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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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In Memoriam Klaus Roenspieß

Der am 12. Juli 86-jäh­rig gestor­be­ne Ber­li­ner Maler, Zeich­ner und Gra­phi­ker, der fast ein gan­zes Men­schen­le­ben zwi­schen Ber­lin-Mit­te, Prenz­lau­er Berg und Fried­richs­hain ver­bracht hat, war immer ein Ein­zel­gän­ger, obwohl er mit sei­nen Künst­ler­freun­den stets inten­si­ve Kon­tak­te unter­hielt. Die­se Stadt, so bekann­te Klaus Roen­spieß, »hat mich auch außer­künst­le­risch immer als Gan­zes bewegt und inter­es­siert. Ich habe sie auch zu allen Zei­ten auf wei­ten Wegen durch­streift. Mit die­ser bekann­ten Ein­schrän­kung, die es da gab, schmerz­lich« (gemeint ist die Mauer).

Durch sei­ne dunk­le, feste Male­rei, den expres­si­ven Grund­ge­stus, der Raum durch Wir­kung und Gegen-wir­kung von Far­be erzeugt, ist er bekannt gewor­den. Schein­bar wird das Gegen­ständ­li­che ver­schluckt durch die mono­chro­me Far­be (man hat auch von einer »schwar­zen Peri­ode« gespro­chen). Doch aus dem Dun­kel wach­sen magisch, geheim­nis­voll For­men und Far­ben her­vor, ver­mit­teln Tröst­li­ches und Bedroh­li­ches. Gei­ster­haft, vexier­bild­haft tau­chen gegen­ständ­li­che Moti­ve auf – Bäu­me, Stra­ßen, Mau­ern, Brücken, Kanä­le, Gebäu­de, Höfe, Strän­de in unter­schied­li­chen Tages- und Jah­res­zei­ten. Die­se Vexier­bil­der muss sich das Auge des Betrach­ters erst aus dem Farb­ge­fü­ge zusam­men­su­chen. Gegen­ständ­li­ches und Phy­sio­gno­mie­haf­tes wer­den vom Künst­ler in den gegen­stands­lo­sen Form­ab­lauf impli­ziert. Er ver­moch­te so, eine Spra­che von uner­hör­ter Sen­si­bi­li­tät zu ent­wickeln. Der Betrach­ter fin­det Brücken in die Erin­ne­rung und eige­ne Erfah­rung, aber stets füg­te der Künst­ler dem Bekann­ten – nie ging es ihm um topo­gra­fi­sche Iden­ti­tät – Unbe­kann­tes hin­zu und führ­te den Betrach­ter so unver­se­hens in sei­ne gei­sti­ge Pro­vinz, wo Erschei­nung und Visi­on die Wirk­lich­keit ver­drängt haben und uns von Zer­ris­sen­heit und Unru­he befrei­en sollen.

Seit Mit­te der 1980er Jah­re hat­te sich sei­ne Farb­ska­la erhellt, war die Bild­tek­to­nik in Bewe­gung, in Ver­än­de­rung gera­ten. Aus fast absichts­los gesetz­ten For­men und Far­ben ergab sich das Bild­zei­chen einer Stadt oder Land­schaft. Mit­un­ter wur­de aus dem Schwarz-Blau-Grau nur ein schein­bar unwich­ti­ger Moment – ein gelb-oran­ger Fleck – her­vor­ge­ho­ben (»Stadt­bild«, Öl, 1986/​87). Viel­fach ist die Erin­ne­rung an mensch­li­che Figu­ra­tio­nen in sei­nen Bil­dern ver­wo­ben. Sie ste­hen auch als Rücken­fi­gu­ren – stell­ver­tre­tend für den Betrach­ter – und schau­en in die Land­schaft (»Hom­mage à Cas­par David Fried­rich«, Öl, 1989). Die Far­be treibt als »Los­ge­lö­stes« der Gegen­stands­lo­sig­keit der Ver­wirk­li­chung des anschau­ungs­frei­en Sehens ent­ge­gen. Es ging Roen­spieß nicht um den flüch­ti­gen Augen­blick, nicht um das Vor­über­hu­schen­de und Ent­glei­ten­de der Erschei­nung, son­dern um deren Dich­te und Dau­er im Sin­ne der gestal­te­ten Male­rei, die sich in die Natur nicht mehr ein­fühlt, son­dern ihr eine Ord­nung ent­ris­sen hat, die im Kunst­werk jetzt selb­stän­dig gegen­über der Natur steht. Ein jedes Bild stellt so eine see­li­sche Zer­reiß­pro­be dar. Laut­los haben sich Gedan­ken auf den Gegen­stän­den abge­la­gert. Die Emp­fin­dung wird zur Wirk­lich­keit. Mit rein opti­schen Mit­teln kann die frei­ge­setz­te Far­be Gefüh­le hervorrufen.

Die (Farb-)Holzschnitte von Klaus Roen­spieß sind zu einer Art von »Ste­no­gramm« ver­kürzt; nur noch die wesent­lich­sten Ele­men­te wer­den ange­deu­tet. Die rei­nen Schwarz-Weiß-Kon­tra­ste wer­den ohne Zwi­schen­tö­ne und Über­gän­ge als Gestal­tungs­mit­tel ver­wen­det. In sei­ner Male­rei ist das Zei­chen von vorn­her­ein als far­bi­ge Erschei­nung da, im Holz­schnitt ist das Schwarz die ent­spre­chen­de »Far­be« und stei­gert sich zu höch­ster Inten­si­tät.

Die Gale­rie der Ber­li­ner Gra­phik­pres­se, die sein Werk ver­tritt, gedenkt die­ses stil­len Künst­lers, der die Ber­li­ner Bild­sze­ne wesent­lich geprägt hat: »Klaus Roen­spieß in memo­ri­am«. Gale­rie der Ber­li­ner Gra­phik­pres­se, Sil­vio-Mei­er-Str. 6, 10247 Ber­lin-Fried­richs­hain. Eröff­nung am 25. August, 18-21 Uhr (vor­he­ri­ge Anmel­dung nötig) bis zum 1. Okto­ber 2021, Mi-Fr 13-19 Uhr, Sa 11-15 Uhr sowie nach Ver­ein­ba­rung, Tel. 030-420 124 40, E_​Mail: ulber@galerie-berliner-graphikpresse.de.