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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Der Wahlversager

Die Bun­des­tags­wahl ist geschafft. Alle Kanä­le quel­len von Sie­ger­bild­se­quen­zen über. Die Aus­wahl an Koali­tio­nen ist Schwin­del erre­gend im dop­pel­ten Wort­sinn. Beim Zap­pen tref­fe ich den Wäh­ler mut­ter­see­len­al­lein vor einer Kame­ra. Er soll zum Wahl­aus­gang Stel­lung neh­men. Er nimmt sie:

»Der heu­ti­ge Wahl­abend ist ein schwar­zer Abend für mich. Also dun­kel – nicht schwarz in dem Sin­ne. Mei­ne Nie­der­la­ge gilt es unum­wun­den ein­zu­ge­ste­hen. Das gebie­tet die Demut. Ich habe die Wahl ver­lo­ren, gar kei­ne Frage.

Sech­zehn Jah­re des Wer­bens um mei­ne Ein­sicht waren umsonst. Ich habe die Bun­des­re­gie­rung nicht ver­stan­den. Und das, obwohl Mut­ti extra lang­sam mit mir gespro­chen und ihr Ablö­ser sie an Gedan­ken­tem­po noch unter­trof­fen hat. In der Fol­ge bin ich hoff­nungs- und füh­rer­los dem Trei­ben unbe­kann­ter Mäch­te aus­ge­lie­fert. Es ist wie das Ende des Schwarz­weiß-Fern­se­hens, an das ich mich noch trau­ma­tisch erin­ne­re: Lau­ter bun­te Far­ben bre­chen über das Land her­ein, paa­ren sich am hel­len Tage mit­ein­an­der. Als hät­te es ein 1957 mit abso­lu­ter Mehr­heit für die CDU/​CSU nie gegeben.

Ich habe halt kei­ne Ahnung von Poli­tik. Und das hat die CDU/​CSU unnach­sich­tig bestraft mit dem Rück­zug von ihrer Macht über mich. Zwar redet sie mir noch gut zu, behaup­tet, am Brun­nen vor dem Tore da ste­he ein Lind­ner und träu­me für mich einen süßen Traum von Jamai­ca. Aber den ver­die­ne ich nicht. Ich habe einen glas­kla­ren Regie­rungs­auf­trag erteilt, und zwar an die Geld­wä­sche­rei Scholz & War­burg in Ham­burg, Zweig­stel­le Ber­lin. Wer so was macht, hat das Ver­trau­en der CDU auf Jahr­zehn­te ver­spielt und kei­ner­lei Anspruch mehr auf ein Bank­kon­to bei irgend­ei­ner Deut­schen Bank.

Auch das Lob dafür, dass ich die Lin­ke hal­biert habe, ver­die­ne ich nicht. Denn mei­ne lin­ken Leih­stim­men für SPD und Grü­ne haben der CDU erst den Todes­stoß ver­setzt. Und das Aller­per­fi­de­ste an mir bei mei­ner Leih­stim­men­kam­pa­gne war: Die erwart­ba­re Poli­tik einer neu­en, Rot­grün geführ­ten Bun­des­re­gie­rung (mit Hepa­ti­tis L) wird den Stim­men­an­teil der Lin­ken bei der näch­sten Bun­des­tags­wahl ver­fünf­fa­chen! Abge­se­hen davon, dass die Lin­ke ab sofort vier Jah­re lang die Oppo­si­ti­ons­rol­le allein spie­len darf, ohne von einer ande­ren Par­tei dar­in gestört zu werden.

Fazit: Ein Wäh­ler, der sich der­art gra­vie­ren­de Wahl­schnit­zer erlaubt, hat das Recht auf die poli­ti­sche Mit­wir­kung der Par­tei­en an sei­nem Wahl­zir­kus ver­wirkt und wird zu vier Jah­ren poli­ti­scher Untä­tig­keit verurteilt.«