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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Millionen für den Kirchentag?

Hel­mut Ort­ner   Mil­lio­nen für den Kirchentag? 

 

Alle Jah­re wie­der fin­det hier­zu­lan­de ein Kir­chen­tag statt, immer im Wech­sel, mal ein katho­li­scher, mal ein evan­ge­li­scher – und immer in einer ande­ren Stadt. Das Gan­ze hat Event-Cha­rak­ter: Es gibt Musik, Tanz, gemein­sa­mes Gebet und jede Men­ge Vor­trä­ge über Gott und die Welt. Ein straff orga­ni­sier­tes Him­mels-Festi­val mit Zelt­la­ger-Flair. Im Juni trifft sich die Chri­sten­ge­mein­de in Nürn­berg, zum 38. Evan­ge­li­schen Kirchentag.

Der Frei­staat Bay­ern unter­stützt mit 5,5 Mil­lio­nen Euro die Kir­chen-Ver­an­stal­tung groß­zü­gig. Bei der sym­bo­li­schen Scheck­über­ga­be im Hei­mat­mi­ni­ste­ri­um in Nürn­berg ließ Mini­ster­prä­si­dent Söder ver­lau­ten, es sei eine gro­ße Freu­de, dass der Kir­chen­tag zum zwei­ten Mal nach 1979 in Nürn­berg statt­fin­de. »Evan­ge­lisch is coming home, sozu­sa­gen«, so der CSU-Mann im salop­pen Mar­ke­ting-Jar­gon. Wei­te­re drei Mil­lio­nen Euro gibt es aus dem städ­ti­schen Haus­halt der Fran­ken-Metro­po­le, die dar­über hin­aus den Kir­chen­tag auch mit Sach­lei­stun­gen, wie etwa dem Bereit­stel­len von Ver­an­stal­tungs­or­ten, in Höhe von etwa einer Mil­li­on Euro unter­stützt. Dass die Stadt Nürn­berg mit einem Schul­den­stand von 1,9 Mil­li­ar­den Euro aktu­el­le Schul­den­kö­ni­gin in Bay­ern ist, darf hier kurz ange­merkt werden.

Die Ver­an­stal­ter, an der Spit­ze CDU-Mann Tho­mas de Mai­ziè­re, der dies­mal als Prä­si­dent des Kir­chen­tags fun­giert, sind hoch erfreut über so viel Zuspruch. Der Ex-Mini­ster des Inne­ren und der Ver­tei­di­gung – einst zustän­dig für Ord­nung und Sicher­heit, jetzt für Glau­be und Hoff­nung – bedank­te sich für den staat­li­chen und städ­ti­schen Geld­se­gen, denn dies, so de Mai­ziè­re, sei nicht selbst­ver­ständ­lich in Zei­ten, in denen die Bedeu­tung der Kir­che abneh­me. Wie recht er hat!

Die Kir­chen lei­den in Deutsch­land unter Mit­glie­der­schwund, ihnen lau­fen die Schäf­chen davon. Allein 2021 waren es 640 000, antei­lig 280.000 evan­ge­li­sche und 360.000 katho­li­sche. Seit Früh­jahr 2022 befin­det sich in Deutsch­land erst­mals seit Jahr­hun­der­ten kei­ne Mehr­heit der Men­schen mehr im Schoß der bei­den gro­ßen Kir­chen. Doch mit sat­ten staat­li­chen Geld­zah­lun­gen und Sub­ven­tio­nen darf die Kir­chen-Lob­by wei­ter­hin rech­nen, trotz dra­ma­ti­scher Haus­halts-Defi­zi­te und klam­mer kom­mu­na­ler Kassen.

Der Bund für Gei­stes­frei­heit (bfg) Bay­ern hat sich nun in einem Schrei­ben an die Frak­tio­nen im Nürn­ber­ger Stadt­rat gewandt, um gegen die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung des Kir­chen­tags zu pro­te­stie­ren. Nach Auf­fas­sung des bfg han­delt es sich beim kom­men­den Nürn­ber­ger Got­tes-Event um eine inner­kirch­li­che Ver­an­stal­tung, die vom Ver­ein »38. Deut­scher Evan­ge­li­scher Kir­chen­tag Nürn­berg 2023 e. V.« orga­ni­siert und durch­ge­führt wird. Es sei »nicht die Auf­ga­be der öffent­li­chen Hand bezie­hungs­wei­se der Steuerzahler*innen, eine reli­giö­se Groß­ver­an­stal­tung zu finan­zie­ren, so ein Spre­cher der Aktivisten.

