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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Die Rolle seines Lebens

Wolo­dym­yr Selen­skyj ist an erster Stel­le ein Glücks­pilz und an zwei­ter Stel­le Schau­spie­ler. Seit Mai 2019 ist er Prä­si­dent der Ukrai­ne. Zuvor wur­de er bekannt, als er im Fern­se­hen jeman­den spiel­te, der zufäl­lig Prä­si­dent gewor­den ist. Dann wur­de er tat­säch­lich zum Prä­si­den­ten der Ukrai­ne gewählt.

»Die­ner des Vol­kes« war eine sati­ri­sche Fern­seh-Serie über vier Jah­re mit 51 Epi­so­den in drei Staf­feln, die Selen­skyj sel­ber pro­du­ziert hat. Er gehört also zu denen, die am Krieg Geld ver­die­nen. Als Pro­du­cer ver­dient er an den Film­rech­ten, und je län­ger der Krieg dau­ert, umso mehr.

Selen­skyj ist Medi­en­pro­fi durch und durch, als Schau­spie­ler, Dreh­buch­au­tor und Pro­du­zent von meh­re­ren Dut­zend Wer­ken. Sein Mar­ken­zei­chen ist das harm­lo­se Gesicht. Von Poli­tik ver­steht er nicht viel, muss er auch nicht, um den Prä­si­den­ten zu spie­len. Der Dreh­buch­au­tor schreibt inzwi­schen auch die Präsidentenreden.

Dazu wur­den eige­ne For­ma­te ent­wickelt: Sze­nen mit gut­aus­se­hen­den Kämp­fern, im Hin­ter­grund zer­stör­te Häu­ser oder Pan­zer und Kano­nen. Wer genau hin­schaut, erkennt, dass die Bil­der sehr durch­dacht und effekt­voll auf­ge­baut sind. Man erkennt es an der Blick­rich­tung der Beteiligten.

Der Clou war das For­mat »Video­auf­tritt« des Prä­si­den­ten in einem ande­ren Par­la­ment. Selen­skyj hat es in meh­re­ren Län­dern durch­ge­spielt und eine auf das jewei­li­ge Land zuge­schnit­te­ne Anspra­che gehal­ten. In Isra­el ist er böse ange­eckt, weil er oder sein Dreh­buch­au­tor die drei­ste Idee hat­te, den Angriff auf die Ukrai­ne mit dem Holo­caust gleichzusetzen.

Wer Selen­sky­js Auf­trit­te und sei­ne Aus­sa­gen ver­folgt, stellt fest, sei­ne State­ments und For­de­run­gen sind nicht kon­si­stent. In Istan­bul ver­han­delt er mit Rus­sen über Waf­fen­still­stand, in Ber­lin for­dert er Pan­zer und schwe­re Waf­fen, in Polen hetzt er die Hard­li­ner auf, in Mün­chen behaup­tet er, die Ukrai­ne kön­ne Atom­waf­fen produzieren.

Damit die Men­schen in der Ukrai­ne, die am näch­sten dran sind, nicht erken­nen, wie sie auf­ge­sta­chelt und ver­heizt wer­den, sind alle Nach­rich­ten im Land gleich­ge­schal­tet wor­den, und die oppo­si­tio­nel­len Par­tei­en wur­den ver­bo­ten. Selen­skyj agiert nicht allein, er hat rabia­te Leu­te hin­ter sich.

Die durch­sich­ti­gen Insze­nie­run­gen des Ver­tei­di­gers der west­li­chen Wer­te mit gestell­ten Fotos und aus­ge­tüf­tel­ten Video­bot­schaf­ten wer­den flan­kiert von einer völ­lig ver­zerr­ten Dar­stel­lung des Krie­ges, der fast nur aus Kriegs­ver­bre­chen rus­si­scher Besti­en bestehen soll, was von Medi­en und Poli­ti­kern kri­tik­los über­nom­men wird.

