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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Olympischer Wettbewerb

Vom Baron Pierre de Cou­ber­tin bis zum Gegen­warts-IOC-Prä­si­den­ten Tho­mas Bach erklär­ten die Komi­tees der Olym­pi­schen Spie­le der Neu­zeit, Bei­trä­ge zum fried­li­chen Wett­be­werb der Völ­ker lei­sten zu wol­len. Das kann man nur ehr­li­chen Her­zens unter­stüt­zen. Dass Wunsch und Wirk­lich­keit oft­mals aus­ein­an­der­klaf­fen und sich der Lei­stungs­sport nicht immer mit den Estab­lish­ments der Staa­ten im Ein­ver­neh­men befin­det, zeig­te sich im Vor­feld der Spie­le und in der media­len Bericht­erstat­tung dar­über schon immer deut­lich, wenn auch in unter­schied­li­cher Aus­prä­gung. Die erneu­te Zuspit­zung der Gegen­sät­ze zwi­schen den bei­den Haupt­la­gern der Welt schlägt um den Lei­stungs­sport kei­nen Bogen.

Olym­pia blieb von den poli­ti­schen Ereig­nis­sen und Rück­schlä­gen in kei­ner Zeit unbe­rührt. Sie führ­ten im Extrem­fall zum Aus­fall der Spie­le in Kriegs­zei­ten. Auf den Miss­brauch der Spie­le für die poli­ti­sche Nazi-Pro­pa­gan­da ziel­te Hit­lers dem­ago­gi­sches Ber­li­ner Olym­pia-Schau­spiel von 1936. Von der blu­ti­gen Ent­glei­sung der vor­geb­lich »hei­te­ren« Mün­che­ner Spie­le von 1972 über den Dop­pel-Boy­kott Olym­pi­as in den 1980er Jah­ren führ­ten die Umwe­ge bis zu den gegen­wär­ti­gen Eska­pa­den um die Pekin­ger Spie­le, noch dazu flan­kiert von der welt­wei­ten Pan­de­mie und den damit ver­bun­de­nen unkal­ku­lier­ba­ren Aus­fäl­len von Wett­kämp­fern und Leistungssportvergleichen.

Die Süd­deut­sche Zei­tung am Wochen­en­de vom 5./6. Febru­ar (Nr. 29) brach­te die Sache auf den Punkt, stell­te unter der Bei­trags­über­schrift »Chi­nas Spie­le« die Fra­ge: »Kann der Olym­pi­sche Gedan­ke Peking 22 über­le­ben?« und for­der­te von Bun­des­kanz­ler Scholz, »end­lich Klar­heit und Ent­schlos­sen­heit im Umgang mit Mos­kau« an den Tag zu legen. Man erwar­te­te offen­sicht­lich von ihm, die Kon­fron­ta­ti­on gegen das Olym­pia aus­tra­gen­de Land Chi­na und sei­nen nicht nur sport­li­chen Bünd­nis­part­ner Russ­land zu ver­stär­ken. Auf der fol­gen­den Sei­te wur­de unter dem lite­ra­ri­schen Titel »Das Win­ter­mär­chen« erläu­tert, »wie der chi­ne­si­sche Macht­ap­pa­rat sichert, dass die her­me­tisch abge­trenn­te olym­pi­sche Bla­se auch nicht die klein­ste Leck­stel­le bekommt«. Jaja, die Menschenrechte …

Das nd – lt. Auf­druck eine sozia­li­sti­sche Tages­zei­tung – schien sich in der Aus­ga­be Nr. 30 vom 5./6. Febru­ar noch nicht so recht schlüs­sig über die Stand­punk­te zur Ver­schlun­gen­heit des olym­pi­schen Win­ter­starts in Chi­na mit dem Russ­land-Ukrai­ne-Kon­flikt zu sein. Die Dro­hun­gen der USA und der EU mit Wirt­schafts­sank­tio­nen, die Fol­ge­run­gen für den rus­si­schen Gas­lie­fer­stopp, die Erklä­run­gen Russ­lands und Chi­nas über den »Geist der stra­te­gi­schen Part­ner­schaft«, das Geran­gel um gegen­sei­ti­ge Sen­de­ver­bo­te Russ­lands und der BRD und dar­aus fol­gen­de Akkre­di­tie­rungs­ent­zü­ge sowie behaup­te­te oder ver­mu­te­te rus­si­sche Trup­pen­be­we­gun­gen in Grenz­nä­he blei­ben durch eine ver­schwom­me­ne Bericht­erstat­tung schwer überschaubar.

Auch die Ber­li­ner Zei­tung vom 7. Febru­ar unter­schied sich kaum von ande­ren undif­fe­ren­zier­ten Aus­sa­gen. »Auf­rü­stung auf bei­den Sei­ten – Russ­land und der Westen ver­stär­ken mili­tä­ri­sche Kräf­te« titel­te die Tages­zei­tung auf S. 4. Unent­schlos­sen­heit und Unsi­cher­heit cha­rak­te­ri­sier­ten die Mehr­zahl der dies­be­züg­li­chen Pres­se­bei­trä­ge. Sie frag­ten auch nach den Posi­tio­nen des neu­en Bun­des­kanz­lers, der zum ersten Mal nach sei­ner Ver­ei­di­gung sei­ne Zurück­hal­tung über­win­den muss­te. Da bleibt nur zu hof­fen, dass Putin und Macron zu ganz­heit­li­chen und gang­ba­ren Lösungs­we­gen finden.

