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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Manipulationen gegen das Friedensmanifest

Nach der Frie­dens­de­mon­stra­ti­on mit einer Betei­li­gung von meh­re­ren Zehn­tau­send und ange­sichts der über 700 000 Unter­schrif­ten unter das »Mani­fest für den Frie­den«, das Ali­ce Schwar­zer und Sahra Wagen­knecht initi­iert haben, setz­te eine Hetz­kam­pa­gne füh­ren­der Medi­en gegen die Akti­ven aus der Frie­dens­be­we­gung ein, an der aller­dings auch Tei­le des grün-sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Anti­fa-Spek­trums Anteil haben. Der Spie­gel warn­te am Tag nach der Frie­dens­kund­ge­bung am Bran­den­bur­ger Tor in zyni­scher Wei­se »Quer­front ja, aber bit­te dis­kret!«, und erläu­ter­te: »Bei der soge­nann­ten Frie­dens­de­mon­stra­ti­on am Sams­tag in Ber­lin zeig­ten sich die Kon­tu­ren des­sen, was Sahra Wagen­knecht in Wahr­heit anstrebt: eine pro­rus­si­sche, anti­ame­ri­ka­ni­sche, natio­nal ori­en­tier­te Samm­lungs­be­we­gung. Die AfD reagiert erfreut.«

Damit haben wir kla­re Eck­pfei­ler der Kam­pa­gne: Dem »Mani­fest für den Frie­den« und der Akti­on wird unter­stellt, 1. rechts­of­fen-natio­nal, 2. pro Putin und 3. anti­ame­ri­ka­nisch zu sein.

Die­se Ein­schät­zun­gen sind auch in links­li­be­ra­len Initia­ti­ven und Medi­en wie der Frank­fur­ter Rund­schau vom Wochen­en­de nach der Ber­li­ner Kund­ge­bung zu fin­den. Dort liest man, dass die Mah­nung an die Orga­ni­sa­to­rin­nen der Ber­li­ner Kund­ge­bung sich klar von Rechts­ra­di­ka­len abzu­gren­zen »in Tei­len unge­hört« blieb. Die­se Unter­stel­lung hat zwei Ebe­nen: Erstens: Was heißt es, wenn Sahra Wagen­knecht im Vor­feld jeden, »der ehr­li­chen Her­zens für Frie­den ist«, will­kom­men heißt, und wenn sie Fah­nen sowie Sym­bo­le, die Rech­te und ande­re Natio­na­li­sten ein­set­zen, auf der Kund­ge­bung ver­bie­tet? Sind Rech­te ehr­lich für Frie­den? Die AfD zum Bei­spiel ist des­halb gegen Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne, weil dadurch die Bun­des­wehr aus­ge­plün­dert wird, wie der AfD-Poli­ti­ker Oberst a. D. Lucas­sen Anfang Febru­ar im Phoe­nix-Inter­view anmerkte.

Am Tag nach der Ber­li­ner Kund­ge­bung ging die tages­zei­tung mit ihren Angrif­fen auf die For­de­rung nach Ver­hand­lun­gen, statt Waf­fen­lie­fe­run­gen einen Schritt wei­ter: »Wozu, wenn Putin das doch nicht will. Und man ihm eh nie­mals ver­trau­en kann. Und dann noch mit Chi­na als Ver­mitt­ler? (…) Laut­stark für Ver­hand­lun­gen als Aus­weg aus dem Ukrai­ne-Krieg tre­ten hier nur die Trup­pen um Sahra Wagen­knecht und Ali­ce Schwar­zer auf.« Die Spra­che, bei einer sol­chen Akti­on von den Teil­neh­mern als »Trup­pen« zu spre­chen, offen­bart ein frag­wür­di­ges Den­ken der Redak­ti­on, die das durchwinkt.

