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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Passendes Outfit für die Demo

Im deut­schen Bun­des­tag gibt es 736 Abge­ord­ne­te, dar­un­ter ist kein Arbei­ter. Jeweils knapp über hun­dert sind Beam­te, Ange­stell­te im Öffent­li­chen Dienst, Ange­stell­te in der Wirt­schaft. Der Rest ist selb­stän­dig tätig oder Mit­ar­bei­ter von Orga­ni­sa­tio­nen. Damit die Arbei­ter, die heu­te im Par­la­ment feh­len, aber im Reichs­tag zu Kai­sers Zei­ten durch­aus ver­tre­ten waren, ordent­lich etwas her­mach­ten, reg­te August Bebel an, dass sie Anzü­ge aus der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Frak­ti­ons­kas­se bezahlt bekamen.

Es gibt heu­te außer­halb der Bun­des- und Län­der­par­la­men­te vie­le poli­tisch agie­ren­de Arbei­te­rin­nen und Arbei­ter, und sie tra­gen seit gerau­mer Zeit rote und oran­ge Westen, man­che auch Hel­me. Bei der außer­par­la­men­ta­risch agie­ren­den Jugend domi­nie­ren Ano­raks und T-Shirts, Turn­schu­he sowieso.

Die Bun­des­po­li­zei hat aller­dings jetzt zusätz­li­che Fein­hei­ten ent­deckt. Sie hat sich bei­spiels­wei­se auf eine anti­fa­schi­sti­sche Demo in Bre­men am 31. Mai vor­be­rei­tet, indem sie die Nord­west­bahn anwies, durch das Zug­per­so­nal her­aus­zu­fin­den, was da auf Bre­men zuroll­te. Das Hil­fe­er­su­chen lau­te­te: »Laut Bun­des­po­li­zei sind lin­ke Per­so­nen an fol­gen­den Merk­ma­len bzw. Aus­se­hen zu erken­nen: Alter­na­ti­ves Auf­tre­ten bzw. Aus­se­hen, evtl. mit Dre­ad­locks, links ori­en­tiert, beson­ders häu­fig auch Stu­den­ten, Per­so­nen, die der ›Öko-Sze­ne‹, ›Grü­nen-Sze­ne‹ oder Gene­ra­ti­on-Z zuzu­ord­nen sind.«

Das Zug­per­so­nal soll­te dem­nach Per­so­nen an die Betriebs­zen­tra­len und wei­ter an die Poli­zei mel­den, auf die die­se Beschrei­bun­gen pass­ten und die in Rich­tung Bre­men unter­wegs waren. Und von denen dann in Bre­men von der Poli­zei etli­che kräf­tig ver­hau­en wur­den, und zwar mit Knüp­peln und mit Quarz­hand­schu­hen. Stun­den­lang wur­den sie ein­ge­kes­selt und ein­ge­sperrt. Und war­um? Sie pro­te­stier­ten gegen ein Urteil gegen Leip­zi­ger Anti­fa­schi­sten, die die Kör­per von Nazis ver­letzt haben sol­len und somit eine »Kri­mi­nel­le Ver­ei­ni­gung« wur­den (der Titel wird der­zeit häu­fig vergeben).

In Bay­ern lern­te ich anti­fa­schi­sti­sche Demon­stran­tin­nen in Dirndl und Demon­stran­ten in Leder­ho­sen ken­nen. Die Tricks aus Nord­deutsch­land kann­ten sie schon lan­ge. Und so rei­sten sie ent­spre­chend geklei­det zu Aktio­nen in Mit­ten­wald an, um gegen die Gebirgs­jä­ger­tra­di­tio­na­li­sten zu demon­strie­ren, unter denen sich ech­te Kriegs­ver­bre­cher befan­den. Die Poli­zei kes­sel­te man­che Demon­stran­ten ein, wei­te­re Gewalt und Ver­let­zun­gen gab es bei jenen regel­mä­ßi­gen Pfingst­tref­fen jedoch nicht. Aller­dings gab es Belei­di­gun­gen durch Pas­san­ten, die Ange­hö­ri­gen von NS-Opfern zurie­fen: Man hat ver­ges­sen, Euch zu ver­ga­sen. Oder: Ihr seid von ARD-Sen­dern wie NDR und WDR bezahlt. Man hat­te sich gewun­dert, dass Mit­ten­wald im Fern­se­hen zu sehen war, und wie.

Doch Klei­der­ord­nun­gen blei­ben für Ver­samm­lun­gen wei­ter ein The­ma. Das Ver­samm­lungs­recht von NRW ver­bie­tet neu­er­dings Uni­form­ähn­li­ches. Alle in Schwarz? Ver­däch­tig! Vie­le in roten und oran­gen Westen? Da ist die Poli­zei vorsichtig.

Also Demon­stran­tin­nen und Demon­stran­ten: Kauft rote Westen und Hel­me! Und eben auch Dirndl und Leder­ho­sen. Und der Gene­ra­ti­on Z – das sind die nach 1995 gebo­re­nen und nur mit Digi­ta­lem ver­trau­ten Men­schen – ist zu raten: Macht Euch älter, bringt graue Perücken mit.