Schon am Vor­tag zog sich der Ber­li­ner Kurier aus der Debat­te zurück, indem er offen­sicht­lich schmack­haf­te­re oder span­nen­de­re The­men auf­griff. »Pikant, süß und als Auf­lauf: Rezep­te mit köst­li­chen Kar­tof­feln« (Titel­sei­te) oder »Die fünf denk­wür­dig­sten Momen­te des Dschun­gel­camps« (S. 10) oder »Ist Fin­ger­knacken eigent­lich schäd­lich?« (S. 37) kamen offen­sicht­lich dem Infor­ma­ti­ons­drang der Leser mehr ent­ge­gen als die Fra­ge, ob und wie einem dro­hen­den Kriegs­aus­bruch erneut die Stirn gebo­ten wer­den kann. Die Mit­tei­lung vom 08. Febru­ar »Anna­le­na Baer­bock geht Krieg gucken« ver­mit­tel­te dabei eher den Ein­druck von Nai­vi­tät als von Sach­kun­de. Dar­an konn­te auch ihre attrak­ti­ve mini­ste­ri­el­le Aus­rü­stung mit Helm und Schutz­we­ste wenig ändern.

Die Ber­li­ner Mor­gen­post über­schrieb ihren Leit­ar­ti­kel vom 7. Febru­ar mit der Fest­stel­lung »Etap­pen­sieg für Putin« und beton­te: »Kon­fus und gespal­ten – der Westen gibt in der Ukrai­ne-Kri­se kein gutes Bild ab«. Der ukrai­ni­sche Prä­si­dent ist genervt, hieß es auf S. 2 wei­ter, weil die Ame­ri­ka­ner »einen Krieg her­bei­re­den«. Dazu pass­te gut, dass die Nach­rich­ten­agen­tur Bloom­berg bereits die Falsch­mel­dung ver­kün­det hat­te, Russ­land sei in die Ukrai­ne ein­mar­schiert. Die ent­spre­chen­de Schlag­zei­le war eine hal­be Stun­de lang auf der Home­page zu sehen. Es wäre ja nicht neu, dass die USA einen Krieg auch durch aben­teu­er­li­che Erfin­dun­gen vorbereiten.

»Der Frie­den in Euro­pa steht auf dem Spiel«, erklär­te die grü­ne BRD-Außen­mi­ni­ste­rin Baer­bock lt. Mor­gen­post vom 8. Febru­ar in Kiew, sicher­te der Ukrai­ne Soli­da­ri­tät zu und ver­sprach, alles zu tun, dass es zu kei­ner wei­te­ren Eska­la­ti­on kommt. Ich bin mir nicht sicher, ob damit auch ein rea­li­sier­ba­res Pro­gramm ver­bun­den sein wird. »Tut Deutsch­land zu wenig gegen Russ­lands Aggres­si­on?«, frag­te die­sel­be Aus­ga­be der Ber­li­ner Mor­gen­post ihre Leser und ihren Kanz­ler. Da wür­de mich aller­dings erst ein­mal inter­es­sie­ren, wel­che aktu­el­len rus­si­schen Aggres­sio­nen wann und wo im olym­pi­schen Umfeld statt­ge­fun­den haben und in wel­chen Pres­se­ver­laut­ba­run­gen ich und wei­te­re Nor­mal­bür­ger dar­über wei­ter­füh­ren­de kon­kre­te Infor­ma­tio­nen nach­le­sen können.

Ich stim­me der Ein­schät­zung zu, die Chef­re­dak­teur Ste­fan Kobus im Edi­to­ri­al Nr. 7 der SUPERil­lu vom 10. Febru­ar trifft: »Bei den Spie­len in Peking tritt der Sport mal wie­der in den Hin­ter­grund. Die vie­len ableh­nen­den Reak­tio­nen auf Olym­pia im Reich der Mit­te und den poli­ti­schen Boy­kott der Eröff­nungs­ze­re­mo­nie fin­de ich ver­lo­gen. (…) Wenn ich mit den Zustän­den im Gast­ge­ber­land nicht ein­ver­stan­den bin, dann blei­be ich kon­se­quen­ter­wei­se zu Hau­se. (…) Wenn es um das gro­ße Geschäft geht, dann sieht die Poli­tik ger­ne dar­über hin­weg. Für 206 Mil­li­ar­den (!) Euro haben wir 2019 mit den Chi­ne­sen Han­del betrie­ben. Da spie­len dann Men­schen­rechts­ver­feh­lun­gen offen­bar kei­ne so gro­ße Rol­le mehr.«