Zum Vor­wurf, auf der Kund­ge­bung waren zwi­schen den Zehn­tau­sen­den auch AfD-Mit­glie­der, ist zu sagen: Bei die­ser gro­ßen Zahl an Teil­neh­men­den eine Gesin­nungs­prü­fung vor den Zugang der Men­schen zum Kund­ge­bungs­ort vor­zu­schal­ten, ist unmög­lich. Wer das ver­langt, kann weder Demo­krat noch Rea­list genannt wer­den. Und natür­lich ver­su­chen Rech­te über die Unter­wan­de­rung auch an sich geg­ne­ri­scher Pro­jek­te Ein­fluss in unse­rer Gesell­schaft zu generieren.

Sahra Wagen­knecht grenz­te die Kund­ge­bung in ihrer Rede klar gegen rechts ab: »Wenn wir schon von Rechts­of­fen­heit reden, dann sol­len sich« die Kritiker/​innen an die eige­ne Nase fas­sen: Sie mein­te damit jene, die sich mit dem aktu­el­len ukrai­ni­schen Vize­au­ßen­mi­ni­ster Mel­nyk ver­bün­den. Er mache »kei­nen Hehl dar­aus«, dass er im Nazi-Kol­la­bo­ra­teur Ban­de­ra, der für die Ermor­dung von tau­sen­den Juden, Polen und Rus­sen ver­ant­wort­lich, ist »einen natio­na­len Hel­den« sieht. Auf die Vor­wür­fe hin, die Kund­ge­bungs-Orga­ni­sa­to­rin­nen sei­en zynisch, gewis­sen­los und womög­lich von Putin bezahlt, stell­te sie die Fra­ge: »Seit wann ist der Ruf nach Frie­den und nach Diplo­ma­tie rechts?«, und sie fuhr fort: »Selbst­ver­ständ­lich haben Neo­na­zis und Reichs­bür­ger, die in der Tra­di­ti­on von Regi­men ste­hen, die für die schlimm­sten Welt­krie­ge in der Mensch­heits­ge­schich­te Ver­ant­wor­tung tra­gen, auf unse­rer Kund­ge­bung nichts zu suchen. (…) Wer die Gefahr eines nuklea­ren Infer­nos in Kauf nimmt, der steht nicht auf der rich­ti­gen Sei­te der Geschich­te.« Ali­ce Schwar­zer ergänz­te im direk­ten Anschluss unter ande­rem das: »Wer in der Situa­ti­on kei­ne Angst hat, der ist ent­we­der ein Dumm­kopf oder ein Zyni­ker. (…) Trotz des Tsu­na­mis an Beschimp­fun­gen (…), der über Sahra Wagen­knecht und mich hin­weg gegan­gen ist, gilt: Wir las­sen uns nicht ein­schüch­tern vom Gere­de der man­geln­den Distanz zur extre­men Rech­ten. Wie absurd ist das, Frau­en wie uns auf­zu­for­dern, wir sol­len uns von Rechts distan­zie­ren?! Unser gan­zes Leben, unser gan­zes Enga­ge­ment ist links, wir sind für sozia­le Gerech­tig­keit und gegen Gewalt. Das galt frü­her ein­mal als links. Wir ste­hen hier, weil täg­lich Hun­der­te ster­ben und weil das Atom­kriegs­ri­si­ko zunimmt.«

Die Liste der Erstunterzeichner/​innen des Frie­dens­ma­ni­fests und auch die­se Reden recht­fer­ti­gen den Vor­wurf der »Quer­front« gegen die­se Akti­on der Zehn­tau­sen­de Ende Febru­ar am Bran­den­bur­ger Tor nicht.

Zur Über­prü­fung des Vor­wurfs an die Unterstützer/​innen des Frie­dens­ma­ni­fests, die Akti­on sei pro Putin und anti­ame­ri­ka­nisch auf­ge­stellt, zwei­er­lei: Die Kri­tik an der Admi­ni­stra­ti­on im Wei­ßen Haus ist eine Kri­tik an der US-Regie­rung und kein Anti­ame­ri­ka­nis­mus. Hier Zita­te aus dem Gruß­wort des US-Bera­ters und Öko­no­men Jef­frey Sachs von der Ber­li­ner Kund­ge­bung, über die fast kei­nes der füh­ren­den Mei­nungs­me­di­en die­ses Lan­des nach der Kund­ge­bung Ende Febru­ar berich­te­te: »Ich bin Jef­frey Sachs, Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor an der Colum­bia Uni­ver­si­ty. (…) Ich war Bera­ter der Regie­run­gen Russ­lands, der Ukrai­ne und der Ver­ein­ten Natio­nen, und ich möch­te mit Ihnen über die Wahr­heit die­ses Krie­ges sprechen.

