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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Eidverdrängung

Auf die­sem nich­tun­se­rem Pla­ne­ten – also auch in die­sem nich­tun­se­rem Staat – darf Eigen­tum, nicht nur wenn es der Strom­erzeu­gung aus Braun­koh­le dient, Besit­zerin­Be­sit­zer weg­ge­nom­men wer­den. So ent­ste­hen ein neu­er Eigen­tums­be­griff und eine selt­sa­me Gesell­schafts­ord­nung, bei der Eigen­tum recht dubio­se Ver­pflich­tun­gen eingeht.

Aber das ist eigent­lich dies­mal nicht das The­ma – es geht um die Lücke. Das ist eine offe­ne, lee­re Stel­le; an der etwas von einem zusam­men­hän­gen­den Gan­zen fehlt. Die Wis­sens­lücke zum Bei­spiel. Kurz nach Ende des 2. Welt­kriegs war die­se in Deutsch­land sehr weit ver­brei­tet – weil man nichts gewusst hat, von den Ver­bre­chen der Nazis. Eine gut orga­ni­sier­te Büro­kra­tie wur­de wei­ter­be­schäf­tigt und sorg­te auf viel­fäl­ti­ge Wei­se für jene »sozia­le Markt­wirt­schaft« die heu­te einen Mini­ster­prä­si­den­ten zu selt­sam­sten Spar­vor­schlä­gen »erleuch­tet«, damit dem Volk der Hin­tern anfriert und die Indu­strie auch wei­ter­hin Export­welt­mei­ste­rei betrei­ben kann.

Es gibt seit 1958 Foto­vol­ta­ik! Und Elek­tri­zi­tät mit­tels Wind­kraft wird seit 1887 erzeugt. Ihr Erfin­der, James Bly­th, spei­ste damit Blei-Akku­mu­la­to­ren – so saß er abends nicht im Dun­keln und konn­te bis spät in die Nacht arbei­ten. Ins­ge­samt zehn 25-Volt-Glüh­lam­pen leuch­te­ten bei »mode­ra­ter Bri­se« auf. Seit 1922 gibt es Bio­gas­an­la­gen – inter­es­sant ist, dass Däne­mark etwa 1/​3 sei­nes Gas­be­darfs mit Bio­gas­an­la­gen erzeugt, die aus­schließ­lich mit Gül­le und Grün­ab­fäl­len gespeist wer­den – also lässt sich aus Schei­ße Gas machen.

Seit Jahr­zehn­ten gibt es also Mög­lich­kei­ten, umwelt­freund­li­che Ener­gie her­zu­stel­len. Statt dies zu tun, hat man Öl, Koh­le und Gas aus der Erde gewon­nen – die Umwelt zer­stört und auf Kosten des Kli­mas und der Gesund­heit der Men­schen Pro­fit gemacht. Medien&Politik dis­ku­tie­ren, ob die noch vor­han­de­nen drei Atom­kraft­an­la­gen noch meh­re­re Jah­re wei­ter betrie­ben wer­den kön­nen, anstatt mit aller Kraft einer ener­gie­er­neu­er­ten Gesell­schaft samt Gesell­schafts­ord­nung den Weg zu bereiten.

Wie­so wer­den die ver­ant­wort­li­chen Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker nicht zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen? Sie haben den Eid gebro­chen, der Mensch­heit kei­nen Scha­den zuzu­fü­gen. Für einen Mein­eid droht gemäß § 154 StGB eine Frei­heits­stra­fe von min­de­stens einem Jahr. In min­der schwe­ren Fäl­len ist eine Frei­heits­stra­fe von sechs Mona­ten bis zu fünf Jah­ren vorgesehen.

Die Eid­for­mel: »Ich schwö­re, dass ich mei­ne Kraft dem Woh­le des deut­schen Vol­kes wid­men, sei­nen Nut­zen meh­ren, Scha­den von ihm wen­den, das Grund­ge­setz und die Geset­ze des Bun­des wah­ren und ver­tei­di­gen, mei­ne Pflich­ten gewis­sen­haft erfül­len und Gerech­tig­keit gegen jeder­mann üben werde.«

Laut Arti­kel 64 des Grund­ge­set­zes müs­sen Kanz­ler und Mini­ster bei der Amts­über­nah­me vor dem Bun­des­tag den Amts­eid lei­sten. Arti­kel 56, der die Ver­ei­di­gung durch den Bun­des­prä­si­den­ten vor­sieht, legt den Wort­laut fest. In Arti­kel 56 heißt es: »Ich schwö­re, dass ich mei­ne Kraft dem Woh­le des deut­schen Vol­kes wid­men, sei­nen Nut­zen meh­ren, Scha­den von ihm wen­den, das Grund­ge­setz und die Geset­ze des Bun­des wah­ren und ver­tei­di­gen, mei­ne Pflich­ten gewis­sen­haft erfül­len und Gerech­tig­keit gegen jeder­mann üben wer­de. So wahr mir Gott helfe.«

In letz­ter Zeit hilft Gott nicht mehr sehr oft, also müs­sen Ver­stö­ße gegen den Eid­ver­stoß geahn­det wer­den. In die­sem Sin­ne sei die Fra­ge erlaubt: Wer­den wir aus­schließ­lich von Ver­bre­che­rin­nen und Ver­bre­chern regiert, die wis­sent­lich das Gesetz gebro­chen haben?

