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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Benkos Reich wackelt

Das Immo­bi­li­en­im­pe­ri­um von René Ben­ko steckt, seit­dem die Zin­sen stei­gen, in immensen Schwie­rig­kei­ten. Allein in Ham­burg ste­hen meh­re­re Bau­stel­len, dar­un­ter der Pre­sti­ge­bau, der 200 Meter hohe Elb­tower, sowie eine Ein­kaufs­pas­sa­ge am Gän­se­markt, still. Aus dem Nichts hat­te der Öster­rei­cher René Ben­ko ein Groß­kon­zern auf­ge­baut und sich mit dem Kauf von Kar­stadt und dem Zusam­men­schluss mit Gale­ria Kauf­hof auch noch zum Herrn der Kauf­häu­ser im Land gemacht.

René Ben­ko ist Öster­rei­cher und wur­de als Sohn eines Gemein­de­be­dien­ste­ten und einer Erzie­he­rin am 20. Mai 1977 in Inns­bruck gebo­ren. Im Alter von 17 Jah­ren lern­te er in einem Unter­neh­men eines mit ihm befreun­de­ten Bau­mei­sters die Immo­bi­li­en­bran­che ken­nen. Er ver­ließ die Schu­le, da er wegen zu vie­ler Fehl­zei­ten kei­ne Chan­ce hat­te, zum Abitur zuge­las­sen zu wer­den. Recher­chen zufol­ge durch­lief Ben­ko dar­auf­hin die Schu­lun­gen des Finanz­dienst­lei­sters AWD – heu­te Swiss Life Sel­ect Deutsch­land – mit Fir­men­sitz in Han­no­ver. Das ist ein »Finanz­be­ra­ter«, der – gegen Pro­vi­si­on, ver­steht sich – Ver­si­che­run­gen, Kapi­tal­an­la­gen und Immo­bi­len-Finan­zie­run­gen vermittelt.

Die Finanz­zeit­schrift For­bes, mit Sitz in Jer­sey City, US-Bun­des­staat New Jer­sey, schätz­te 2021 Ben­kos Ver­mö­gen auf 5,6 Mil­li­ar­den Dol­lar; das mach­te ihn zum dritt­reich­sten Öster­rei­cher. Dabei war sein Ver­mö­gen bei der Über­nah­me von Kar­stadt 2014 vom öster­rei­chi­schen Wirt­schafts­ma­ga­zin Trend erst mit 850 Mil­lio­nen Euro bezif­fert worden.

Nach sei­nem Auf­stieg vom Schul­ab­bre­cher zum Mil­li­ar­där mit immer mehr Groß­bau­stel­len in Euro­pa droht jetzt der gro­ße Fall. Zahl­rei­che pro­mi­nen­te Inve­sto­ren haben sich an Ben­kos Unter­neh­mens­grup­pe »Signa« betei­ligt, und die üben jetzt Druck auf ihn aus. So wur­de der 3. Novem­ber 2023 für Ben­ko zum Schwar­zen Frei­tag, weil er sich aus sei­nem eige­nen Kon­zern zurück­zie­hen muss­te. Der Insol­venz­ver­wal­ter Arndt Gei­witz hat als Bera­ter die Unter­neh­mens­grup­pe Signa durch­leuch­tet. Nach dem Wil­len der Geld­ge­ber soll Glei­witz die Stimm­rech­te Ben­kos über­neh­men und das gesam­te Unter­neh­men neu ord­nen und auf­stel­len. Den Inve­sto­ren ist bekannt, dass eine Sanie­rung außer­halb einer Insol­venz in Eigen­re­gie sehr schwie­rig ist.

Die Signa-Grup­pe hat ihren Sitz in Inns­bruck und ist nur schwer zu durch­schau­en. Zum Unter­neh­men zäh­len nicht nur Immo­bi­li­en, son­dern auch Han­dels­un­ter­neh­men und Medi­en. So ist der Kon­zern auch an der öster­rei­chi­schen Tages­zei­tung Kurier mit 24,22 Pro­zent betei­ligt und hält an der öster­rei­chi­schen Bild­zei­tung mit Namen Kro­ne 24,5 Prozent.