Auch wenn der Bedeu­tungs­ver­lust unüber­seh­bar ist, eine gesell­schaft­li­che Debat­te, ob Kir­chen­ta­ge wei­ter­hin aus öffent­li­chen Mit­teln unter­stützt wer­den sol­len – also auch von Kir­chen­fer­nen, Anders­gläu­bi­gen und Ungläu­bi­gen –, fin­det nicht statt. Die Poli­tik ver­teilt wei­ter­hin groß­zü­gig Blan­ko-Schecks. Dabei wider­spricht die Kir­chen­tags­för­de­rung dem Grund­ge­setz: Laut Arti­kel 3 Absatz 3 des Grund­ge­set­zes darf »nie­mand wegen sei­nes Glau­bens oder sei­ner reli­giö­sen Anschau­un­gen benach­tei­ligt oder bevor­zugt wer­den«. Die Mil­lio­nen-Gaben ver­let­zen den rechts­staat­li­chen Grund­satz der Tren­nung von Staat und Reli­gi­on. Dabei besit­zen die Kir­chen genü­gend Geld­re­ser­ven. Allein die Kir­chen­steu­er­ein­nah­men der Evan­ge­li­schen Kir­che betru­gen 2021 rund 5.994 Mrd. Euro. Da bleibt die Fra­ge: War­um finan­zie­ren die Kir­chen ihre PR-Ver­an­stal­tun­gen eigent­lich nicht selbst?

Die Kir­che – eine fis­ka­li­sche Fin­te – tritt nicht als Ver­an­stal­ter auf. Die Orga­ni­sa­ti­on wird vom »Ver­ein För­de­rung des Deut­schen Evan­ge­li­schen Kir­chen­tags« oder dem »Zen­tral­rat der deut­schen Katho­li­ken« über­nom­men. Für jeden Kir­chen­tag wird jeweils ein eige­ner Ver­ein gegrün­det, der die öffent­li­chen Gel­der ver­wal­tet – und spä­ter wie­der auf­ge­löst wird. Das hat vie­le Vor­tei­le. Erstens: Kir­chen­ta­ge brau­chen kei­ne Abrech­nung vor­zu­le­gen. Zwei­tens: Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten sind in Deutsch­lands nicht rechen­schafts­pflich­tig. Drit­tens: Lan­des­rech­nungs­hö­fe dür­fen sie nicht über­prü­fen. So bleibt intrans­pa­rent, wofür das staat­li­che Geld eigent­lich ein­ge­setzt wird.

Nicht zum ersten Mal gibt es Dis­kus­sio­nen über die Finan­zie­rung von Kir­chen­ta­gen. In Düs­sel­dorf hat sich die »Initia­ti­ve Düs­sel­dor­fer Auf­klä­rungs­dienst (DA)« vor­ge­nom­men, mit einem Bür­ger­be­geh­ren gegen einen Beschluss des dor­ti­gen Stadt­ra­tes vom Juni 2022 vor­zu­ge­hen. Der Rat der Stadt hat­te beschlos­sen, das Chri­sten­tref­fen 2027 in Düs­sel­dorf mit min­de­stens 5,8 Mil­lio­nen Euro zu unter­stüt­zen. Die Initia­ti­ve, die für eine auf­ge­klär­te und huma­ni­stisch ori­en­tier­te Gesell­schaft ein­tritt, will nicht den Kir­chen­tag als sol­chen ver­hin­dern. Sie wen­det sich aber gegen die Finan­zie­rung aus öffent­li­chen Mit­teln. »Von mir aus kön­nen die Kir­chen stän­dig ihre Kir­chen­ta­ge abhal­ten, sie sol­len sie nur selbst bezah­len«, meint DA-Vor­stands­spre­che­rin Ricar­da Hinz. In einem ersten Schritt braucht es 15.000 Unter­schrif­ten von Bür­gern, die auch bei der Kom­mu­nal­wahl wahl­be­rech­tigt wären. Wird die­ses Quo­rum erreicht, besteht die Mög­lich­keit, den Sub­ven­ti­ons-Beschluss mit einem so genann­ten Bür­ger­ent­scheid zu stoppen.

Die kirch­li­chen Ver­an­stal­ter kon­tern: »Kir­chen­ta­ge sind gesell­schaft­lich rele­van­te und nach­hal­tig wirk­sa­me Groß­ver­an­stal­tun­gen«. Geför­dert wür­den sie, weil sie mit ihren Zie­len in Bezug auf gesell­schaft­li­che Dia­logräu­me, inter­kul­tu­rel­len Aus­tausch und Par­ti­zi­pa­ti­on einem brei­ten öffent­li­chen Inter­es­se dien­ten. Und sie wei­sen dar­auf hin, dass sie nicht nur ihre Kir­chen­mit­glie­der anspre­chen, son­dern einen gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Dis­kurs über ethi­sche und poli­tisch aktu­el­le Fra­gen ermög­li­chen wol­len. Das Event sei somit ein Kata­ly­sa­tor für bür­ger­schaft­li­ches Engagement.

