht­lich zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wor­den ist. Vor die­sem Hin­ter­grund erfolg­te eine Anfra­ge an den Bun­des­nach­rich­ten­dienst mit fol­gen­den Wor­ten: »Im Mai ließ der BND die recht­li­che Zuläs­sig­keit der Über­mitt­lung ›tar­ge­ting-fähi­ger Infor­ma­tio­nen an die Ukrai­ne‹ prü­fen. Die Daten­wei­ter­ga­be soll als legal ein­ge­stuft wor­den sein. Sie bedeu­te völ­ker­recht­lich kei­nen Kriegs­ein­tritt Deutsch­lands. Hier­zu sei vom BND ein ent­spre­chen­des Gut­ach­ten erstellt wor­den, hier­mit bean­tra­ge ich die Über­sen­dung einer Kopie jenes Gutachtens.«

Die Ant­wort des BND kam prompt und war im Ergeb­nis weit­aus dürf­ti­ger als der sprich­wört­li­che Spatz in der Hand: »Vie­len Dank für Ihre Mail. Der Bun­des­nach­rich­ten­dienst nimmt jedoch zu Ange­le­gen­hei­ten, die etwa­ige nach­rich­ten­dienst­li­che Erkennt­nis­se oder Tätig­kei­ten betref­fen, grund­sätz­lich nicht öffent­lich Stel­lung. Damit ist kei­ne Aus­sa­ge getrof­fen, ob der Sach­ver­halt zutref­fend ist oder nicht. Der Bun­des­nach­rich­ten­dienst berich­tet zu ent­spre­chen­den The­men ins­be­son­de­re der Bun­des­re­gie­rung und den zustän­di­gen, geheim tagen­den Gre­mi­en des Deut­schen Bun­des­ta­ges. Wir bit­ten um Verständnis.«

Jenes Gre­mi­um, das Par­la­men­ta­ri­sche Kon­troll­gre­mi­um (PKGr), ist ein Organ des Deut­schen Bun­des­tags zur Kon­trol­le der Nach­rich­ten­dien­ste des Bun­des. Es kon­trol­liert den Bun­des­nach­rich­ten­dienst (BND), den Mili­tä­ri­schen Abschirm­dienst (MAD) und das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz (BfV). Somit bleibt zu hof­fen, dass der BND das PKGr tat­säch­lich voll­um­fäng­lich über sei­ne geheim­dienst­li­che Betei­li­gung am Krieg in der Ukrai­ne unter­rich­tet hat. Aber am Ende des Tages bleibt den­noch eine Fra­ge offen: Wer weist denn eigent­lich die BND-Schlapp­hü­te in ihre ver­fas­sungs­ge­mä­ßen Schran­ken und wer unter­rich­tet die Öffent­lich­keit über das tat­säch­li­che Aus­maß jener Vorgänge?

Der Prä­si­dent des Bun­des­nach­rich­ten­dien­stes, Dr. Bru­no Kahl, schreibt auf der Home­page des BND: »Der Bun­des­nach­rich­ten­dienst war noch nie so wich­tig wie heu­te. Gemein­sam mit unse­ren Part­nern sichern wir Frei­heit und Frie­den in Deutsch­land.« Sind Sie sich sicher, Herr Dr. Kahl, dass dann dabei auch tat­säch­lich immer alles mit rech­ten Din­gen zugeht? Eine öffent­li­che Erklä­rung hier­zu wäre wirk­lich schön! Sie wis­sen schon, ein­fach nur um schlapp­hü­tig anmu­ten­dem Fehl­ver­hal­ten vorzubeugen …