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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Armenien und die Rechten

Die paar abstru­sen rech­ten Gestal­ten, die da in Coro­na-Zei­ten in Sim­me­ring auf und abge­hen oder sich am Hel­den­platz zusam­men­rot­ten, ver­su­chen nach und nach, in grö­ße­ren Zusam­men­hän­gen skan­die­rend zu den­ken. Das »chi­ne­si­sche Virus« und der Umgang der Regie­run­gen mit der Pan­de­mie sowie den Aus­wir­kun­gen der­sel­ben auf die Volks­ge­sund­heit sind für die eine oder ande­re Haus­frau mit ihrem bier­trin­ken­den Mann im Schlepp­tau die Ein­übung in eine welt­po­li­ti­sche Dimen­si­on des rech­ten Denkens.

So haben es die geschei­te­ren Geschei­ter­ten unter ihnen, die Intel­lek­tu­el­len der Inne­ren Par­tei ger­ne, auf ihre »Pro­los« (Orwell) ist Ver­lass. Ver­schwö­rungs­theo­rien sind gut für den Kreis­lauf und brin­gen das Blut in Wal­lung. Kei­ne Mas­ke zu tra­gen, das bedeu­tet auch mehr Sau­er­stoff und lässt den Intel­lekt der Bier­trin­ker zur Hoch­form auf­lau­fen. Längst ist nicht mehr nur von Vas­zi­nen die Rede, es geht um den bevor­ste­hen­den Unter­gang des Abend­lan­des. Unter Anlei­tung der Vor­den­ker der Inne­ren Par­tei (Orwell) erwei­tert sich der Hori­zont über Sim­me­ring hin­aus bis in den Kau­ka­sus, einer der letz­ten Bastio­nen des christ­li­chen Abend­lan­des, bedroht und bela­gert von tür­ki­schen Hor­den und Islamisten-Söldnertrupps.

Die­se mar­tia­li­sche Defi­ni­ti­on von Kul­tur­kampf trifft vor allem auf das trau­ri­ge Schick­sal der Arme­ni­er zu, der ersten christ­li­chen Nati­on der Welt. Die­se befin­den sich tat­säch­lich in einem Kul­tur­kampf, weil es um die Ret­tung ihrer Exi­stenz geht, um die Bewah­rung ihrer Kul­tur, die jedoch – und hier irren die Rechts­ra­di­ka­len aus Sim­me­ring – eben nicht mar­tia­lisch, son­dern von christ­li­chen Tra­di­tio­nen wie Tole­ranz oder men­schen­freund­li­cher Intel­li­genz geprägt ist, den Tugen­den und Wer­ten der »Weich­ei­er«, wie die Ret­ter des Abend­lan­des im fer­nen, Coro­na-geknech­te­ten »Alt­reich« konstatieren.

Bis­her ist es für die Arme­ni­er im aktu­el­len Kara­bach-Kon­flikt tat­säch­lich blöd gelau­fen, was hat­ten die Nach­fah­ren des sagen­um­wo­be­nen Stamm­va­ters »Hayk«, der älter ist als jeder »Tuis­co« oder che­rus­ki­sche Her­mann. den isla­mi­sti­schen Hor­den auch schon ent­ge­gen­zu­set­zen? Aus­ge­rech­net von den Rus­sen, die­sem min­der­wer­ti­gen sla­wi­schen Volk muss­ten sie sich ret­ten las­sen. Für die öster­rei­chi­schen Rech­ten, ob für die Pro­los oder die Mit­glie­der der Inne­ren Par­tei ist das natur­ge­mäß ein Skan­dal und ein wei­te­rer Hin­weis auf den Unter­gang des Abend­lan­des, der nicht mehr nur bevor­steht, son­dern längst im Gan­ge ist – gro­tes­ker­wei­se haben sich jetzt auch ein paar fun­da­men­ta­li­sti­sche Opus-Dei-Jün­ger und kon­ser­va­ti­ve Anthro­po­so­phen hin­zu­ge­sellt. Der­sel­ben Mei­nung sind sogar die von den ari­schen Rech­ten unter ihre Fit­ti­che genom­me­nen Kleins­la­wen (Tsche­chen, Polen etc.), die ja auch ihre Pro­ble­me mit den großsla­wi­schen Rus­sen hat­ten und haben und als natio­na­le Enti­tät eben­so klein­di­men­sio­niert sind wie die Arme­ni­er, die am äußer­sten Rand, an der vor­der­sten Front des unter­ge­hen­den Abend­lan­des gera­de noch exi­stie­ren. So ist der Exi­stenz­kampf der ur- oder pro­to-ari­schen Arme­ni­er ein Fanal und exem­pla­risch für die rechts­in­tel­lek­tu­el­len Inter­na­tio­na­li­sten unter den hane­bü­che­nen und viel zu kurz zum Bei­spiel gegen Kanz­ler Kurz den­ken­den Sim­me­rin­ger Prolos.

