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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Sozial gerechte Agrarwende

Bei eisi­gen Tem­pe­ra­tu­ren waren am 21. Janu­ar bei der »Wir haben es satt!«-Demonstration wie­der vie­le Tau­sen­de für gutes Essen und gute Land­wirt­schaft auf der Stra­ße. Nach zwei Jah­ren Coro­na-beding­ter Zwangs­pau­se trotz­ten 10.000 Men­schen im Ber­li­ner Regie­rungs­vier­tel der Käl­te. Sie for­der­ten – auf­ge­ru­fen von 60 Orga­ni­sa­tio­nen aus Land­wirt­schaft und Gesell­schaft – die sozi­al gerech­te Agrar­wen­de. Kon­kret heißt das: Bau­ern­hö­fe unter­stüt­zen, Insek­ten­ster­ben und Kli­ma­kri­se stop­pen, art­ge­rech­te Tier­hal­tung statt Mega­stäl­le und gutes Essen für alle. Die Demon­stra­ti­on, die seit 2011 zum Auf­takt der Agrar­mes­se »Grü­nen Woche« statt­fin­det, stand unter dem Mot­to: »Gutes Essen für alle – statt Pro­fi­te für wenige«.

Die Bilanz nach einem Jahr Ampel-Koali­ti­on ist ernüch­ternd. Olaf Scholz’ selbst­er­nann­te Fort­schritts­ko­ali­ti­on blockiert die Agrar­wen­de – so die Kri­tik des Demon­stra­ti­ons­bünd­nis­ses. »Wir erwar­ten deut­lich mehr von Agrar­mi­ni­ster Özd­emir und der Bun­des­re­gie­rung«, sag­te Spre­che­rin Inka Lan­ge mit Blich auf die Agrar- und Ernäh­rungs­po­li­tik der Bun­des­re­gie­rung. »Das war zu wenig ambi­tio­niert, zu mut­los und zu langsam.«

Die Lage ist ernst: Jeden Tag schlie­ßen hier­zu­lan­de im Schnitt zehn Bau­ern­hö­fe. Für Kon­zern­in­ter­es­sen wird in Lüt­zer­ath die Kli­ma­kri­se wei­ter ange­heizt und das 1,5-Grad-Ziel beer­digt. Welt­weit hun­gert jeder zehn­te Mensch, wäh­rend 95 Ener­gie- und Lebens­mit­tel­kon­zer­ne ihre Gewin­ne im letz­ten Jahr mehr als ver­dop­pelt haben. Und trotz enor­men Reich­tums kön­nen sich bei uns vie­le Men­schen kei­ne gesun­den, umwelt­ge­recht her­ge­stell­ten Lebens­mit­tel lei­sten. Fort­schritt geht anders.

Karen Stub­be­mann, die mit dem Trecker ange­reist war, for­der­te end­lich Rah­men­be­din­gun­gen für den Umbau der Land­wirt­schaft: »Wir brau­chen wirt­schaft­li­che Per­spek­ti­ven, die eine kli­ma- und umwelt­scho­nen­de Bewirt­schaf­tung und den Umbau der Tier­hal­tung ermög­li­chen«, sag­te die Bäue­rin aus Nie­der­sach­sen. Die Agrar­sub­ven­tio­nen müs­sen gerecht ver­teilt und an öko­lo­gi­sche und tier­ge­rech­te Kri­te­ri­en gebun­den wer­den. Wei­ter­hin ver­lang­te sie vom Agrar­mi­ni­ster ein kla­res Bekennt­nis gegen Gen­tech­nik auf Acker und Teller.

Klar ist: 2023 muss Özd­emir die Agrar- und Ernäh­rungs­wen­de vor­an­brin­gen – und zwar sozi­al gerecht. Denn eine gute Zukunft geht nur sozi­al und öko­lo­gisch. Die Demonstrant*innen for­der­ten daher: eine Über­ge­winn­steu­er auch für Agrar- und Lebens­mit­tel­kon­zer­ne, die Mehr­wert­steu­er bei Obst und Gemü­se auf Null sen­ken, viel mehr Unter­stüt­zung für Men­schen mit wenig Geld, eine Ver­mö­gens­ab­ga­be für Super­rei­che sowie gerech­te und kli­ma­scho­nen­de Agrarsubventionen.

Art­ge­rech­te Tier­hal­tung, mehr Insek­ten- und Kli­ma­schutz auf den Höfen, die not­wen­di­ge Erhö­hung des Bür­ger­geld-Regel­sat­zes um min­de­stens 250 Euro – das alles kostet, und dafür muss Finanz­mi­ni­ster Lind­ner die Mit­tel frei­ge­ben. Das Geld ist da. Es kon­zen­triert sich aller­dings in den Hän­den weni­ger Milliardär*innen: 81 Pro­zent der Ver­mö­gens­ge­win­ne aus den Jah­ren 2020 und 2021 gin­gen auf das Kon­to des ober­sten Pro­zents in Deutsch­land. Der gesell­schaft­li­che Reich­tum muss fair ver­teilt wer­den und mit gerech­ten Steu­ern müs­sen wir dafür sor­gen, dass Kon­zer­ne nicht län­ger von Kri­sen profitieren.

Der Neu­start der Agrar­wen­de-Bewe­gung nach zwei­jäh­ri­ger Coro­na-Pau­se ist geglückt. Ange­sichts der drän­gen­den Pro­blem­la­gen tut das auch Not.

Der Autor ver­ant­wor­tet die Pres­se- und Öffent­lich­keits­ar­beit im »Wir haben es satt!«-Bündnis (www.wir-haben-es-satt.de).