Zum Gas­pro­blem. Däne­mark hat früh auf Bio­gas gesetzt, auf Groß­un­ter­neh­men, die Mist und Gül­le sowie Lebens­mit­tel­ab­fäl­le ein­sam­meln und ver­wer­ten. In zwölf Jah­ren soll der Gas­markt dadurch zu 100 Pro­zent gedeckt sein. Ein Vor­bild für Euro­pa, für Deutsch­land? Statt sich dar­um zu küm­mern, hat unser gro­ßer Wirt­schafts­füh­rer und »Grü­ne« Robert Habeck im Nahen Osten »Gas­Bet­tel­Ver­beu­gungs­po­li­tik« betrie­ben und viel Geld für Flüs­sig­ga­s­ter­mi­nals ausgegeben.

Der Gesamt­be­darf an Kosten für Flüs­sig­ga­s­ter­mi­nals hat sich 2022 auf rund 6,56 Mil­li­ar­den Euro an Haus­halts­mit­teln erhöht, wie das Bun­des­wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um Mit­te Janu­ar in Ber­lin bestä­tig­te. Hin­zu kämen wei­te­re Haus­halts­mit­tel im Jahr 2023.

LNG-Tan­ker trans­por­tie­ren in kugel­för­mi­gen Tanks ver­flüs­sig­tes Erd­gas und sind eine fle­xi­ble Alter­na­ti­ve zum Pipe­line-Trans­port. Durch­schnitt­lich ver­fü­gen sie über eine Tank­ka­pa­zi­tät von 120.000 bis 145.000 Kubik­me­ter. Der Jah­res­gas­be­darf Deutsch­lands liegt bei 90,5 Mil­li­ar­den Kubik­me­ter (1 Mil­li­ar­de sind 1000 Mil­lio­nen; 1 Mil­li­on sind 10x 100000) Gas.

LNG-Tan­ker die­nen dem Trans­port von flüs­si­gem Erd­gas und ver­keh­ren zwi­schen den Gas­ver­flüs­si­gungs­an­la­gen (Pro­duk­ti­on) und den Import-Ter­mi­nals. Im Jahr 2021 waren 700 Stück welt­weit auf den Mee­ren in Betrieb. 145000 x 700 = 101.500.000 Kubik­me­ter Flüs­sig­gas decken Deutsch­lands Bedarf bei wei­tem nicht, und es ist mehr als frag­lich, ob über­haupt 700 Tan­ker pro Jahr bei Deutsch­lands Flüs­sig­ga­s­ter­mi­nals abge­fer­tigt wer­den können.

Poli­tik und Poli­zei, die eigent­lich Men­schen­le­ben schüt­zen müss­ten, gehen gegen jene vor, die uns vor wei­te­ren Umwelt­ka­ta­stro­phen bewah­ren wol­len. Politik&Polizei schüt­zen nicht Men­schen­le­ben und Umwelt, son­dern die Zer­stö­re­rin­nen und Zer­stö­rer einer unso­li­da­ri­schen Gesell­schafts­ord­nung. Die win­del­wei­chen Begrün­dun­gen, wie etwa »das lässt unse­re demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung nicht zu«, sind Ver­ne­be­lungs- und Verdummungsaussagen!

Hier ein Brief von einer, die klebt – Miri­am M.:

»Hal­lo ihr da draußen,

ich sit­ze gera­de in mei­ner Zel­le in der JVA-Stadelheim.

Die Son­ne scheint durchs Fen­ster und im Baum auf dem Hof sitzt eine Amsel.

Eigent­lich ist es ganz schön hier (…), wären da nicht die Git­ter­stä­be vor den Fen­stern und die abge­schlos­se­ne Tür, durch die ich die Zel­le nur ein­mal am Tag, für eine Stun­de, für den Hof­gang, ver­las­sen darf. Hier habe ich bereits 30 Tage ver­bracht, und hier ver­brin­ge ich jetzt erneut 14 Tage. Wenn mir das jemand vor eini­ger Zeit erzählt hät­te, hät­te ich ver­mut­lich ungläu­big gelacht, ohne mir vor­stel­len zu kön­nen, was mich jemals dazu brin­gen soll­te, etwas zu tun, das mich ins Gefäng­nis bringt.

Inzwi­schen ist es für mich ganz nor­mal gewor­den, mit der Poli­zei zu tun zu haben, in tri­sten Ein­zel­zel­len zu sit­zen und einen gan­zen Ord­ner vol­ler Straf­be­feh­le und Buß­geld­be­schei­de zu Hau­se lie­gen zu haben.

