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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Die Ambitionen des Mr. Cavoli

Die Zei­ten sind schlecht. Die Nach­rich­ten kei­nes­wegs bes­ser. Uni­so­no in Gazet­ten, auf allen Sen­dern und TV-Kanä­len. Gele­gent­lich gibt es Aus­rut­scher bei Spit­zen­mel­dun­gen, wenn die Nato ihr insze­nier­tes »Ver­tei­di­gungs­image« selbst demon­tiert. Eine Zei­tung infor­mier­te, dass ita­lie­ni­sche Kampf­flug­zeu­ge ein rus­si­sches Mari­ne­flug­zeug über der Ost­see in der Nähe der Stadt Kali­nin­grad abge­fan­gen hät­ten, der Exkla­ve der Russ­län­di­schen Föde­ra­ti­on. Wir ler­nen: Neu­er­dings beginnt dem­nach der Luft­raum der Repu­blik Ita­li­en an den Gesta­den der Ostsee.

Dem Ver­ges­sen fiel völ­lig anheim, dass US-Prä­si­dent Donald Trump den »Open Sky«-Vertrag zur Rüstungs­kon­trol­le auf­ge­kün­digt hat­te, der gegen­sei­ti­ge Auf­klä­rungs­flü­ge und einen offe­nen Him­mel »von Van­cou­ver bis Wla­di­wo­stok« ermög­lich­te. Nach dem Ende des Kal­ten Krie­ges hat­te die­ser Ver­trag für ein gewis­ses Maß an Ver­trau­en und Trans­pa­renz gesorgt.

Trumps Nach­fol­ger Old Joe Biden setzt aller­dings unver­blümt die Poli­tik sei­nes Vor­gän­gers mit Nawal­ny-Wir­bel und wei­te­ren Straf­sank­tio­nen gegen Russ­land fort. Behaup­tet wer­den unter ande­rem angeb­li­che Cyber­ak­ti­vi­tä­ten, die Beein­flus­sung der US-Wah­len und eine bedroh­li­che Mos­kau­er Poli­tik gegen­über der Ukrai­ne. Was von sei­nem tele­fo­ni­schen Ange­bot an Wla­di­mir Putin zu einem Gip­fel­tref­fen ernst­haft zu hal­ten ist, wird sich zei­gen. Die west­li­che Kal­te-Kriegs-Front bleibt ver­här­tet. Die Nato zeigt Nibe­lun­gen­treue mit dem Vasal­len­schwur: »Wir ste­hen soli­da­risch an der Sei­te der Ver­ei­nig­ten Staaten.«

Jetzt kom­men die Ambi­tio­nen des Mister Chri­sto­pher Gerard Cavo­li ins gefähr­li­che Spiel. Der in Würz­burg gebo­re­ne Italo-Yan­kee und Sohn eines Offi­ziers über­nahm im Juli 2014 in Gra­fen­wöhr, Ger­ma­ny, den Befehl über das 7th Army Joint Mul­ti­na­tio­nal Trai­ning Com­mand. Als Drei-Ster­ne-Gene­ral fun­giert er seit 2018 als Kom­man­deur im Euro­pa-Haupt­quar­tier der Seventh United Sta­tes Army in der Wies­ba­de­ner Clay-Kaser­ne, eben­falls Ger­ma­ny. Seit­her gilt er schlicht­weg als Rei­se­mar­schall Rich­tung Ost = Russland.

Par­don, wird ein US-Offi­zier nicht respekt­voll mit Sir ange­spro­chen? Da es sich um ver­nunft­wid­ri­ge Ambi­tio­nen han­delt, die er prä­sen­tier­te und seit die­sem Früh­jahr mit »Defen­der 21« neu auf­leg­te, mag der Mister rei­chen. Er strickt an einem »Schlacht­feld­netz­werk«, »das im Fal­le eines Kon­flik­tes (mit wem wohl? d. Verf.) für alle Nato-Ver­bün­de­ten nütz­lich ist«. Soweit die bekannt­lich graue Theorie.