Wenn man aller­dings, wie zuletzt beim Katho­li­ken­tag in Stutt­gart, nur noch 27.000 Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer erreicht, von denen vie­le ehren- oder haupt­amt­li­che Hel­fer waren, wird der Recht­fer­ti­gungs­druck nicht gerin­ger. Und das in einer Zeit, in der die Kir­chen sich ohne­hin in einer Kri­se befin­den. Über 10 Mil­lio­nen Euro hat­te das Stutt­gar­ter Kir­chen-Event geko­stet, 4,35 Mil­lio­nen Euro davon – und damit etwa 40 Pro­zent der Gesamt­ko­sten – kamen aus öffent­li­chen Gel­dern. Mit 241 Euro pro Besu­cher erhielt der Stutt­gar­ter Katho­li­ken­tag eine absurd hohe För­de­rung. Von der Kir­chen­lob­by war den öffent­li­chen Geld­ge­bern die Finan­zie­rung mit den übli­chen Argu­men­ten schmack­haft gemacht wor­den: der ver­meint­lich gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Relevanz.

Wir wol­len das gesell­schaft­li­che Enga­ge­ment vie­ler reli­giö­ser Kir­chen­tags-Besu­cher nicht in Fra­ge stel­len, Aller­dings enga­gie­ren sich – dar­auf wei­sen auch die Düs­sel­dor­fer Auf­klä­rungs-Akti­vi­sten hin – eben­so auch reli­gi­ons­freie, anders­gläu­bi­ge und ungläu­bi­ge Men­schen in unse­rem Land. Sie erhal­ten kei­ne auch nur annäh­rend ver­gleich­ba­re finan­zi­el­le Unter­stüt­zung. Die Poli­tik in Deutsch­land soll­te end­lich umden­ken: Die Kir­chen­tags-Sub­ven­tio­nen sind mit einem welt­an­schau­lich neu­tra­len Staat nicht zu ver­ein­ba­ren. In unse­rer Ver­fas­sung steht: »Es besteht kei­ne Staatskirche.«

Es ist das gute Recht gläu­bi­ger Men­schen, Kir­chen­ta­ge und son­sti­ge kle­ri­ka­le Spek­ta­kel durch­zu­füh­ren. Wir leben in einer Demo­kra­tie. Aber der Staat soll­te nir­gend­wo als Finan­zier auf­tre­ten, allen­falls als Gast. Polit-Pro­mi­nenz lässt sich – »als Chri­sten­mensch« – gern auf Kir­chen­ta­gen sehen, kaum ein Podi­um oder ein Dis­kus­si­ons-Forum fin­det ohne sie statt. Auch für die tem­po­rä­re Prä­si­dent­schaft ste­hen ehe­ma­li­ge und amtie­ren­de Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker gern »ehren­amt­lich« zur Ver­fü­gung. Die Grü­nen-Poli­ti­ke­rin Kat­rin Göring-Eckardt, heu­te Bun­des­tags-Vize­prä­si­den­tin, war von 2009 bis 2013 Prä­ses der Syn­ode der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land. Par­al­lel auch Prä­si­den­tin des Deut­schen Evan­ge­li­schen Kir­chen­tags 2011. Als Pri­vat­per­son mag sie in der Kir­che »Trost und Hei­mat« (so in einem Inter­view) fin­den – als Par­la­ments-Reprä­sen­tan­tin aber steht ihr Dop­pel-Enga­ge­ment exem­pla­risch für eine kri­tik­wür­di­ge Kom­pli­zen­schaft von Kir­che und Staat.

Das Mot­to des Nürn­ber­ger Kir­chen­ta­ges lau­tet »Jetzt ist die Zeit«. Ja, unbe­dingt! Es ist Zeit für die Been­di­gung von Mil­lio­nen-Sub­ven­tio­nen für Kir­chen­ta­ge! Die näch­sten Kir­chen­ta­ge sind bereits ter­mi­niert: 2024: Erfurt, 2025: Han­no­ver, 2026: Würz­burg, 2027: Düs­sel­dorf. Viel­leicht soll­te ein Mot­to allen vor­an­ge­stellt wer­den. Das 11. Gebot: »Du sollst Dei­nen Kir­chen­tag selbst bezahlen.«