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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Macht hier nicht den Scholz

Letz­tes Wochen­en­de ist der Kanz­ler­kan­di­dat der vor ein­hun­dert­und­sechs Jah­ren noch so stol­zen deut­schen Sozi­al­de­mo­kra­tie zur blö­den Witz­fi­gur ver­kom­men: Frau betritt von hin­ten das Arbeits­zim­mer ihres Man­nes. Er, im Chef­ses­sel, blü­ten­wei­ßes Hemd, tele­fo­niert, sein Mund grinst lüstern, um den Kopf tan­zen zwei rosa Herz­chen. Sie, her­an­ge­kom­men: »Mit wem hast du gera­de gespro­chen?« Knall­rot das Haupt legt er den Hörer auf: »Öh … ich kann mich nicht erin­nern.« Sie, wütend: »Jetzt mach hier nicht den Scholz.«

So am 26. Sep­tem­ber in der Süd­deut­schen Zei­tung die SZ-Zeich­nung von Karin Mihm. Kaum war Olaf Scholz Kanz­ler­kan­di­dat, da steht er auch schon ver­le­gen und erin­ne­rungs­schwach vor dem Finanz­aus­schuss des Bun­des­ta­ges (ein mit mehr Kom­pe­ten­zen aus­ge­rü­ste­ter Unter­su­chungs­aus­schuss wird fol­gen). Es geht um den Cum-ex-Skan­dal, den »größ­ten Steu­er­raub aller Zei­ten« (Die Zeit). 2016 ließ die Köl­ner Staats­an­walt­schaft Ham­burgs mäch­tig­stes Geld­haus, die War­burg-Bank, durch­su­chen. Die Ham­bur­ger Steu­er­be­hör­de kün­dig­te an, wegen betrü­ge­ri­scher Cum-ex-Deals eine Rück­erstat­tung von 47 Mil­lio­nen Euro zu for­dern, die sonst zu ver­jäh­ren droh­te. Es folg­ten seit dem 7. Sep­tem­ber 2016 eini­ge Tref­fen von Bank­chef Chri­sti­an Olea­ri­us mit dem ehe­ma­li­gen Ersten Bür­ger­mei­ster Olaf Scholz, bei denen über steu­er­li­che und straf­recht­li­che Pro­ble­me gespro­chen wur­de, die der Bank aus ihren Cum-ex-Geschäf­ten ent­stan­den waren. Olea­ri­us notier­te danach in sei­nem Tage­buch, Scholz habe ihm ver­si­chert, er und die Bank bräuch­ten sich »kei­ne Sor­gen zu machen«. Muss­ten sie auch nicht, Ham­burgs Finanz­be­hör­den auch nicht mehr: Eine Rück­zah­lung der durch Betrug erwor­be­nen 47 Mil­lio­nen war dann verjährt.

Sie­ben­und­vier­zig Mil­lio­nen. Aber vor dem Bun­des­tags­aus­schuss wuss­te Finanz­mi­ni­ster Scholz nach inni­gem Befra­gen nur, dass in sei­nem Notiz­buch der Ter­min eines Tref­fens mit Olea­ri­us ver­merkt sei. Wor­über man gespro­chen habe, dar­an kön­ne er sich wirk­lich nicht erin­nern. Es sei aber sicher, dass es nie­mals zu einer poli­ti­schen Inter­ven­ti­on in das Steu­er­ver­fah­ren gekom­men sei. Es gehö­re zum All­tags­ge­schäft der demo­kra­ti­schen Poli­tik, ver­si­cher­te Scholz, dass sich poli­tisch Ver­ant­wort­li­che mit Bür­gern und mit Unter­neh­mern trä­fen und deren Anlie­gen anhörten.

Wenn er wenig­sten gelo­gen hät­te: Nein, ich habe mich nie mit Herrn Olea­ri­us getrof­fen, und bei eben die­sem Gespräch ging es nicht um 47 Mil­lio­nen Euro Steu­er­gel­der! Das hät­te staats­män­ni­sches For­mat gehabt. Demen­ti nennt man sowas. Aber der SPD-Kanz­ler­kan­di­dat heißt Scholz, und er weiß, was er tut. Und war­um er lügt, wenn er nicht die Wahr­heit sagt. Der Herr Scholz kann sich nicht erinnern.

Kata­ri­na Bar­ley, Vize­prä­si­den­tin des EU-Par­la­ments, in der Vor­wärts-Krö­nungs­num­mer zur Kanz­ler­kan­di­da­tur: »Olaf Scholz ist einer der zuver­läs­sig­sten Men­schen, die ich ken­ne. An sei­nem Wort kann man ein Tau festmachen.«