Im vori­gen Jahr woll­ten die US-Streit­kräf­te ursprüng­lich ihr größ­tes Manö­ver seit 25 Jah­ren in Euro­pa in Sze­ne set­zen. Covid19 ließ die Plä­ne schrump­fen. Beson­ders die Infra­struk­tur der Bun­des­re­pu­blik war gefragt gewe­sen. So die »Con­voy Sup­port Cen­ter« in Garl­stedt, Burg und Ober­lau­sitz, die Häfen von Bre­men und Duis­burg, die Flug­hä­fen von Ham­burg und Frank­furt am Main. Die Deut­sche Bahn beschaff­te eigens zusätz­li­che Schwer­last­wag­gons. Hoch­ex­plo­siv der nie­der­säch­si­sche Übungs­platz Ber­gen-Hoh­ne. Hier hat­te die Bun­des­wehr Euro­pas größ­te mobi­le Tank­stel­le erreich­tet, die ein Fas­sungs­ver­mö­gen von 1,35 Mil­lio­nen Litern Treib­stoff aufwies.

Für 2021 rede­te Mister Cavo­li wie­der­um Klar­text: »Wir tref­fen Vor­be­rei­tun­gen, um bereit zu sein, zu kämp­fen und zu gewin­nen.« Dann dik­tier­te der Afgha­ni­stan-Krie­ger die To-do-Liste für Nato und EU. Die U.S. Army kata­lo­gi­sie­re und teste die bestehen­de euro­päi­sche Infra­struk­tur in den Übun­gen, um dann der Nato mit­zu­tei­len, wel­che Ver­bes­se­run­gen not­wen­dig sei­en. Die Nato wie­der­um lei­te die US-Wün­sche dann an die EU wei­ter, um ihr zu »hel­fen, ihre Infra­struk­tur­gel­der in dual use (…) Infra­struk­tur zu lei­ten«. Bei mili­tä­ri­schen Aspek­ten der EU-Infra­struk­tur­maß­nah­men hät­ten die US-Mili­tärs »ein Wört­chen mit­zu­re­den«. Die Her­aus­for­de­rung bestehe dar­in, »dass wir, als die Nato expan­dier­te, in Ter­ri­to­ri­um expan­dier­ten, das vor­her der ande­ren Sei­te ange­hör­te und des­sen Mili­tär­in­fra­struk­tur für Equip­ment des War­schau­er Pak­tes aus­ge­legt und durch­weg nach Westen aus­ge­rich­tet war. Wir brau­chen dage­gen Infra­struk­tur, die auf west­li­ches Equip­ment aus­ge­legt und nach Osten aus­ge­rich­tet ist.«

Wie blind sind eigent­lich die Poli­ti­ker in Deutsch­land, in Polen, in den bal­ti­schen Staa­ten oder in Süd­ost­eu­ro­pa? Glau­ben sie wirk­lich, dass von der Ram­stein Air Base die auf rus­si­sche Zie­le pro­gram­mier­ten Rake­ten, Marsch­flug­kör­per und Droh­nen see­len­ru­hig gestar­tet und gelenkt wer­den kön­nen? Glau­ben sie tat­säch­lich, dass im Kreml Däum­chen gedreht wer­den, bis die United Sta­tes Army mit­samt Satra­pen ihre Aus­gangs­räu­me erreicht hat oder bis die in Büchel scharf gemach­ten Atom­bom­ben den auf nuklea­re Teil­ha­be gei­len deut­schen Poli­t­obe­ren zum Ein­satz über­las­sen wur­den? Es soll­te auch ohne Examen an der US Mili­ta­ry Aca­de­my West Point oder der Ham­bur­ger Bun­des­wehr-Füh­rungs­aka­de­mie min­de­stens vor­stell­bar sein, dass eine Gegen­sei­te Flug­plät­ze, Tank­sta­tio­nen und Schie­nen­we­ge eben­falls im Visier hat und ihre Rake­ten ent­spre­chend pro­gram­miert sind. Von den nütz­li­chen Auf­zeich­nun­gen mili­tä­ri­scher Spio­na­ge­sa­tel­li­ten, denen kei­ne Steck­na­del ent­geht, ganz abgesehen.

Mr. Cavo­li hat mit Bul­ga­ri­en ein Hoch­in­zi­denz­ge­biet der Coro­na-Pan­de­mie und mit Rumä­ni­en ein Risi­ko­ge­biet als Rei­se­ziel gewählt, für das ein Ein­rei­se­ver­bot für Dritt­staats­an­ge­hö­ri­ge gilt. Es liegt im Bereich des Denk­ba­ren, dass »Defen­der 21« medi­zi­nisch noch­mals außer Gefecht gesetzt wer­den könn­te. Dann hät­te Covid19 mit sei­nen Muta­tio­nen wenig­stens etwas Gutes bewirkt.