Wir befin­den uns nicht am ein­jäh­ri­gen Jah­res­tag des Krie­ges, dies ist sein neun­ter Jah­res­tag. Der Krieg begann mit dem gewalt­sa­men Sturz des ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten Vik­tor Janu­ko­witsch. Ein Putsch, der von den Ver­ei­nig­ten Staa­ten lan­ciert wur­de. Von 2008 an dräng­ten die Ver­ei­nig­ten Staa­ten auf die Nato-Erwei­te­rung in der Ukrai­ne und Geor­gi­en. Janu­ko­witsch woll­te Neu­tra­li­tät. Er stand zwi­schen den USA und ihrem Ziel die­ser Nato-Erwei­te­rung. Als Ende 2013 die Pro­te­ste gegen Janu­ko­witsch aus­bra­chen, ergrif­fen die USA die Gele­gen­heit, um die Pro­te­ste eska­lie­ren zu las­sen. Und sie tru­gen zu dem Putsch gegen Janu­ko­witsch, im Febru­ar 2014, bei. Das war der Anfang des Krie­ges vor neun Jahren.

Seit­dem hat Russ­land die Krim erobert. Der Krieg im Don­bass brach aus. Die Nato spül­te Mil­li­ar­den Dol­lar an Auf­rü­stung in die Ukrai­ne. Der Krieg eska­lier­te immer wei­ter. Die soge­nann­ten Frie­dens­ab­kom­men von Minsk I und II, bei denen Deutsch­land als Co-Garant fun­gie­ren soll­te, funk­tio­nier­ten nicht, weil die Ukrai­ne sich wei­ger­te, sie umzu­set­zen, und weil Deutsch­land und Frank­reich kei­nen Druck zur Umset­zung ausübten.

Ende 2021 mach­te Prä­si­dent Putin klar, dass die Rote Linie für Russ­land die Nato-Erwei­te­rung in der Ukrai­ne ist und nicht akzep­tiert wer­den kann. Putin erklär­te, dass Russ­land die Kon­trol­le über die Krim behal­ten muss. Und dass mit dem Don­bass auf der Grund­la­ge der Mins­ker Frie­dens­ab­kom­men I und II ver­fah­ren wer­den muss. Joe Biden und das Wei­ße Haus lehn­ten es jedoch ab, über die Nato-Erwei­te­rung zu ver­han­deln. So fand die rus­si­sche Inva­si­on tra­gi­scher­wei­se und zu Unrecht im Febru­ar 2022 statt, acht Jah­re nach dem Putsch gegen Janukowitsch.

Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten haben das Land seit­dem mas­siv auf­ge­rü­stet, und inzwi­schen ist die Zahl der Toten und die Zer­stö­rung fürch­ter­lich hoch. Im März 2022 erklär­te die Ukrai­ne, dass sie auf der Grund­la­ge der Neu­tra­li­tät ver­han­deln wür­de. Wir wis­sen jetzt, dass die Ver­ei­nig­ten Staa­ten die­se Ver­hand­lun­gen blockier­ten und eine Eska­la­ti­on des Krie­ges favo­ri­sier­ten. (…) Dies ist ein Krieg, der been­det wer­den muss, bevor er uns alle in ein nuklea­res Arma­ged­don ver­wickelt. Dan­ke für Ihre Bemü­hun­gen. Wir müs­sen die Wahr­heit sagen. Bei­de Sei­ten haben gelo­gen und betro­gen und Gewalt ausgeübt.

Bei­de Sei­ten müs­sen sich zurück­zie­hen. Die Nato muss den Ver­such der Erwei­te­rung um die Ukrai­ne und Geor­gi­en stop­pen. Wir müs­sen auf die Roten Lini­en bei­der Sei­ten hören, damit die Welt über­le­ben kann.«