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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Lea Deu­ber, Chi­na-Kor­re­spon­den­tin der Süd­deut­schen Zei­tung. – »Außer Kon­trol­le« heißt Ihre Repor­ta­ge aus der chi­ne­si­schen Pro­vinz Hubei in der SZ vom 30. Juli. Der Vor­spann sug­ge­riert, »die Par­tei« habe auf die Her­aus­for­de­run­gen, die mit der Coro­na-Pan­de­mie und der unmit­tel­bar dar­auf fol­gen­den »Jahr­hun­dert­flut« ver­bun­den waren, panisch und plan­los reagiert: »Die Par­tei macht hier eine Schleu­se auf, dort eine zu, ver­schont die eine Stadt und flu­tet die näch­ste.« Gern hät­te man erfah­ren, wie die Pro­ble­me, deren Grö­ßen­ord­nung wir uns hier kaum vor­stel­len kön­nen, ange­gan­gen wur­den. Wenn Mil­lio­nen vor den Über­schwem­mun­gen geflo­hen sind: Wo sind sie geblie­ben? Wer hat sie ver­sorgt? Wie wur­de das von wem orga­ni­siert? Wer hat was bezahlt? Wenn ver­sucht wur­de, die Was­ser­mas­sen durch ein kom­pli­zier­tes Manage­ment der Rück­hal­te­becken unter Kon­trol­le zu brin­gen: Mit wel­chen Pro­ble­men waren die Ver­ant­wort­li­chen kon­fron­tiert? Nach wel­chen Kri­te­ri­en haben sie ent­schie­den? Wenn eine »auf­ge­brach­te« Frau aus einem über­schwemm­ten Ort im chi­ne­si­schen Fern­se­hen (!) mut­maßt, bei den Ent­schei­dun­gen hät­ten Fabri­ken und Minen eine grö­ße­re Rol­le gespielt als die Inter­es­sen der länd­li­chen Bevöl­ke­rung: Hat sie recht? Wer hat war­um wie ent­schie­den? Ein­zel­fall oder all­ge­mei­ner Usus? All das ver­schwei­gen Sie. Statt­des­sen eine Abfol­ge will­kür­lich anein­an­der­ge­reih­ter, bos­haft inter­pre­tier­ter Zufalls­be­ob­ach­tun­gen. Kal­te­kriegs­be­richt­erstat­tung. Wenn sich schon die SZ nicht zu gut ist dafür: Sie soll­ten es sein.

Hei­ko Maas, eif­ri­ger Außen­mi­ni­ster. – Zum »Kri­sen­tref­fen« mit Ihren EU-Kol­le­gen erklär­ten Sie: »Wir haben als EU zu Bela­rus Geschlos­sen­heit demon­striert und deut­lich klar­ge­stellt, dass wir das Wahl­er­geb­nis dort so nicht aner­ken­nen. Alle Mit­glieds­staa­ten sind sich einig, neue Sank­tio­nen auf den Weg zu brin­gen. Wir ver­tei­di­gen unse­re Wer­te auch jen­seits unse­rer Außen­gren­ze.« Sie blei­ben sich unnach­ahm­lich treu: im Wider­spruch zum Völ­ker­recht, maß­los arro­gant und igno­rant. Erstens: Es nicht Sache der EU, das Wahl­er­geb­nis in einem nicht der Uni­on ange­hö­ren­den Land »anzu­er­ken­nen«. Zwei­tens sind Sank­tio­nen, die nicht vom UN-Sicher­heits­rat gebil­ligt wur­den, völkerrechtswidrig.