Mit sei­ner sozia­len Intel­li­genz konn­te der Tiro­ler Ben­ko Finan­ziers an sich bin­den. Den Rest taten die Schlüs­sel sei­nes Fer­ra­ris, die er bei Bespre­chun­gen gekonnt auf dem Tisch dra­pier­te. Er hat auch die Fähig­keit, kom­ple­xe Sach­ver­hal­te in ein­fa­cher Spra­che zu ver­mit­teln. Sei­ne Ein­la­dun­gen zum Törg­ge­len – ein Süd­ti­ro­ler Mit­tags­es­sen – waren häu­fig eine Zusam­men­kunft der Wie­ner Gesell­schaft. Auch zur Poli­tik knüpf­te er zahl­rei­che Fäden.

Der sonst so öffent­lich­keits­scheue Ben­ko hielt selbst zum ehe­ma­li­gen SPÖ-Kanz­ler Alfred Gusen­bau­er sowie zum jüng­sten Bun­des­kanz­ler der Öster­rei­chi­schen Volks­par­tei, Seba­sti­an Kurz, Kon­takt. Kei­ne Berüh­rungs­äng­ste gab es zu Heinz-Chri­sti­an Stra­che von der braun­ge­färb­ten Frei­heit­li­chen Par­tei Öster­reich, die ein­mal vom Kärt­ner Lan­des­haupt­mann Jörg Hai­der zur Blü­te geführt wur­de, bevor der in sei­nem PKW, stark alko­ho­li­siert, bei einem Ver­kehrs­un­fall ums Leben kam. So waren auch Poli­ti­ker der drei öster­rei­chi­schen Par­tei­en hilf­reich bei Ben­kos Auf­stieg zum Macher in der Immobilienbranche.

Heu­te sind die Ban­ken und Inve­sto­ren auf­grund der intrans­pa­ren­ten Struk­tur von Signa offen­bar nicht mehr bereit, neue Mit­tel ein­zu­schie­ßen. Die Mit­in­ve­sto­ren haben jüngst das Ver­trau­en in Ben­ko ver­lo­ren, da sich die Kri­se im Signa-Impe­ri­um zuge­spitzt hat­te. Schwie­rig wur­de die Lage auch dadurch, weil die Euro­päi­sche Zen­tral­bank Signa ins Visier genom­men hat­te und Ban­ken zu mehr Vor­sicht anmahnte.

Die Signa-Pro­ble­me wur­den in den letz­ten Wochen unüber­seh­bar. Wegen nicht bezahl­ter Rech­nun­gen sind die Arbei­ten an ver­schie­de­nen Pro­jek­ten inzwi­schen zum Still­stand gekom­men: Die Arbei­ten am Ham­bur­ger Elb­tower ruhen, in Düs­sel­dorf sind am Car­sch-Haus, ein Standt­ort des KaDe­We-Impe­ri­ums, und in Stutt­gart an der König­stra­ße die Arbei­ten ein­ge­stellt; in Ham­burg erfolg­te eine Unter­bre­chung der Arbeit an der Gän­se­markt-Pas­sa­ge, ehe­mals Axel-Cäsar-Springer-Passage.

