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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Grün ist nur eine Farbe

Macht macht mäch­tig Spaß. Das hat die mitt­ler­wei­le 40 Jah­re bestehen­de grü­ne Umwelt­par­tei längst begrif­fen, und die Devi­se »Oppo­si­ti­on ist Mist« wäre, wenn nicht schon ver­ge­ben, ein adäqua­tes grü­nes Mot­to. In elf Bun­des­län­dern sind die Grü­nen am Mit­re­gie­ren, in Baden-Würt­tem­berg stel­len sie sogar den Regie­rungs­chef. Auf dem lan­gen Weg zu einer eta­blier­ten Par­tei muss­ten sich die Grü­nen öfters häu­ten, um eine staats­tra­gen­de Rol­le über­neh­men zu kön­nen, mit allem, was dazu­ge­hört, mit Mini­stern und Staats­se­kre­tä­ren, mit Dienst­wa­gen und Per­so­nen­schüt­zern, mit Thinktanks und Stif­tun­gen. Inzwi­schen ist man da ange­kom­men, wo sich die ande­ren schon lan­ge wäh­nen, in der omi­nö­sen poli­ti­schen Mitte.

1990/​91 ver­lie­ßen zahl­rei­che, auch pro­mi­nen­te Ver­tre­ter des lin­ken Flü­gels die Par­tei, wodurch sich der pro­gram­ma­ti­sche Wan­del beschleu­nig­te. Wer blieb und sich anpass­te, konn­te sich aus­rech­nen, mit etwas Glück und einem gewis­sen Durch­set­zungs­ver­mö­gen eine poli­ti­sche Kar­rie­re zu durch­lau­fen, die bis in hohe Ämter füh­ren kann. Denn lan­ge waren die Grü­nen die ein­zi­ge poli­ti­sche Par­tei, der Natur und Umwelt­schutz ein Haupt­an­lie­gen waren. Die­se Markt­lücke ver­sprach zumin­dest den bal­di­gen Sprung über die Fünf-Pro­zent-Hür­de, viel­leicht sogar mehr. Die wohl schil­lernd­ste Figur, die eine jener unwahr­schein­li­chen grü­nen Kar­rie­ren hin­leg­te, ist Josch­ka Fischer, der es vom anar­chi­sti­schen Frank­fur­ter Stra­ßen­kämp­fer zum erfolg­rei­chen Unter­neh­mens­be­ra­ter gebracht hat, über einen klei­nen Umweg als deut­scher Außen­mi­ni­ster. Nicht weni­ge der heu­ti­gen grü­nen Funk­ti­ons­trä­ger hat­ten ihre poli­ti­sche Lauf­bahn in lin­ken Kleinst­par­tei­en wie dem Kom­mu­ni­sti­scher Bund West­deutsch­land (KBW) begon­nen und ret­te­ten sich recht­zei­tig in die neue Umwelt­par­tei. Neben Jür­gen Trit­tin ist hier vor allem Win­fried Kret­sch­mann zu nen­nen, aber auch Rai­ner Büti­ko­fer und Ralf Fücks.

Die grü­nen Prot­ago­ni­sten decken heu­te ein brei­tes bür­ger­li­ches Spek­trum ab, was man durch­aus als wert­kon­ser­va­tiv bezeich­nen kann. Dazu gehört auch ein guter Draht zu den gro­ßen christ­li­chen Kon­fes­sio­nen. Garan­ten dafür sind der prak­ti­zie­ren­de Katho­lik Win­fried Kret­sch­mann sowie das lang­jäh­ri­ge Mit­glied der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land (EKD) Kat­rin Göring-Eckardt. Eben­so wie die CDU und die SPD sind die Grü­nen schon län­ger auf einem USA-freund­li­chen Atlan­tik­kurs. Die Befür­wor­tung des Koso­vo-Krie­ges durch Josch­ka Fischer, der letzt­end­lich auch die Ein­rich­tung der US-Mili­tär­ba­sis Bond­s­teel nahe Prišti­na ermög­lich­te, koste­te den Außen­mi­ni­ster auf dem Par­tei­tag in Bie­le­feld immer­hin ein durch einen Farb­beu­tel­wurf ver­letz­tes Ohr, eine lin­ke Ver­zweif­lungs­tat. Neben Fischer, der für eini­ge US-Denk­fa­bri­ken und Uni­ver­si­tä­ten tätig war, sind auch ande­re pro­mi­nen­te Grü­ne für trans­at­lan­ti­sche Orga­ni­sa­tio­nen tätig, die sich für eine enge West­bin­dung und einen aggres­si­ven Kurs gegen Russ­land ein­set­zen. Zu die­sem Zweck exi­stiert das von den Grü­nen­po­li­ti­kern Marie­lui­se Beck und Ralf Fücks vor drei Jah­ren ins Leben geru­fe­ne Zen­trum Libe­ra­le Moder­ne. Auch Cem Özd­emir durch­lief eine Schu­lung beim Ame­ri­can Coun­cil of Ger­ma­ny und betei­lig­te sich an einem Auf­ruf des Pro­ject for the New Ame­ri­can Cen­tu­ry gegen den rus­si­schen Prä­si­den­ten Putin. Der EU-Abge­ord­ne­te Rai­ner Büti­ko­fer ist Kura­to­ri­ums­mit­glied des Aspen-Insti­tuts, eine der zahl­rei­chen US-Denkfabriken.

