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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Aber Krause ist kein Krüppel

Bir­git Breu­el, die nach Det­lev Kar­sten Roh­wed­ders Ermor­dung Ostern 1990 selbst Treu­hand­prä­si­den­tin wur­de, nahm in ihr öffent­li­ches Tage­buch »Treu­hand intern« als des­sen Ver­mächt­nis ein Inter­view auf, das ihr Vor­gän­ger drei Mona­te vor sei­nem Tod der Welt gab: Er möch­te, so erklär­te Roh­wed­der dort, dass »die Men­schen in der frü­he­ren DDR mög­lichst rasch aus ihrer mate­ri­el­len Infe­rio­ri­tät her­aus­ge­führt werden«.

Das woll­te auch der DDR-Staats­se­kre­tär Gün­ther Krau­se, der – das soll­ten ihm die Ost­deut­schen nie ver­ges­sen – gemein­sam mit Wolf­gang Schäub­le am 29. August 1990 den Eini­gungs­ver­trag unter­schrieb. »Ich freue mich«, ver­kün­de­te er kurz zuvor im Fern­se­hen, »schon dar­auf, nach dem 1. Juli mit mei­nen Kin­dern jeden Abend eine Büch­se Ana­nas essen zu kön­nen. Die wird dann näm­lich ganz bil­lig sein.«

Doch die Welt bohr­te damals tie­fer, sie frag­te den Treu­hand-Prä­si­den­ten, ob es im Osten noch eine ande­re Infe­rio­ri­tät als die mate­ri­el­le gebe: »Sind die ›Hir­ne‹, die Denk­werk­zeu­ge beschä­digt? Gibt es gei­sti­ge Defor­ma­tio­nen?« Roh­wed­der bejah­te: »40 Jah­re lang eine gan­ze Gene­ra­ti­on oder andert­halb durch Kin­der­gär­ten, Grund­schu­len, wei­ter­füh­ren­de Schu­len, Uni­ver­si­tä­ten und dann durch ein Berufs­le­ben hin­durch in einem kom­mu­ni­sti­schen System gelebt zu haben, dann sind Dimen­sio­nen des nor­ma­len Den­kens ver­lo­ren gegan­gen. Das Wort Defor­ma­ti­on bedeu­tet, dass die Men­schen nur ver­krüp­pelt sind in der Wei­te ihrer Lebens­er­fah­rung. Alles war gefil­tert und muss­te durch das Nadel­öhr des Marxismus-Leninismus.«

Gün­ther Krau­se ging nicht durch das Nadel­öhr. Er hat lebens­lang nor­mal gedacht. Krau­se wur­de in Bonn ein nor­ma­ler Bun­des­ver­kehrs­mi­ni­ster – in der Qua­li­tät unun­ter­scheid­bar vom Gegen­wär­ti­gen. Er ver­scher­bel­te die ost­deut­schen Auto­bahn­rast­stät­ten an eine pri­va­te Hotel­ket­te in Hol­land. Er schuf sich für 1,9 Mil­li­ar­den eine eige­ne Ost­see­au­to­bahn, die ihn fast vor sei­ne Haus­tür führ­te, er lei­ste­te sich die Umzugs­af­fä­re und die Putz­frau­en­af­fä­re und lei­ste­te uns allen den Offen­ba­rungs­eid wegen einer mil­lio­nen­schwe­ren Insolvenz.

Dann aber muss er sei­ne all­abend­li­che Büch­se Ana­nas samt dem Dosen­blech ver­schlun­gen haben: Er ließ sich vom Dep­pen­fern­se­hen RTL in des­sen Dschun­gel­camp (»Hol mich hier raus!«) ein­la­den. Nach dem ersten Tag an sei­nem Ziel­ort gab er auf und wur­de krank. Die Dia­gno­se stell­te der Spie­gel: »Hei­ke Krau­se-Augu­stin steht seit der Pri­vat­in­sol­venz ihres Man­nes vor eini­gen Jah­ren für die Fami­li­en­ge­schäf­te ein – ist nun aber womög­lich selbst zah­lungs­un­fä­hig. Augu­stin-Krau­se soll gezwun­gen wer­den, einen Offen­ba­rungs­eid zu lei­sten. Die Ehe­frau des CDU-Poli­ti­kers hat­te den Kauf­ver­trag über 500.000 Euro für ein gro­ßes Haus auf der Meck­len­bur­gi­schen Seen­plat­te unter­schrie­ben, das Geld hat die Ver­käu­fe­rin nie erhal­ten. Nun stellt sich her­aus, dass Krau­se-Augu­stin im Jahr 2013, als ihr Mann in die Pri­vat­in­sol­venz ging, außer­dem auf Pump eine luxu­riö­se Vil­la an der spa­ni­schen Mit­tel­meer­kü­ste erwor­ben hat.«

Bleibt zu hof­fen, dass alle ande­ren Ost­deut­schen defor­miert und ver­krüp­pelt geblie­ben sind und die Dimen­sio­nen des nor­ma­len Den­kens nie errei­chen werden.