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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Gott mit uns: Die Bundeswehr ist im Eimer

…, aber der Teu­fel immer noch am Werk. Der Rei­he nach: 1944 lag zum letz­ten Mal ein Paket mit deut­schen Bake­lit­sol­da­ten unterm Christ­baum. Ich war neun Jah­re alt und habe sie gut auf­ge­stellt für den End­sieg. Da konn­te nichts mehr schief­ge­hen. Ging doch. Ich woll­te es nicht glau­ben. Aber lang­sam, sehr lang­sam nahm ich Ver­nunft an und warf 1947, etwas ver­spä­tet, die­ses Zeug end­lich in den Müll­ei­mer. Nütz­te nichts. Klamm­heim­lich hol­te sie der katho­li­sche Dok­tor Ade­nau­er wie­der raus und bear­bei­te­te uns erst­mal: christ­li­ches Abend­land gegen den Bol­sche­wis­mus und so. Wie mir schon 1944 der klump­fü­ßi­ge Dok­tor Goeb­bels aus dem Volks(emp)fänger gesagt hat­te. Bald mar­schier­ten sie wie­der. Bis zum Anschluss. Und schließ­lich, als Sozi­al­de­mo­kra­ten und Grü­ne regier­ten, gegen Jugo­sla­wi­en und Afgha­ni­stan. Wegen: Nie wie­der Ausch­witz. Und zum Brun­nen­boh­ren und Mäd­chen­schu­len­bau­en. Und dann wur­de Oberst Klein für sei­ne erfolg­rei­che Eli­mi­nie­rung von über hun­dert gefähr­li­chen Kin­dern, Frau­en und Män­nern zum Gene­ral beför­dert und ist jetzt im Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­ri­um zustän­dig fürs, ja, »Per­so­nal­ma­nage­ment«. Ich hät­te ihn und den gan­zen neo-deut­schen Mili­tär­kram gern zu mei­nen groß­deut­schen Bake­lit­sol­da­ten in den Müll geworfen.

Doch jetzt – aus dem jüng­sten Bericht des Wehr­be­auf­trag­ten Hans-Peter Bartels (SPD) – die Fro­he Bot­schaft: »Wir bewe­gen uns res­sour­cen­mä­ßig am Limit und leben von der Sub­stanz.« Und, eben­so erfreu­lich: »Anfor­de­run­gen an uns, der tat­säch­li­che Zustand unse­res Mate­ri­als und die Ver­füg­bar­keit von Per­so­nal befin­den sich nicht in der Waa­ge, um die Ein­satz­be­reit­schaft im gefor­der­ten Umfang her­zu­stel­len.« Das zitiert er aus dem Rund­brief eines Mari­ne­kom­man­deurs an die Ange­hö­ri­gen sei­nes Ver­ban­des. Das Hee­res­kom­man­do ana­ly­siert: »Die der­zei­ti­ge Beschaf­fungs­pra­xis ist dar­auf aus­ge­rich­tet, Risi­ken mög­lichst aus­zu­schlie­ßen, und strebt maxi­ma­le (recht­li­che) Sicher­heit und Regel­kon­for­mi­tät an. Immer kom­ple­xe­re, sich gegen­sei­tig teils sogar wider­spre­chen­de Rege­lun­gen erzeu­gen immer höhe­ren sequen­ti­el­len Abstim­mungs­be­darf und viel­fäl­ti­ge Schnitt­stel­len.« Und der Luft­waf­fen­in­spek­teur teilt im Som­mer 2018 öffent­lich mit: »Die Luft­waf­fe befin­det sich an einem Tiefpunkt.«

Der Wehr­be­auf­trag­te hofft: »Die­se Ehr­lich­keit ist gut. Sie ist exi­sten­ti­ell für die Zukunft der Bun­des­wehr. Nichts kommt von selbst. Wer Ver­bes­se­run­gen will, muss Miss­stän­de anspre­chen. Ent­schei­dun­gen sind nötig. Abwar­ten kann kei­ne Opti­on mehr sein.« Ja, die­se Ehr­lich­keit ist gut. Es geht um die Exi­stenz der Bun­des­wehr. Oh ja, bitte.

Der Wehr­be­auf­trag­te: »Als Haupt­hin­der­nis für not­wen­di­ge Ver­bes­se­run­gen erle­ben vie­le Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten die Über­or­ga­ni­sa­ti­on von allem und jedem.« Und, so Bartels: »Für ver­schwen­de­ri­schen Umgang mit den Res­sour­cen Geld und Zeit steht nicht zuletzt der Fall ›Gorch Fock‹. Er zeigt para­dig­ma­tisch die Dif­fu­si­on von Ver­ant­wor­tung in einer zer­split­ter­ten Zustän­dig­keits­kul­tur, wo es nie­man­des Auf­ga­be zu sein scheint zu fra­gen: ›Ist das nor­mal, wenn der Repa­ra­tur­preis sich von zehn auf 135 Mil­lio­nen Euro ver­drei­zehn­facht?‹« Aber ja, die Gorch Fock hat sich bewährt, um Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten, die den Anfor­de­run­gen nicht genü­gen, aus der Welt zu schaffen.

Die Sol­da­ten selbst, so Bartels, spre­chen vom »Büro­kra­tie­mon­ster Bun­des­wehr«. Und sie sagen: »Wir ver­wal­ten uns zu Tode.« Das wie­der­um ist in der Tat die beste Lösung. Es ist erfreu­lich, dass die Bun­des­wehr sich selbst lahm­legt. Das Büro­kra­tie­mon­ster hat, gott­lob, schon die Groß­deut­sche Wehr­macht vor Mos­kau aus­ge­schal­tet, als sie in Som­mer­be­klei­dung vor der Zen­tra­le des bol­sche­wi­sti­schen Erz­fein­des stand und mit Mann und Tank und Wagen ent­we­der beim Anblick der Mos­kau­er Tür­me sofort erfror oder allen­falls durch schleu­nig­sten Rück­zug das nack­te Leben rettete.

Damals ging es um Win­ter­be­klei­dung für die Sol­da­ten, heu­te muss der Wehr­be­auf­trag­te bar­men, dass bei sei­ner Bun­des­wehr gebrauch­te Unter­ho­sen auf­ge­tra­gen wer­den müs­sen. Solan­ge noch Platz in ihnen ist für ange­mes­se­ne Mei­nungs­äu­ße­run­gen über den Zustand der Bun­des­wehr. Dazu kommt ein »histo­ri­scher Tief­stand« bei der Anwer­bung neu­er Sol­da­ten. 2018 ist die Zahl der Neu­ein­trit­te um 3000 auf nur noch 20.000 gesun­ken. Da hilft auch nicht die Anwer­bung von Kin­der­sol­da­ten auf groß­flä­chi­gen Pla­ka­ten (»Nach der Schu­le liegt dir die Welt zu Füßen. Mach sie siche­rer«). Trump hat mit sei­ner Auf­kün­di­gung des INF-Ver­trags die Atom­waf­fen im Iran, in Paki­stan, in Chi­na, in Nord­ko­rea scharf gemacht. Die so gewon­ne­ne Kriegs­be­reit­schaft in aller Welt darf nicht auch noch durch eine Ein­satz­be­reit­schaft der Bun­des­wehr erhöht wer­den. Sie darf nicht angriffs­be­reit, nicht kampf­be­reit sein. Am besten: Wir machen mit ihr, was ich vor sie­ben Jahr­zehn­ten mit mei­nen Bake­lit­sol­da­ten anstell­te. So machen wir die Welt ein wenig sicherer.