Der Feind des Abend­lan­des ist eben nicht ein schein­hei­li­ger christ­lich-sozia­ler Bun­des­kanz­ler mit­ten im Stimm­bruch (O-Ton in Bur­schen­schaf­ter­krei­sen), der Feind, in grö­ße­ren Dimen­sio­nen gedacht, ist der men­schen- und kul­tur­ver­ach­ten­de Isla­mis­mus. Schön und gut, das mag wohl stim­men, der isla­mi­sti­sche Stumpf­sinn ist ja im wahr­sten Sinn des Wor­tes töd­lich. Was aber wird von den rech­ten Recken oder den listi­ge­ren Denk­sport­lern und Rhe­to­rik-Freaks als Alter­na­ti­ve ange­bo­ten? Offi­zi­el­le Ver­tre­ter der AfD bie­ten den Arme­ni­ern Söld­ner­kon­tin­gen­te an und betei­li­gen sich an der chau­vi­ni­sti­schen Auf­rü­stung der vom Chri­sten­tum ver­weich­lich­ten Bluts­brü­der im hei­li­gen »Hay­stan«, dem Land des Hayk. Der Vor­teil ist, und das beru­higt auch die Pro­los in Sim­me­ring, dass ihre Füh­rer und Vor­den­ker, selbst die aus kleinsla­wi­schem Geblüt (Hojac, Nawra­til und wie sie alle hei­ßen), immer recht haben, und das kommt ja, gemäß dem Haus­frau­en­ver­stand der Coro­na-Revo­luz­zer, eben von »Rechts«. Hin­zu kommt, fast neben­bei, dass man mit dem Stich­wort »Tür­ken­be­la­ge­rung« bei den Arme­ni­ern in offe­nen Wun­den rührt. Somit kön­nen sie sich der rit­ter­li­chen Faschi­sten oder Austro­fa­schi­sten kaum erweh­ren, die sie nach ihrer Façon ret­ten wollen.

Bevor die­se ras­si­sti­schen, zum Teil mafiö­sen Strö­mun­gen höhe­re Wel­len zu schla­gen begon­nen hat­ten, in der ersten Zeit der von der Sowjet­uni­on unab­hän­gig gewor­de­nen Repu­blik ab 1990, hat­te eine aus­glei­chen­de Nach­bar­schafts­po­li­tik auf ver­nünf­ti­ger wirt­schafts­po­li­ti­scher Basis für Arme­ni­er in die­ser sen­si­blen Kau­ka­sus-Regi­on ganz gut zu funk­tio­nie­ren begon­nen. Die deut­schen Kreuz­rit­ter mit ihrer Sim­me­rin­ger Rhe­to­rik kip­pen aber dann doch – »Gott sei Dank« – oft wie­der ins Lächer­li­che und fal­len immer wie­der von ihren deut­schen Heng­sten und Stu­ten. Die Arme­ni­er haben schon vie­les mit Stolz und Witz über­lebt, hof­fent­lich auch den Ansturm des rit­ter­li­chen Stumpf­sinns aus dem christ­li­chen Abend­land. Immer­hin gehört die Hei­li­ge Coro­na als Patro­nin des Gel­des, der Metz­ger und Schatz­grä­ber ja der gan­zen Christenheit.