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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ein fürsorgliches Verhältnis

Man will es ein­fach nicht glau­ben, aber es gibt wirk­lich eine Men­ge Din­ge, die mir abso­lut zuwi­der sind. Unpünkt­lich­keit, Früh­auf­ste­hen und lang­wei­li­ge Kri­mis gehö­ren eben­so dazu wie ein Nach­bar, der unbe­dingt am Sams­tag­nach­mit­tag sei­nen Rasen mähen muss. Auch bei lau­war­mem Bier und kal­tem Kaf­fee bekom­me ich post­wen­dend schlech­te Lau­ne. Das Non­plus­ul­tra mei­ner Stink­wut sind jedoch Esels­oh­ren und voll gekrit­zel­te Bücher. Bei mei­nem für­sorg­li­chen Ver­hält­nis zu bedruck­tem Papier sind sie für mich ein rotes Tuch.

Erst neu­lich fiel mir so ein ver­hunz­tes Buch aus der Stadt­bi­blio­thek in die Hän­de. Sei­ten­lang waren gan­ze Kapi­tel mit dem Leucht­mar­ker unter­stri­chen, und auf jeder Sei­te befan­den sich irgend­wel­che schwach­sin­ni­gen Bemer­kun­gen und Fra­gen wie »War­um?«, »Wes­halb« oder »Was will der Autor damit sagen?« Ich hät­te ja dem ahnungs­lo­sen Leser gern auf die Sprün­ge gehol­fen, doch er hat­te sei­ne Tele­fon­num­mer vergessen.

»Der schlimm­ste Feind des Buches ist der Aus­lei­her«, heißt eine alte Erfah­rung von Bücher­freun­den. Gegen Licht und Staub kann man sei­ne Bücher­samm­lung in Schrän­ken schüt­zen, aber gegen einen Buchent­lei­her hilft nur ein gene­rel­les Ver­bot. Falls man das Buch über­haupt zurück­be­kommt, ist ent­we­der der Rücken gebro­chen, der Schutz­um­schlag ver­schwun­den, und die Sei­ten haben Esels­oh­ren oder Rot­wein­flecken. Wer sich als groß­zü­gi­ger Ent­lei­her zeigt, muss sich nicht wun­dern, wenn sei­ne Bücher­schät­ze irgend­wann über den Bekann­ten- und Freun­des­kreis ver­streut sind.

Doch mal ehr­lich: Bücher sind zum Lesen da, und Esels­oh­ren ver­ra­ten eigent­lich, wie inten­siv die Lek­tü­re war, und unge­le­se­ne Bücher sehen zwar toll aus im Regal, sind aber wohl nur Dekoration.