Mar­kus Lanz, schlech­ter Zuhö­rer. – In Ihre Sen­dung am 20. August hat­ten Sie zwei jun­ge Frau­en aus Hanau ein­ge­la­den: Ajla Kur­to­vic und Sai­da Hash­e­mi. Ajlas Bru­der Ham­za (22) und Sai­das Bru­der Nesar (21) wur­den, eben­so wie acht wei­te­re Hanau­er, in der Nacht vom 19. auf den 20. Febru­ar 2020 von dem 43-jäh­ri­gen Tobi­as Rath­jen getö­tet. Neun Men­schen erschoss der Ras­sist in zwei Shi­sha-Bars, anschlie­ßend zu Hau­se sei­ne Mut­ter und sich selbst. Von einem »frem­den­feind­li­chen Anschlag« war danach die Rede. Sai­da Hash­e­mi stell­te den Begriff in Fra­ge: »Was ist denn mit ›fremd‹ gemeint?« sag­te sie. »Die­se Men­schen haben ihr Leben in Hanau ver­bracht. Sie haben Fami­lie, Freun­de, sie sind in Hanau zur Schu­le gegan­gen, haben gear­bei­tet – des­we­gen ver­ste­he ich nicht, was mit ›fremd‹ gemeint ist.« Sie über­gin­gen die kri­ti­sche Anmer­kung Ihres Gastes, als hät­ten Sie sie nicht gehört. Und am Ende des Gesprächs frag­ten Sie die bei­den Frau­en nach einer »Gesamt­be­wer­tung«: »Ist das nun ein klar frem­den­feind­li­cher Anschlag oder ist es eine Wahn­sinns­tat eines merk­wür­di­gen Ein­zel­gän­gers?« Was für eine Aus­wahl! Die The­se vom psy­chisch gestör­ten Ein­zel­tä­ter, der sich ganz heim­lich und angeb­lich unauf­find­bar vor sei­nem Com­pu­ter radi­ka­li­siert hat, ist als Stra­te­gie der Ver­harm­lo­sung nur all­zu durch­schau­bar. Und die ande­re Alter­na­ti­ve? Haben Sie Sai­da wirk­lich nicht zuge­hört? Oder fin­den Sie es falsch, dass sie sich und ihre Fami­lie nicht als Frem­de defi­nie­ren will? Was für eine Vor­stel­lung von »deutsch« und »fremd« ver­birgt sich hin­ter sol­chen Begriff­lich­kei­ten (unter­schie­den nicht die Nazis zwi­schen »Deutsch­blü­ti­gen« und »Fremd­blü­ti­gen«)? Eine loh­nen­de Dis­kus­si­on – aber die Chan­ce wur­de vertan.

WDR- und NDR-Rund­funk­rä­te, vor inten­si­ve Hygie­ne­wün­sche gestellt. – Die ARD will an ihren poli­ti­schen Talk­shows »Anne Will«, »Hart aber fair« und »Maisch­ber­ger« fest­hal­ten. Zum Ende 2020 lau­fen die bis­he­ri­gen, vie­le Mil­lio­nen Euro schwe­ren Ver­trä­ge mit den Pro­duk­ti­ons­fir­men der drei Mode­ra­to­ren aus, sie sol­len bis Ende 2023 ver­län­gert wer­den. Vor­ge­se­hen ist, dass der NDR mit »Anne Will« pro Jahr wie­der 30 Aus­ga­ben her­stel­len lässt, der WDR soll mit jeweils 34 Aus­ga­ben »Hart aber fair« und »Maisch­ber­ger. Die Woche« über die Bild­schir­me flim­mern. Den Pro­gramm­ver­ant­wort­li­chen graust eben vor gar nichts: Nicht vor den absur­den Mil­lio­nen­ho­no­ra­ren für die Talk­ver­an­stal­ter und erst recht nicht vor dem niveau­ar­men Plau­der-Abgrund, der sich in den Sen­dun­gen auf­tut. Sie als ver­ant­wort­li­che Rund­funk­rä­te haben jetzt Gele­gen­heit, dem ver­schwen­de­ri­schen Trei­ben den Stoff zu ent­zie­hen: Alles, was mehr als zwei Mil­lio­nen Euro kostet, muss von Ihnen geneh­migt wer­den. Tun Sie´s nicht! Zei­gen Sie kla­re Kan­te bei seich­tem Talk.