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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Vorauseilender Ungehorsam

Wie bei vie­len Ver­an­stal­tun­gen wird auch beim RUDOL­STADT-Festi­val, einst Tanz­fest, ein Blick zurück gewor­fen. Die Histo­rie von Instru­men­ten und die Geschich­te von Arbei­ter- und Volks­lie­dern stan­den bis­her meist im Mit­tel­punkt. 2019 ist man gehal­ten, an den Umbruch vor 30 Jah­ren zu erin­nern. Aus die­sem Grun­de stell­te der Chri­stoph Links Ver­lag mit sei­nem namen­ge­ben­den Ver­le­ger den Band »Kein Land in Sicht – Gesprä­che mit Lie­der­ma­chern und Kaba­ret­ti­sten der DDR« von Micha­el Kleff und Hans-Eckardt Wen­zel im klei­nen, also über­füll­ten Klub­thea­ter vor. Die bei­den Her­aus­ge­ber sind Tanz­fest-Urge­stei­ne. Ihr Buch ver­eint gut zwei Dut­zend Künst­ler­sich­ten aus den Jah­ren 1990 und 1992 – mit einem Vor­wort von Kleff und dem Wen­zel-Essay »Unser Lied die Län­der­gren­zen über­fliegt«. Dass in der Zeit von – oft oppor­tu­ni­stisch gefärb­ten – Rück­schau­en Ori­gi­nal­do­ku­men­te ihre eige­ne Wahr­heit haben, wur­de bei die­ser Buch­pre­mie­re deutlich.

Weil es zu jedem Festi­val auch ein beson­ders beach­te­tes Gast­land gibt, ist die dies­jäh­ri­ge Wahl – näm­lich Iran bezie­hungs­wei­se des­sen histo­ri­scher Vor­gän­ger Per­si­en – bemer­kens­wert. Wur­de dies doch vor über einem Jahr beschlos­sen, als Trump noch Nord­ko­rea zürn­te und das Atom­ab­kom­men mit dem Iran noch als beschlos­sen galt. Qua­si in vor­aus­ei­len­dem Unge­hor­sam hat­ten die Festi­val­ma­cher das bedeu­ten­de Musik­land zum dies­jäh­ri­gen Favo­ri­ten erko­ren. Kri­tik an dem ideo­lo­gisch fer­nen Land wird nicht ver­schwie­gen: Mul­lah-Regime, Dis­kri­mi­nie­rung von Frau­en, Zen­sur, Hin­rich­tun­gen – nein, nicht die im Todes­ur­teil-Trump­land sind gemeint. Iran hat vor allem eines zu sein: Schur­ken­staat Nr. 1.

Nun wohnt in Rudol­stadt ein über­aus rüh­ri­ger Ire namens Karol, der nicht nur die all­jähr­li­che grü­ne Erleuch­tung der Hei­decks­burg, des Stadt­wahr­zei­chens, anreg­te, zum Festi­val die Ein­rich­tung eines iri­schen Pubs besorg­te und alle Welt berei­ste. Der sprach kürz­lich öffent­lich auch über den Iran. Und er sag­te das, was ich schon von allen, wirk­lich allen Iran-Rei­sen­den hör­te: Im Iran lebe ein über­aus hilfs­be­rei­tes, gast­freund­li­ches, gebil­de­tes Volk, wenn man dafür nicht gar den Super­la­tiv nut­zen müss­te. Bleibt die Fra­ge: Wer hat es erlaubt, in der neu­en Kon­fron­ta­ti­ons­zeit den Iran zu ehren?