Mit den Werk­tä­ti­gen der Repu­blik hat­ten die Grü­nen noch nie viel am Hut, ihre Wäh­ler­schicht war und ist jung, bür­ger­lich, selb­stän­dig oder im öffent­li­chen Dienst. Als Ger­hard Schrö­der die Agen­da 2010 durch­zog, gab es vom öko­lo­gi­schen Koali­ti­ons­part­ner kei­nen nen­nens­wer­ten Wider­stand. Schon vor­her wur­de, wenn auch mit Bauch­schmer­zen, der Pazi­fis­mus über Bord geschmis­sen, als der Krieg gegen Ser­bi­en anstand. Die ein­zi­ge revo­lu­tio­nä­re Tat der Par­tei war die hel­den­haf­te Erkämp­fung des Pfands auf Ein­weg­fla­schen, das gibt es bis heute.

Manch­mal hat­te die Par­tei ein­fach Glück: Ein hava­rier­tes Atom­kraft­werk im fer­nen Fuku­shi­ma hiev­te 2011 einen Grü­nen an die Spit­ze eines Bun­des­lan­des, in dem man bis dato auch den sprich­wört­li­chen Besen­stiel gewählt hät­te, wenn er das CDU-Label trug. Aber der neue Lan­des­va­ter fand schnell in die Rol­le sei­ner Vor­gän­ger, im Süd­we­sten fand kei­ne grü­ne Revo­lu­ti­on statt. Das Mil­li­ar­den­grab Stutt­gart 21 wur­de wei­ter­ge­baut, die enge Ver­bin­dung »zum Daim­ler« wei­ter aus­ge­baut, der Aus­bau der Wind­kraft umwelt­ver­träg­lich redu­ziert. Da wun­dert es nicht mehr, dass der Mini­ster­prä­si­dent zusam­men mit sei­nem bay­ri­schen Kol­le­gen wegen der Coro­na­kri­se auch noch eine Kauf­prä­mie für (natür­lich sau­be­re) Ver­bren­nungs­mo­to­ren forderte.

In Hes­sen durf­te Ver­kehrs­mi­ni­ster und Vize-Mini­ster­prä­si­dent Tarek Al-Wazir den koali­ti­ons­treu­en Part­ner geben, als Umwelt­schüt­zer die vom Bau der Auto­bahn A 49 bedroh­ten Wäl­der besetz­ten. In Zei­ten von Wirt­schafts- und Kli­ma­kri­se könn­te das Ver­kehrs­pro­jekt die Grü­nen in eine ern­ste Kri­se stür­zen, schon kur­siert in dun­kel­grü­nen Krei­sen die spöt­ti­sche Bezeich­nung »Bünd­nis 49/​Die Grü­nen«. In Ber­lin wirft die grü­ne Wirt­schafts­se­na­to­rin Pop ihre letz­ten Prin­zi­pi­en über den Hau­fen und will zusam­men mit SPD und Lin­ken die Pri­va­ti­sie­rung von S-Bahn und Schul­bau­ten durch­zie­hen. Der bun­des­wei­te Ver­lie­rer ist die FDP, deren Wäh­ler ste­tig in die grü­ne Zukunft abwan­dern, wes­halb die Grü­nen für die Frei­en Demo­kra­ten schon lan­ge Haupt- und Angst­geg­ner sind. Angst muss man als libe­ra­ler Bür­ger vor die­ser Par­tei jedoch schon lan­ge nicht mehr haben.

Unwill­kür­lich kommt einem Kurt Tuchol­skys genia­le Kri­tik an der SPD aus den 20er Jah­ren in den Sinn. Man muss nur das Wort Sozia­lis­mus gegen Umwelt­schutz aus­tau­schen: »Es ist so ein beru­hi­gen­des Gefühl. Man tut was für den Umwelt­schutz, aber man weiß ganz genau: Mit die­ser Par­tei kommt er nicht.«