Weil unkon­trol­lier­ba­re Mili­zen mit­kämp­fen und Waf­fen an Zivi­li­sten ver­teilt wor­den sind, gibt es Über­grif­fe von Fana­ti­kern und Kri­mi­nel­len auf alle mög­li­chen Per­so­nen – von bei­den krieg­füh­ren­den Sei­ten. Aber Selen­skyj ist es gelun­gen, alles, was nach Ver­bre­chen aus­sieht, den Rus­sen in die Schu­he zu schie­ben. In die­sem Spiel mit Emo­tio­nen geht völ­lig unter, dass an erster Stel­le Sol­da­ten ster­ben, auf bei­den Sei­ten. Und Sol­da­ten ster­ben nicht durch Ver­bre­chen oder Ter­ror, son­dern durch die Wir­kung von Kriegs­waf­fen, wel­che die Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker aus der west­li­chen Wer­te-Welt finan­zie­ren und ins Kriegs­ge­biet lie­fern. Das sind unse­re gewähl­ten Volks­ver­tre­ter. Die ange­heiz­te Hyste­rie gip­fel­te zuletzt im Antrag der Frak­tio­nen SPD, CDU/​CSU, BÜNDNIS 90/​DIE GRÜNEN und FDP (Druck­sa­che 20/​1550 vom 27.04.2022 des deut­schen Bun­des­tags; https://dserver.bundestag.de/btd/20/015/2001550.pdf).

Es ist ein Doku­ment der Mas­sen­psy­cho­se, in dem alle Nar­ra­ti­ve der Selen­skyj-Pro­pa­gan­da auf­ge­grif­fen wer­den. Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten sind schön gegen­dert, aber ihr Tod ist nicht rele­vant, so, als sei­en sie wie ein Teil der Muni­ti­on. In die­sem offi­zi­el­len Papier gibt es nur Waf­fen, Ver­bre­cher und Hel­den und die Aus­brü­che von All­macht-Fan­ta­sien deut­scher Volksvertreter.

Das sind 700 Leu­te, die wir vor einem hal­ben Jahr in den Bun­des­tag gewählt haben, damit sie unse­re Inter­es­sen ver­tre­ten. Jetzt ver­tre­ten sie die ame­ri­ka­ni­sche Expan­si­ons­po­li­tik gegen­über Russ­land, gegen­über Chi­na und Euro­pa. Man fühlt sich, wenn man das liest, in eine Dys­to­pie ver­setzt, wo die Men­schen fern­ge­steu­ert sind oder erst mit 80 Jah­ren erwach­sen werden.

Die­ses Schrift­stück ist eine detail­lier­te Ant­wort auf die teuf­li­sche Fra­ge, die Joseph Goeb­bels in der Sport­pa­last­re­de 1943 gestellt hat: »Wollt ihr den tota­len Krieg?« Die Ant­wort des deut­schen Bun­des­ta­ges 2022 lau­tet: In der Ukrai­ne Ja!

Wir leben im Medi­en­zeit­al­ter und haben in der west­li­chen Wer­te-Welt die Rea­li­tät als Fun­da­ment allen Den­kens aus dem Bewusst­sein ver­lo­ren. Selen­skyj spielt den per­fek­ten Prä­si­den­ten im Medi­en­krieg. Das Ver­rück­te ist, dass die Welt ihm kri­tik­los glaubt und ihn, den Dar­stel­ler, für einen rea­len Hel­den hält.

Ist das, was Selen­skyj macht, Kunst? Im Sin­ne von Joseph Beu­ys könn­te es Kunst sein, nach des­sen erwei­ter­tem Kunst­be­griff. Beu­ys war Pazi­fist. Die Grü­nen haben Beu­ys aus ihren Rei­hen weg­ge­ekelt. Heu­te sind die Grü­nen die Kriegs­trei­ber in der Regie­rung. Anhän­ger der Frie­dens­idee sind ent­setzt, auch Umwelt­be­wuss­te, denn Krieg ist die denk­bar größ­te Umwelt­sün­de und eine maxi­ma­le Ver­schwen­dung von Ressourcen.

Um allen Frie­dens­be­mü­hun­gen den Wind aus den Segeln zu neh­men, hat die Sprech­pup­pe Anna-Leo­par­da Baer­bock gefor­dert, Russ­land müs­se erst sei­ne Trup­pen abzie­hen, ehe man ver­han­delt. Das wider­spricht jeder Logik eines Waffenstillstands.