Bereits im März die­ses Jah­res hat­te Signa die Hälf­te der Ber­li­ner KaDe­We-Immo­bi­lie an den thai­län­di­schen Geschäfts­part­ner der Cen­tral Group ver­kauft, die die Waren­häu­ser betreibt. Der Ham­bur­ger Mil­li­ar­där Klaus-Micha­el Küh­ne, der sei­nen Wohn­sitz in der Schweiz hat, inve­stier­te bei der Immo­bi­li­en­fir­ma Signa Prime und hat­te einen Büro­kom­plex mit dem Namen »Beam« über­nom­men, kurz dar­auf aber ver­kün­det, dass er sich nicht an dem Ham­bur­ger Pre­sti­ge­ob­jekt Elb­tower betei­li­gen wol­le. Dabei hat­te für das »Hohe-Haus-Pro­jekt«, als Abschluss der neu­en Hafen­ci­ty, Olaf Scholz (SPD) den umtrie­bi­gen Renè Ben­ko in sei­nen letz­ten Amts­ge­schäf­ten als I. Bür­ger­mei­ster der Frei­en und Han­se­stadt Ham­burg selbst aus­ge­wählt. Es hat den Anschein, dass es nach den Cum-Ex-Geschäf­ten der War­burg-Bank unter sei­nem Inha­ber Chri­sti­an Olea­ri­us einen zwei­ten Fall Scholz geben wird.

Zu Beginn der 45. Woche wur­de bekannt, dass die Signa-Grup­pe des Tiro­ler Immo­bi­li­en-Tycoons einen wei­te­ren Ein­schlag hin­neh­men muss. Kurz vor Beginn der Hoch­bau­ar­bei­ten am Ber­li­ner Immo­bi­li­en­pro­jekt Mynd/​Alex hat die Fondge­sell­schaft Com­merz Real dem Pro­jekt­ent­wick­ler Signa Real Estate die Kün­di­gung geschickt. Signa ver­liert damit einen wich­ti­gen Auf­trag. Die Com­merz Real ist über den offe­nen Immo­bi­li­en­fond Haus­in­vest auch Mit­ge­sell­schaf­ter beim Elb­tower; und mit jedem Tag ohne Bau­fort­schritt erhö­hen sich dort die Finan­zie­rungs­schwie­rig­kei­ten, sagen Insi­der der Immobilienbranche.

In der Nied­rig­zins­pha­se hat­te Ben­ko zahl­rei­che Pri­vat­in­ve­sto­ren gewon­nen und immer mehr Gebäu­de gebaut oder erwor­ben. Heu­te machen der Signa-Grup­pe die gestie­ge­nen Zin­sen zu schaf­fen, und da sind auch noch die unge­lö­sten Pro­ble­me der Kauf­haus­ket­te Kar­stadt, Gale­ria Kauf­hof: 750 Mil­lio­nen Euro, von der Bun­des­re­gie­rung als erste Hil­fe wäh­rend der Pan­de­mie zur Abwehr der Insol­venz gewährt, müs­sen noch zurück­ge­zahlt wer­den. Nur, woher soll Ben­ko das Geld in die­ser Lage neh­men? Es wun­dert nicht, dass die Inve­sto­ren Ben­ko bereits drän­gen, sein Immo­bi­li­en­reich sanie­ren zu las­sen. Die­se wie jede ande­re Lösung kostet Arbeitsplätze.

Inzwi­schen hat der Grün­der der Immo­bi­li­en­fir­ma Signa, René Ben­ko, nach Tagen der Unge­wiss­heit, den Vor­sitz des Bei­rats an den Sanie­rungs­exper­ten Arndt Gei­witz abge­tre­ten. In den Medi­en vom Rund­funk, dem Stan­dard aus Öster­reich, der NZZ aus der Schweiz, der FAZ und der Süd­deut­schen Zei­tung wird Ben­ko mit den Wor­ten zitiert: »Dies ist in der der­zei­ti­gen Situa­ti­on die beste Lösung für das Unter­neh­men, sei­ne Part­ner, Inve­sto­ren sowie die Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter.« So soll das Ver­trau­en wie­der­her­ge­stellt wer­den. Ob das gelingt, ist frag­lich. Noch ist nicht bekannt, wie vie­le Arbeits­plät­ze der Schluss­strich in der finan­zi­el­len Affä­re bei der Ben­ko-Grup­pe kosten wird. Geret­tet sind zunächst ein­mal die Part­ner und Inver­sto­ren, wie immer. Völ­lig unklar ist noch, was René Ben­ko die­ser Schluss­strich kostet und ob über­haupt wei­ter­ge­baut wer­den kann.