Wie bin ich hier nur gelan­det? Hilf­lo­sig­keit und ein Plan, der funk­tio­nie­ren könn­te, viel Ver­zweif­lung und ein biss­chen Hoff­nung, eine oran­ge­ne Warn­we­ste und ein paar Tuben Sekundenkleber.

Manch­mal ver­ste­he ich selbst nicht ganz, war­um aus­ge­rech­net ich die­se Risi­ken ein­ge­he. Ich bin ein­fach nicht gut im Ver­drän­gen. Ohne Ver­drän­gen sind Pro­gno­sen wie ›Wir set­zen unse­re Kin­der in einen glo­ba­len Schul­bus, der mit 98-%-iger Wahr­schein­lich­keit töd­lich ver­un­glückt‹‚ nur schwer zu ertra­gen. Zu rea­li­sie­ren, wie düster unse­re Aus­sich­ten gera­de sind, hat in mir vor allem Ver­zweif­lung und Hilf­lo­sig­keit her­vor­ge­ru­fen. Ich woll­te etwas tun, aber ich wuss­te nicht was. Weder bei Fri­days for Future mit­zu­lau­fen noch einen wei­te­ren Job bei irgend­ei­ner Umwelt­or­ga­ni­sa­ti­on anzu­fan­gen, erschien mir son­der­lich viel­ver­spre­chend; nicht in Ange­sicht der Kata­stro­phe, die auf uns zurollt und die wir wei­ter befeuern.

Zum Glück gibt es Ande­re, Men­schen die Ahnung von zivi­lem Wider­stand, eine Stra­te­gie und einen Plan haben, denen ich mich anschlie­ßen konn­te. Ich weiß nicht, ob die­ser Plan funk­tio­nie­ren wird, aber wir haben nichts zu ver­lie­ren. Kei­nen Wider­stand zu lei­sten, ist die schlech­te­re Alternative!

Zuge­ge­ben, ich bin nicht sehr opti­mi­stisch, dass wir das als Mensch­heit noch schaf­fen, gera­de wenn ich Mel­dun­gen wie: ›Wenn Paki­stan über­flu­tet ist und der Prä­si­dent von Palau sagt, wir könn­ten ihre Inseln auch genau­so gut bom­bar­die­ren‹, höre. Aller­dings hät­te ich auch nicht gedacht, dass wir durch Auto­bahn-Blocka­den län­ger als eine Woche Auf­merk­sam­keit bekom­men, und nun sehe ich uns in der JVA über­all im Fernsehen.

Ich wün­sche mir von der Gesell­schaft, dass wir an uns ran­las­sen, was die Kli­ma­kri­se ganz kon­kret für unser Leben und das der gesam­ten Mensch­heit bedeu­tet. Ich weiß, dass das schwie­rig und beäng­sti­gend ist, aber Ver­drän­gung und die Hoff­nung, ande­re wür­den das für uns regeln, haben uns an die­sen kata­stro­pha­len Punkt gebracht. (…) Wir brau­chen Men­schen, die handeln!

Der UN-Gene­ral­se­kre­tär sagt: ›Wir haben eine Wahl: kol­lek­ti­ve Hand­lung oder kol­lek­ti­ver Selbst­mord!‹ Mit HANDLUNG meint er gewiss nicht, Bam­bus-Zahn­bür­sten zu kau­fen und ab und zu mal das Rad zu nut­zen. Wir leben in einer Demo­kra­tie, und wenn die Regie­rung unse­re Lebens­grund­la­gen nicht schützt, ist zivi­ler Wider­stand ein legi­ti­mes und vor allem not­wen­di­ges demo­kra­ti­sches Werkzeug.

Bei der Beset­zung der Uni Ham­burg hat uns der Uni-Prä­si­dent gesagt, es sei nicht die Auf­ga­be der Uni­ver­si­tät, sich in die Poli­tik ein­zu­mi­schen. Das könn­te ich nach­voll­zie­hen, wenn die Poli­ti­ker ihren Job machen wür­den, aber sie ver­spie­len unser aller Zukunft! Wie­so las­sen wir das zu?! Es ist eine aku­te Gefahr für uns alle. (…) Wir haben nichts zu verlieren.

Lasst uns mit allen Wissenschaftler*innen, Uni-Präsident*innen, Kirchen-vorsteher*innen, Richter*innen und allen wich­ti­gen Ent­schei­dungs­trä­gern gemein­sam Wider­stand leisten.

Bis die Poli­ti­ker gar nicht anders kön­nen, als das zu tun, was sie eigent­lich von sich aus selbst­ver­ständ­lich tun sollten.

Vie­le Grü­ße aus Zel­le 105, Miriam«

Miri­am sitzt im Gefäng­nis – die der­zeit ver­ant­wort­li­che und nicht ver­ant­wort­li­che Poli­tik nicht.