Die Begei­ste­rung von Wolo­dym­yr Selen­skyj für sei­ne Rol­le als Prä­si­dent ist echt. Plötz­lich ein Welt­star zu sein, ist für jeden Medi­en­schaf­fen­den ver­lockend, auch wenn aus der Sati­re Ernst gewor­den ist. Krieg ist zwar grau­sam, aber, gut insze­niert, ein Ren­ner in Film, Funk und Fern­se­hen, auch als Foto, Kom­men­tar, Augen­zeu­gen­be­richt oder für Talk-Shows.

Poli­ti­ker und Medi­en wol­len uns glau­ben machen, dass die Ukrai­ne den Krieg gegen Russ­land gewin­nen kann, wenn wir nur genü­gend Waf­fen lie­fern und Mil­li­ar­den an Geld hin­ein­pum­pen. Eine lang­sam schwin­den­de Mehr­heit glaubt das, weil ein Super­film­star es ver­kün­det. Frie­den dage­gen ist lang­wei­lig und Frie­dens­ver­hand­lun­gen noch lang­wei­li­ger, nix für Wolo­dym­yr Selenskyj.

Man könn­te sich ein Dreh­buch mit einem ande­ren Plot vor­stel­len: Zwei Neben­dar­stel­ler hecken einen Frie­dens­plan aus: Olaf Scholz und Ema­nu­el Macron. War­um die­se bei­den? Weil Frank­reich und Deutsch­land am besten wis­sen, dass man Russ­land nicht besie­gen kann. Napo­le­on und Hit­ler haben es ernst­haft ver­sucht, sehr ernst­haft. Sie hiel­ten sich für die größ­ten Feld­her­ren ihrer Zeit, und ihre Armeen waren den Rus­sen tech­nisch über­le­gen. Bei­de Län­der haben gegen­über Russ­land etwas gut zu machen, im Fall von Deutsch­land eine gan­ze Men­ge: 27 Mil­lio­nen tote Sowjetbürger.

Stel­len wir uns fol­gen­de Sze­ne vor: Macron und Scholz als Garan­ten des Frie­dens machen dem Kreml ein Ange­bot: Ukrai­ne kommt nicht in die Nato, bleibt neu­tral wie Öster­reich und ver­zich­tet dar­auf, die Krim zu erobern, weil sie zu Russ­land gehört. Die Ost­pro­vin­zen kön­nen abstim­men, ob sie zur Ukrai­ne oder zu Russ­land oder unab­hän­gig sein wol­len. Was ist an einem fai­ren Frie­dens­an­ge­bot so unge­heu­er­lich? Das Geld, das jetzt für Waf­fen vor­ge­se­hen ist, wird in den Wie­der­auf­bau des Lan­des gesteckt. Auch die 100 Schul­den-Scholz-Mil­li­ar­den. Mos­kau stimmt zu und man fragt sich, war­um nicht gleich so?

Selen­skyj müss­te in die­sem Sze­na­rio aber mit­spie­len und eine Anspra­che über die gleich­ge­schal­te­ten Medi­en in der Ukrai­ne hal­ten, dreist, dra­stisch und aggres­siv: »Unse­re Sol­da­ten sind gefal­len, aber sie haben vie­le Rus­sen getö­tet. Der Westen hat Waf­fen und Geld gelie­fert, aber kei­ne Sol­da­ten. Fei­ge Drücke­ber­ger sind sie alle. Weil die Deut­schen und Fran­zo­sen Angst vor Russ­land haben, müs­sen wir den Krieg been­den. Es lebe die neu­tra­le Ukraine!«

Für Selen­skyj gibt es, damit er die­se Sze­ne spielt, einen Köder: Man garan­tiert, er kann als Film­star und Pro­du­zent im Westen wei­ter­ma­chen, muss nur noch eine letz­te Sze­ne in Kiew dre­hen: Selen­skyj wird aus dem Getüm­mel zum Hub­schrau­ber hoch geseilt und dann ab, zum inter­na­tio­na­len Flug­ha­fen. Einer Film-Kar­rie­re im Westen steht nichts im Wege.

Selen­skyj kann als Regis­seur, Schau­spie­ler und Medi­en­star den Krieg gewin­nen, nicht aber die Ukrai­ne gegen Russ­land. Viel­leicht hat er den Medi­en­krieg schon gewon­nen. Es fehlt nur noch eine letz­te Epi­so­de: »Flucht nach Hol­ly­wood.« Dann ist er da, wo er hingehört.

Rob Keni­us betreibt die system­kri­ti­sche Web­sei­te kritlit.de.