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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Des Dichters Irrtum

In die­sem Jahr wird an den 125. Geburts­tag von Ber­tolt Brecht erin­nert. Über den gro­ßen deut­schen Dra­ma­ti­ker und Lyri­ker des 20. Jahr­hun­derts ist sehr viel geschrie­ben und gespro­chen wor­den. Sei­ne Wer­ke wer­den nach wie vor welt­weit auf­ge­führt. Pro­mi­nen­te Zeit­ge­nos­sen sind uns immer dann noch sym­pa­thi­scher, wenn wir ent­decken, dass auch sie mensch­li­che Schwä­chen hat­ten und Irr­tü­mern unter­la­gen. Dar­über wird frei­lich eher sel­ten geschrie­ben, und so ent­steht oft der Ein­druck von Fehlerlosigkeit.

Am 22. Mai 1953 bat Brecht den ihn in juri­sti­schen Ange­le­gen­hei­ten betreu­en­den Anwalt Fried­rich Karl Kaul um Rat. Es ging um den Erwerb der Rech­te an sei­nem Stück »Mut­ter Cou­ra­ge und ihre Kin­der« durch die DEFA. Hier­für wur­de ihm ein Betrag in Höhe von 25.000 DM ange­bo­ten, was ihm aller­dings zu nied­rig war. Er ver­lang­te das Dop­pel­te. Auf­grund von Wid­rig­kei­ten kam es nicht zur beab­sich­tig­ten Ver­fil­mung des Stückes, und die DEFA teil­te ihm dar­auf­hin mit, dass man jetzt auch nicht mehr am Erwerb der Rech­te inter­es­siert sei. Brecht ver­trat nun­mehr die Ansicht, man müss­te ihm aber auf jeden Fall die 25.000 DM zah­len, da die Sache sich lan­ge hin­ge­zo­gen hat­te und er dadurch gehin­dert war, »die Rech­te ander­wei­tig zu ver­ge­ben«. Die Ant­wort des Juri­sten kam mit Brief vom glei­chen Tage prompt: Da Brecht den Ver­trag über 25.000 DM nicht unter­schrie­ben hat­te, sei­en »dar­aus auch kei­ne Ansprü­che an die DEFA abzu­lei­ten«. Ob Ber­tolt Brecht dar­aus die Leh­re gezo­gen hat, künf­tig nicht zu hoch zu pokern, ist nicht überliefert.

Mich erin­ner­te die Geschich­te an eine ande­re Bege­ben­heit aus der Zeit mei­nes rechts­wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­ums an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät Mit­te der 1980er Jah­re: Der Dekan der juri­sti­schen Fakul­tät (das hieß damals noch anders), der zu die­ser Zeit auch einen Teil der Vor­le­sun­gen im Zivil­recht bestritt, ver­wies auf Bei­spie­le für die Unwirk­sam­keit von Testa­men­ten. In dem Zusam­men­hang nann­te er Ber­tolt Brecht als Para­de­bei­spiel. Die­ser hat­te näm­lich sein Testa­ment mit Schreib­ma­schi­ne geschrie­ben, was sowohl damals wie heu­te nicht den Form­erfor­der­nis­sen genügt und zu des­sen Nich­tig­keit führt. Mir brach­te das mit etwas Schmun­zeln die Erkennt­nis näher, dass auch so bekann­ten Per­sön­lich­kei­ten Feh­ler unter­lau­fen, was sie uns nur mensch­li­cher macht.