Im Rahmen des Magazins »Akte 20.19 Spezial« zeigte der private deutsche TV-Sender SAT.1 am 7. August dean Film »Roma: Volk zwischen Armut und Angeberei«, ein übles antiziganistisches Machwerk.
Auf der Website des Senders und in der Mediathek wurde der Beitrag so angekündigt: »Enkeltrick, Schock-Anrufe und Teppichbetrug – kriminelle Familienclans erbeuten Millionen in Deutschland, indem sie ahnungslose Rentner mit perfiden Tricks um ihr Vermögen bringen. Diese Großfamilien ruinieren den Ruf eines ganzen Volkes, denn häufig handelt es sich um Roma. Doch nur ein Bruchteil der Roma ist kriminell. Die Mehrheit der rund 12 Millionen europäischen Mitglieder des Volkes lebt in bitterer Armut.«
Wollen die Filmemacher die »Mehrheit« gegen unberechtigte Verdächtigungen in Schutz nehmen? Haben sie Mitleid mit den in bitterer Armut Lebenden? Keineswegs. Sie stellen die »kriminellen Clans« und die in bitterer Armut Lebenden (unter Auslassung der vielen, die leben und arbeiten wie die meisten nicht der Minderheit angehörenden Bürger) nur gegeneinander, um sie alle als Gefahr darzustellen. Eine Gefahr für deutsche Rentner, die durch den »Enkeltrick« um ihre Ersparnisse gebracht werden könnten. Eine Gefahr für jeden Besitzenden, der skrupellos betrogen und bestohlen werden könnte. Eine Gefahr für Immobilienbesitzer, deren Häuser oder Eigentumswohnungen an Wert verlieren, sobald Roma in der Nachbarschaft wohnen. Eine Gefahr für Ladenbesitzer, die glauben, sich gegen Roma-Kinder mit vermuteter Klau-Absicht mittels Gaspistole, Kampfmesser und Schlagstock zur Wehr setzen zu müssen, »um zu überleben«. Eine Gefahr für alle, die ihre geordneten Verhältnisse bedroht sehen, nicht durch zunehmende rassistische Gewalt, sondern durch zugewanderte Roma. Denn die kommen, so suggeriert es der Film, von den rumänischen Müllhalden. Nur deshalb wird die Armut thematisiert, die unmenschlichen Lebensbedingungen, der Dreck, das Ungeziefer, die Krankheiten der Kinder. »Zusammen mit Kindern, Enkeln, Schweinen und Ratten« lebe er hier, wird ein Bewohner der Müllhalde übersetzt. Die Ratten werden in Großaufnahmen gezeigt, eine Mutter beklagt, die Tiere würden groß wie Katzen und wimmelten des Nachts um die schlafenden Kinder. »Jeden Tag muss Sido mehrere Nager töten«, erfährt man. »Ihnen wie ihm geht es ums nackte Überleben.« Ihnen wie ihm … Dann Schnitt: Duisburg-Marxloh. Ratten im Hof eines heruntergekommenen Hauses, das an Roma vermietet wurde. Es wird nicht gefragt, welche kriminellen Deutschen solche Häuser an Roma-Familien vermieten und warum die Behörden nicht einschreiten, sondern: »Die sind das so gewohnt« – von der heimatlichen Müllhalde. Romani Rose, Präsident des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, hat die Machart des Films mit der des berüchtigten antisemitischen Hetzfilms »Jud Süß« verglichen, den der NS-Propagandaminister Goebbels drehen ließ, um in den Gehirnen der Zuschauer die Assoziation Juden = Ratten zu verankern. Wie Rose in einer Pressemitteilung feststellt, »durchziehen den SAT.1-Film immer wieder Sequenzen, in denen Roma in unterschiedlicher Weise mit Ratten in Zusammenhang gebracht werden, insbesondere die Wohnsituation in den Ghettos in Rumänien wird so charakterisiert. Damit wird gleichzeitig diese menschenunwürdige Situation als vorgeblich der Mentalität von Roma entsprechende Lebensweise dargestellt – ohne den der desolaten Lage großer Teile der Roma-Bevölkerung zugrundeliegenden massiven Rassismus in ihren Heimatländern als Ursache zu benennen.«
Auch die jahrhundertelange Ausgrenzung der Sinti und Roma durch die deutsche Gesellschaft und deren Folgen kommen in dem Film nicht zur Sprache. Mit den rassistischen Ursachen will man sich nicht beschäftigen, man schiebt die Verantwortung für die tief verankerten Vorurteile lieber der Minderheit selbst zu: »Diese Großfamilien ruinieren den Ruf eines ganzen Volkes.«
»SAT 1 wie seit geraumer Zeit spiegel-tv wollen offenbar zunehmend rassistische Beiträge als Alleinstellungsmerkmal für sich reklamieren, und sie bedienen mit derartigen Beiträgen dezidiert rechtsextreme Positionen.« So die Pressemitteilung des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma vom 8. August. »Sie tragen damit direkte Verantwortung für die zunehmende Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft.« Romani Rose forderte die Landesanstalt für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) auf, die Inhalte des Beitrags zu prüfen. Darüber hinaus kündigte er an, der Zentralrat werde über diese SAT.1-Produktion auch das Sekretariat des Europarates zum Rahmenschutzabkommen für nationale Minderheiten informieren.